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Steuer zu Lasten der Sparer

von Thomas Köster, Martin Schebesta

Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer auf Aktienhandel, Altersvorsorge und Spekulation

In der aktuellen Debatte um die Finanztransaktionssteuer kommen ökonomische Argumente zu kurz. Daher ist ein Blick auf die Ideengeschichte des Ansatzes angebracht, um den aktuellen Vorschlag vor diesem Hintergrund einzuordnen. Es zeigt sich, dass der vorgeschlagene Weg besser unter dem Begriff Börsenumsatzsteuer einzuordnen wäre und – nicht zuletzt unter ordnungspolitischen Aspekten – problematisch ist.

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Tobin-Steuer

Die Idee, den Finanzsektor an den Kosten von Finanzkrisen zu beteiligen und hochriskante Spekulationen zu unterbinden, geht auf James Tobin zurück und entfachte als „Tobin-Steuer“ eine weltweite Debatte.(1) Tobin befürwortete eine minimale Steuer auf Derivate. Er wollte damit kurzfristige Spekulationen unterbinden, um Wechselkurse und Finanzmärkte zu stabilisieren. Nach Ende des Bretton-Woods-Systems schwankten die Wechselkurse stark, auch aufgrund spekulativer internationaler Devisentransaktionen. Neuerliche Aufmerksamkeit bekam der Vorschlag mit dem Aufkommen des Hochfrequenzhandels, bei dem Algorithmen in Sekundenbruchteilen am Markt agieren und reagieren.

Gegner der Finanztransaktionssteuer führen an, dass den Märkten wichtige Finanzmittel verloren gehen könnten – sei es, weil diese Geschäfte nicht mehr vorgenommen werden oder an anderen nicht besteuerten Börsenplätzen getätigt werden. In Frankreich sank das Handelsvolumen nach Einführung einer Börsenumsatzsteuer um zehn Prozent. Außerdem wurden in Europa nach der weltweiten Finanzkrise 2007–2008 bereits vielfältige Maßnahmen eingeleitet, um unerwünschte Folgen von Spekulationen zu unterbinden und den Finanzsektor an zukünftigen Kosten zu beteiligen, etwa eine bessere Überwachung, Bankenregulierung und eine Bankenabgabe.  

Finanztransaktionssteuer in Europa

Bereits seit 2011 ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer Gegenstand von Verhandlungen auf EU-Ebene. Die EU-weite Initiative scheiterte 2013. Seitdem versucht eine „Koalition der Willigen“ im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit, eine einheitliche Finanztransaktionssteuer zumindest in ihren Ländern einzuführen. Zu dieser Koalition gehörten neben Deutschland auch Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Spanien.

Nachdem sich diese Länder im Sommer 2019 auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer geeinigt haben, hat der deutsche Finanzminister im Dezember 2019 einen Vorschlag für einen Richtlinientext vorgelegt. Der Vorstoß sieht eine Umsatzsteuer von 0,2 Prozent auf den Aktienerwerb der Unternehmen vor, die mehr als eine Milliarde Euro wert sind. Selbst wenn eine Einigung im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit scheitern sollte, ist eine Umsetzung auf nationaler Ebene vorgesehen.(2)

Bewertung

Gewichtigster Einwand von Kritikern ist, dass die Initiative ihre Ziele verfehlt. Denn insgesamt 99 Prozent aller Finanztransaktionen – insbesondere hochspekulative Geschäfte wie der Hochfrequenzhandel und Derivate – blieben von der Steuer ausgenommen.

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer könnte schlimmstenfalls sogar kontraproduktiv sein, da mit zwei Arten von Ausweichreaktionen zu rechnen sei: Erstens könnte die Steuer Anreize für Spekulationen sogar erhöhen, da diese nicht der Transaktionssteuer unterlägen. Zweitens könnte sich der Aktienhandel auf steuerlich nicht erfasste Börsenplätze verlagern. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einführung einer rein nationalen Transaktionssteuer problematisch.

Die vorgeschlagene Steuer ist bei näherer Betrachtung keine Finanztransaktionssteuer im volkswirtschaftlichen Sinne. Sie besteuert ausschließlich Käufe von Aktien großer Unternehmen in beteiligten Ländern und trägt deshalb nicht dazu bei, Spekulationen wie den Hochfrequenzhandel oder hochriskante Derivatekonstruktionen zu unterbinden. Die Steuerlast trägt nicht der Finanzsektor, sondern unmittelbar der Sparer – die Steuer träfe also die Falschen.

Ausblick

Der Ansatz einer de facto-Börsenumsatzsteuer sollte auf dieser Grundlage überdacht werden. In vorgeschlagener Form würde sie ein weiteres Ziel der Sozialen Marktwirtschaft behindern, nämlich die Beteiligung der Bevölkerung am volkswirtschaftlichen Kapitalstock. Neben  Altersvorsorgeprodukten wären Kleinanleger und die Realwirtschaft von der Steuer betroffen. Die Aktienkultur in Deutschland würde weiter leiden. Vielmehr sollten Umsatzsteuern auf vermögensbildende Maßnahmen abgebaut werden. Ziel einer Vermögenspolitik ist die Beteiligung der Bürger an den Produktivkräften der Volkswirtschaft. Dieser zentrale Grundsatz der Sozialen Marktwirtschaft verdient mehr Aufmerksamkeit.

 

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(1) Tobin, James (1978): „A prosposal for International Monetary Reform“, in: Eastern Economic Journal (vol. 4/1978), S. 153–159.
(2) Vgl. Handelsblatt (2020) Scholz will zeitnah Gesetzentwurf für Finanztransaktionssteuer vorlegen“. https://tinyurl.com/w2ujhaw (zuletzt aufgerufen am 19.02.2020).

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Thomas Köster

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