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Länderberichte

Resonanz der Bundestagswahl in Polen

Die Fortsetzung einer Regierung Merkel wird begrüßt

Dass es in Deutschland weiter eine Regierung unter der Führung der christdemokratischen Parteiführerin Angela Merkel geben wird, wird in Polen durchweg begrüßt. Bereits nach den ersten Hochrechnungen gratulierten führende Politiker der Regierungsparteien Bürgerplattform (PO) und Volkspartei (PSL) den Partnerparteien CDU/CSU zum Wahlausgang. In polnischen Regierungskreisen ist man froh, die nach der politischen Wende in Polen Ende 2007 wieder aufgenommene gute Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung unter der bewährten Führung Merkels fortsetzen zu können.

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Der Deutschlandbeauftragte der polnischen Regierung und außenpolitische Berater des Premiers, Władysław Bartoszweski betont immer wieder, wie gut sich die Kanzlerin mit ihren eigenen Erfahrungen aus einem früheren Land des Warschauer Paktes mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk versteht. Dieses Verständnis könne für das Werden einer „deutsch-polnischen Normalität“ nur von Vorteil sein, sagt Bartoszewski. Dies gilt unbeschadet der empfindlichen Differenzen, die sich im Streit um die CDU-Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, zuletzt noch im Frühjahr gezeigt haben und die auch jetzt noch bei der Analyse des Wahlausganges eine Rolle spielen. So rechnet man in der polnischen Presse damit, dass das Streitthema Erinnerungspolitik bestand haben wird, aber die FDP wie bisher die SPD mäßigend auf „konservative Bestrebungen“ in Deutschland Einfluss nehmen werde und eine Mitgliedschaft von BdV-Chefin Steinbach im Beirat des Museums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ weiter verhindern werde.

Nach Einschätzung der Kommentatoren in Polen werde sich in der Außenpolitik Deutschlands nicht viel ändern. Innenpolitisch werde die neue Regierung jedoch stärker sein und mit noch mehr Wind in den Segeln die Wirtschafts- und Europapolitik vorantreiben. „Eine gesündere deutsche Wirtschaft ist für das so eng mit Deutschland verbundene Polen eine gute Nachricht“, heißt es im Leitkommentar der größten Tageszeitung, der eher linksliberalen Gazeta Wyborcza. Die konservative Zeitung Dziennik erwartet dagegen eine Intensivierung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit im Energiebereich, auch als Absicherung gegenüber Russland.

In den Abendnachrichten des öffentlichen Fernsehens TVP 1 gingen zwei längere Beiträge auf den Wahlausgang ein: In einem wurden die Sieger Merkel und Westerwelle dargestellt, wobei letzterer ausführlicher mit seinem Lebenspartner gezeigt wird. In einem zweiten Film ging es um die Ursachen der gesunkenen Wahlbeteiligung, die u.a. mit der Arbeitslosigkeit in Deutschland erklärt wurde.

Schwacher Widerhall im Vorfeld

Im Vorfeld fand die Bundestagswahl in Deutschland verhältnismäßig wenig Beachtung in Polen. Das lag zum einem an dem wenig inhaltlich profilierten Wahlkampf und den Prognosen, die für eine Fortführung einer Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel sprachen, zum anderen an den bedeutenden Jahrestagen am 1. September: 70 Jahre Beginn des Zweiten Weltkrieges und 17. September: 70 Jahre seit Einmarsch der Roten Armee in Polen, auf die sich die Aufmerksamkeit konzentrierte. Daneben standen auch die Antrittsrede des neuen Präsidenten des EU-Parlaments, des polnischen PO-Politikers Jerzy Buzek, am 15. September, die Stornierung der geplanten Raketenabwehr in Polen, die der Amerikanische Präsident Obama justament am 17. September verkündete, der Grabenkampf um die Führung der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten und ein großes Grubenunglück vergangene Woche in Schlesien im Vordergrund.

Eine Rolle bei der eher distanzierten Wahrnehmung in den polnischen Medien spielt der Mangel an eigenen Korrespondenten in Berlin. So hat etwa von den vier großen Tageszeitungen, von denen sich zwei - Polska und Dziennik - ganz oder maßgeblich in der Hand deutscher Verlage befinden, nur eine einen ständigen Korrespondenten in der Bundeshauptstadt: die nationalkonservative Rzeczpospolita. Für die meisten Fernseh- und Radiosender, Zeitungen und Magazine ist ohne eigene Korrespondenten aber eine direkte Berichterstattung nur schwer möglich. Dagegen sind mehr als 15 deutsche Korrespondenten in Warschau tätig.

Allerdings entsandten etliche polnische Medien spezielle Wahlbeobachter nach Deutschland, was mit dazu beitrug, dass unmittelbar vor der Wahl etwas mehr berichtet wurde. Dabei tauchte bei den immer noch vorherrschenden konservativen Publizisten der Zeitungen Rzeczpospolita, Dziennik und Polska wiederholt ein für Polen wichtiger außenpolitischer Aspekt bei der Beurteilung des möglichen Wahlausganges auf: Deutschland sei unter der Führung der aus der DDR stammenden Bundeskanzlerin Merkel für seine östlichen Nachbarn weniger verdächtig geworden, als unter „Russlands Kumpel“ Gerhard Schröder. Ein Erfolg Merkels wurde deshalb durchweg begrüßt. Mit einem Wechsel der Kanzlerschaft zu Steinmeier verbanden sich dagegen gewisse Befürchtungen, da er als zu eng mit der prorussischen Politik Schröders verbunden angesehen wird.

Verzerrtes Deutschlandbild

Zudem fand der Streit über das fremdenfeindliche Wahlplakat der NPD mit dem Slogan „Polen-Invasion-stoppen“, das u.a. in Görlitz ausgehängt wurde, stete Aufmerksamkeit in den polnischen Medien. Eine deutsch-polnische Unternehmervereinigung klagte gegen dieses Plakat, bekam aber erst in der zweiten Instanz Recht, so dass dies unsägliche Plakat von der Bildfläche verschwand.

Ein weiteres Thema war für die Medien das Schreiben des Berliner Rechtsanwalts Stefan Hambura an Bundeskanzlerin Merkel, in dem dieser die Aufhebung eines Gesetzes aus der NS-Zeit fordert, das den Bestand polnischer Organisationen in Deutschland untersagte. Die national-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ nutzte diesen Vorgang zu einer parlamentarischen Initiative, in der der Sejmausschuss für die Auslandspolen am 24. September diese an die deutsche Bundeskanzlerin gerichtete Forderung unterstützte. Dabei insinuieren Abgeordnete der PiS und verschiedene Journalisten, dieses NS-Gesetz zeige Konsequenzen bis zum heutigen Tag und diskriminiere die Polen in Deutschland. Hambura erarbeitete u.a. das Gutachten für das polnische Parlament, das als juristische Grundlage für den Sejm-Beschluss vom 10. September 2004 diente, die polnische Regierung aufzufordern, gegenüber der Bundesregierung Reparationen geltend zu machen. Er berät auch die "Polnische Treuhand" hinsichtlich der Entschädigungsansprüche polnischer Staatsangehöriger.

So wurden merkwürdiger Weise derartig obskure Randphänomene, die jeweils das politische Bild Deutschland verzerren, präsentiert, wogegen es an einer substantiellen Analyse der politischen Diskussion in Deutschland in den Medien eher mangelt. Das trägt nicht zu einem besseren Verständnis der politischen Vorgänge im großen westlichen Nachbarland Polens bei, weshalb die KAS in einer eigenen öffentlichen Diskussion über die Wahl informierte.

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