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Zwischen der Mitte und neuen Rändern :: Wahlanalyse der Bundestagswahlen 2017

von David Brähler

Franco Delle Donne präsentiert Buch „Der Faktor AfD“

Während in Deutschland schon die ersten Gespräche zur Anbahnung einer möglichen Koalition stattfinden, nahmen die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Montevideo und der in Deutschland lebende argentinische Politikexperte Franco Delle Donne noch einmal die Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 unter die Lupe. Vor vollem Haus und großem Onlinepublikum wurde so dem großem Interesse Lateinamerikas an Deutschland Rechnung getragen.

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„Jenseits von Prozenten und Wahlsiegern stellen auch 2017 demokratische Wahlen ein hohes Gut und ein Grund zur Freude dar“, bemerkte Kristin Wesemann, Leiterin der KAS Montevideo in ihrer Begrüßung. Der deutsche Botschafter in Uruguay, Dr. Ingo von Voß, verwies bei den Verlusten der großen Volksparteien und dem Zuwachs der rechtspopulistischen AfD auf die hochaktuelle Bedeutung des Kolloqiums. „Fast 22 Prozent Wählerstimmen aus Linke und AfD stehen dem Konzept der Mitte gegenüber. Den Wählern dieser Ränder müssen die Parteien aufmerksam zu hören, wenn sie deren Stimme zurückgewinnen wollen“, so von Voß. Mit den anstehenden so genannten Jamaika-Verhandlungen und den in Zukunft mehr als 700 Abgeordneten von sieben Parteien stünden große Herausforderungen an. „Bei der anstehenden Auseinandersetzung mit der AfD darf man es sich mit Etiketten wie ‚Partei der Neonazis‘ nicht zu einfach machen“, mahnte der Diplomat gegen Ende seiner Grußworte.

In einer digitalen Umfrage über die eigenen Handys unterstrichen die Teilnehmer ihren Glauben an die große internationale Bedeutung Deutschlands, von der her ihr Interesse an den deutschen Wahlen rühre. Franco Delle Donne, der seit acht Jahren von Berlin aus die deutsche Politik verfolgt, analysierte zunächst einige Wahlstatistiken. „Das linke Parteispektrum ist besonders aufgrund der Verluste der SPD enorm geschrumpft, wobei die Linke und die Grünen ihre Wähler halten konnten“, so der Politikberater. Dass AfD und FDP so viele Wähler der Union für sich gewinnen konnten, habe auch an dem früh als entschieden gegoltenen Wahlkampf gelegen. „Viele wollten diesen Status Quo nicht akzeptieren und wählten Veränderung“, erklärte Delle Donne. Ein zweiter Veränderungsjoker seien die in der Wissenschaft bekannten negativen Effekte großer Koalitionen gewesen. „Bekanntermaßen verwischen dabei die Unterschiede, umso mehr als die Kanzlerin einer eher konservativen Partei auch sozialdemokratische Projekte umsetzte. Das strategisch kluge Wachsen der CDU unter Merkel in Richtung Mitte funktionierte so lange, wie es rechts keine Alternative gab“, analysierte der Politikberater. Das Wahlergebnis zeige einen deutlichen Wunsch eines Teils der Bevölkerung nach Veränderung und Abstrafung der großen Koalition als ausgedientem Modell.

In einem zweiten Teil erläuterte Delle Donne die Kernpunkte seiner kürzlich erschienenen Publikation „Der Faktor AfD und die Rückkehr der ultrarechten in Deutschland“, die er gemeinsam mit dem spansichen Journalisten Andreú Jerez verfasst hat. „Bei unseren Interviews mit AfD-Vertretern wurde uns deutlich, wie gut diese kommunikativ gerüstet und auf alle Fragen vorbereitet sind, und wie gut sie ihre Wählerschicht kennen“, konstatierte der Politikberater. Ein Kernpunkt des Buchs sei die Vorstellung der Querschnittswähler der AfD. „Die rechtspopulistische Partei werde von extremen Rechten gewählt, die über die Partei mit bürgerlichem Anschein radikale Thesen vertreten könnten; von Euroskeptikern, wie sie sich in allen europäischen Rechten finden und in Deutschland nur in der AfD eine Heimat haben; von enttäuschten Konservativen, die sich vor allem am „Wir schaffen das“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Umbau der CDU stören, sowie schließlich von den „Verwundbaren“, die sich als Verlierer der Wiedervereinigung, der Globalisierung und überhaupt des wirtschaftlichen Systems sehen“, erklärte Delle Donne. Während sich die enttäuschten Konservativen überdurchschnittlich oft im Süden Deutschlands fänden, seien die Verwundbaren besonders im Osten der Republik präsent.

In der sehr angeregten Debatte hob Delle Donne hervor, dass es in der AfD Idealisten, Ideologen und Opportunisten gebe, die die Partei anschöben, durchdächten oder nach Allianzen suchten. Die spezifische Abneigung gegenüber der Bundeskanzlerin rühre einerseits von einem sehr hilfreichen Feindbild und persönlichen Animositäten führender AfDler her. „Das Wahlergebnis der beiden Protestparteien die Linke und AfD zeigt, dass sich viele Menschen von der Politik vernachlässigt fühlen. Wahlveranstaltungen alleine werden da nichts bewirken können. Es braucht politische Gesten und weniger dogmatische Vorverurteilungen“, so Delle Donne abschließend.

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