Sandra Escorcia
Ehemalige Koordinatorin der städtischen Mobilitätskommission SPIA von Panama-Stadt (2017 bis 2020); ab 1994 Generaldirektorin von Taller de Ideas, einem Unternehmen für Planung und Konstruktion sowie später Projektleiterin von Lake View Estate, einem Unternehmen für Projektförderung.
Luis Alfaro
Architekt und Landschaftsdesigner. Master in Landschaftsarchitektur.
Edward McGrath
Gründer und leitender Architekt von McGrath & Associates. Spezialist für Nachhaltigkeit, Stadtplanung und Bauwesen. Bachelor in Architektur an der University of Notre Dame.
Moderation:
Yadira Gratacos und Marcee Gómez
Projektkoordinatorinnen der Konrad-Adenauer-Stiftung Panama, Regionalprogramm ADELA ("Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika")
Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass bis 2050 zwei Drittel der Menschheit in städtischen Gebieten leben werden. Wir sprechen daher mit den Architekten Sandra Escorcia, Luis Alfaro und Edward McGrath über folgende Aspekte:
- Wie müssen Städte geplant werden, um dieses Wachstum zu ermöglichen, und was ist zu berücksichtigen, um den Bedarf an Grundbedürfnissen wie Wasser, Energie, Telekommunikation, Sicherheit und Mobilität zu decken?
- Welches sind die größten Herausforderungen, die auf die Stadtverwaltungen zukommen?
- Wie können diese Ziele erreicht werden?
Strong Cities 2030
Urbanisierung birgt nicht nur große Chancen und Vorteile, sondern auch gewaltige umweltbezogene, sozioökonomische und politische Herausforderungen. Dies spiegelt sich auch in der Agenda 2030 der UN wider, insbesondere Ziel 11: „Nachhaltige Städte und Gemeinden“. Dieses beinhaltet unter anderem die Entwicklung inklusiver, sicherer und widerstandsfähiger Städte. Da sich die Konrad-Adenauer-Stiftung für die Umsetzung der in der Agenda 2030 formulierten Ziele einsetzt, ist die Stadtentwicklung ein wesentliches Anliegen der Stiftung. Zu diesem Zweck schafft die KAS Plattformen, um notwendiges technisches und praktisches Wissen auszutauschen und internationale Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger städtischer Entwicklung anzustoßen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche die öffentliche Politik der Zukunft bestimmen werden. Aus diesem Grund hat die Stiftung 2018 das Netzwerk „Strong Cities 2030“ geschaffen, welches seine erste Konferenz in Essen, Deutschland, abhielt. 2019 fand eine zweite Konferenz in Johannesburg, Südafrika, statt. Ziel der Initiative ist es, den Austausch von Wissen, Konzepten und Praktiken zu fördern. Das Programm wird aktuell vom Büro der KAS in Südafrika koordiniert.
Die Dezentralisierung der Stadt
Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass bis 2050 zwei Drittel der Bevölkerung in städtischen Gebieten leben werden. Wie müssen vor diesem Hintergrund die Städte der Zukunft geplant werden?
Es ist schon jetzt klar, dass die zunehmende Urbanisierung eine gewaltige Herausforderung darstellt. Die Pandemie hat die Schwachstellen moderner Städte aufgezeigt. Durch das Virus wurde deutlich, dass es in fast allen Städten zu einer enormen Konzentration von Menschen in den Stadtzentren kommt. In Panama leben beispielswiese 45 Prozent der Bevölkerung in der Metropolregion Panama-Stadt, wo 70 Prozent des BIP erwirtschaftet werden. Ein Großteil der in der City arbeitenden Menschen pendelt jeden Tag aus den außerhalb liegenden Wohngebieten ins Stadtzentrum. Verkehrschaos gehört zur Normalität des urbanen Alltags. Um dieser Überfüllung entgegenzuwirken bedarf es langfristiger komplexer Planung auf der Micro- wie der Makroebene: Dezentralisierung von Infrastruktur (Arbeitsplätze ebenso wie Konsumangebot) von den Innenstädten in die Randgebiete der Ballungszentren ebenso wie Investitionen im Landesinneren zur Schaffung neuer regionaler Zentren als attraktive Alternativen für Unternehmen im Dienstleistungs- und im Produktionssektor. Die Ansatz des „Mixed Use“ verfolgt das Ziel, dass es zu einer stärkeren Vermischung von Wohngebieten, Geschäften und Unternehmen kommt, welche den Bedarf der umliegenden Bewohner decken und die Einkaufs- wie Arbeitswege deutlich reduzieren. In positiver Hinsicht hat die Pandemie außerdem gezeigt, dass Home Office eine tatsächliche Alternative für viele Berufe darstellen kann. In Zukunft könnte es daher auch durch eine fortschreitende Digitalisierung und ortsunabhängige Arbeit zu einer Entlastung der Stadtzentren kommen.
Die Optimierung der Verkehrsinfrastruktur
Ein entscheidender Faktor der Stadtplanung ist zudem die Optimierung der Verkehrsinfrastruktur. Um lebenswerte Städte zu schaffen, sollte zukunftsorientierte Städteplanung darauf abzielen, dass Bürger in maximal 30 Minuten ihren Arbeitsplatz erreichen können. In Panama-Stadt ist vor diesem Hintergrund der Bau der Metro ein wichtiger Schritt gewesen. Dabei ist es jedoch zum einen offensichtlich, dass ein weiterer Ausbau nötig ist, um größere Teile der Stadt abzudecken. Zum anderen löst die Metro nur eines von vielen Verkehrsproblemen. Denn grundsätzlich bedarf es bei der kommunalen Verkehrsplanung eines ganzheitlichen Ansatzes, d.h. es braucht zusätzlich zur Großprojekten wie der Metro auch gut ausgebaute Zubringersysteme (Busse, Park and Ride) sowie alternative Verkehrsinfrastruktur wie Radwege und Bürgersteige damit die Bewohner bequem von ihrer jeweiligen Metrostation zur Arbeit oder nach Hause gelangen. In Panama-Stadt fehlt es insbesondere an attraktiven Rad- und Fußwegen. Zur langfristigen Behebung der Verkehrsprobleme der Stadt sind jedoch komplexe Lösungen erforderlich, die die Probleme regelmäßiger Überschwemmungen in der tropischen Regenzeit ebenso beinhalten wie die Neuverlegung von Stromnetzen, die hohe Privatisierung im öffentlichen Raum sowie das unerlaubte Parken von Autos auf den Bürgersteigen. Des Weiteren ist die Verkehrsinfrastruktur in Panama-Stadt auf den privaten Verkehr ausgelegt. Es gibt beispielsweise keine exklusiven Fahrbahnen für den öffentlichen Verkehr, auf den eine Mehrheit der Bevölkerung angewiesen ist. Dies führt dazu, dass öffentliche Verkehrsmittel aufgrund ihrer Fahrtzeiten und schlechten Anbindung keine akzeptable Alternative darstellen. Solange sich dies nicht ändert, wird ein großer Teil der Bewohner weiterhin das Auto nutzen, um sich in der Stadt fortzubewegen.
Städtische Bauprojekte müssen mit Sorgfalt und Weitsicht geplant werden, da sie sonst ihr Ziel verfehlen oder mangelhaft umgesetzt werden. Pläne für den Stadtausbau sollten grundsätzlich für eine Zeitdauer von 20 bis 30 Jahren erarbeitet werden. Aktuell ist es in Panama jedoch eher der Fall, dass alle 5 Jahre, wenn die Regierung wechselt, neue Pläne erarbeitet werden. Hinzu kommt, dass in den meisten Städten eine einzige Verwaltung für den öffentlichen Raum zuständig ist. In Panama-Stadt gibt es hingegen mehrere Einrichtungen, wie das Verkehrsamt, die Gemeinde und die zuständige Stromverwaltung, welche sich die Befugnisse teilen. Dies verkompliziert eine Koordination, da diese Institutionen über teilweise überschneidende Zuständigkeiten und unklare oder gegensätzliche Regelungen verfügen.
Aus diesem Grund braucht es zum einen eine öffentliche Gesetzgebung, um die Kontrolle und Regulierung der Stadtplanung zu gewährleisten. Zum anderen ist es wichtig, dass der Bevölkerung ein Mitspracherecht bei derartigen Entscheidungen zukommt. Die Bürger besitzen in diesem Zusammenhang allerdings auch die Verantwortung ihre Wünsche öffentlich zu machen und sich für ihre Bedürfnisse einzusetzen.
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
Gordian Kania
Praktikant im KAS-Büro ADELA, Panama