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Science Fiction und Klimagegenwart

Das Science Fiction (SF) Genre erfährt gegenwärtig eine wachsende öffentliche Aufmerksamkeit, die sich vor allem auf Klima- und Umweltthemen fokussiert. Viele dieser Geschichten stellen eine gesellschaftspolitische Projektionsfläche dar, die nicht nur die unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungen des Klimawandels wiederspiegeln, sondern auch reale politische Positionen zu erklären vermögen. Für die internationale Klima- und Umweltpolitik könnte dieser Trend ein Hinweis darauf sein, sich stärker mit Fragen des klimapolitischen Story Tellings und eng daran angebunden, der Darstellung von Zukunft und möglichen Innovationen auseinanderzusetzen, um der gewachsenen politischen Polarisierung in diesem Themenfeld entgegenzuwirken.

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Einleitung

Die Ausmaße der verbrannten Waldflächen in Kalifornien, im Amazonas und zuletzt an der Ostküste Australiens haben eine Dimension erreicht, die wir nur aus Filmen und der Literatur kennen. Die unfassbaren Bilder der Feuer, die mittlerweile in einer gewissen Regelmäßigkeit um die Welt gehen, sind dabei nicht nur erschreckend und beängstigend. Sie zeigen auch die Machtlosigkeit des Menschen, wenn Extremereignisse auftreten und selbst in hochindustrialisierten Ländern nur noch die Flucht bleibt. Zahlreiche Forscher weltweit nehmen die Brände zum Anlass, um auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen, der mit Dürren und Hitzewellen die Voraussetzungen für Extremfeuer schafft. Und die Prognosen der Klimaforschung für die kommenden Jahrzehnte versprechen keine Besserung, wenn sich der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase nicht deutlich verringert.

Die Auswirkungen des Klimawandels, des überzogenen Ressourcenverbrauchs und der Umweltzerstörung werden heute nicht nur durch eine wachsende mediale Aufmerksamkeit, sondern durch tatsächlich stattfindende drastische Veränderungen unserer Umwelt, immer sichtbarer. Was das für den Menschen in den kommenden Jahrzehnten bedeutet und wie er damit umgehen sollte oder auch besser nicht, ist mittlerweile Gegenstand einer breiten gesellschaftspolitischen Debatte. Vor diesem Hintergrund und gerade in Anbetracht der fachlich und medial gut dokumentierten Extremwetterereignisse greift auch zunehmend, was sich besonders an den entsprechenden Verkaufszahlen ablesen lässt, die Belletristik das Thema auf. Das Science Fiction (SF) Genre ist dabei ein Vorreiter. Es besitzt eine lange Tradition in der Darstellung dystopischer Szenarien im Bereich der Umweltzerstörung und des Ressourcenmangels. Und neuerdings befasst es sich auch explizit mit Klimawandel in Form des Climate Fiction und Solarpunk Genres.

Erst kürzlich endete im Kino das Avengers-Epos aus dem Marvel Universum mit all seinen verschiedenen Superhelden wie Iron Man oder Spider Man. Diese brachten am Ende einen Bösewicht zur Strecke, der Mal eben mit universaler Allmacht ausgerüstet per Fingerschnipp die Hälfte aller Lebewesen des Universums auslöschen wollte, da diese mangels verfügbarer Ressourcen nicht „anständig“ leben könnten. Auch der kommerziell sehr erfolgreiche Film Avatar beschäftigt sich mit Umweltfragen. Darin sollen Ressourcen auf einem weit entfernten Planeten ausgebeutet werden, was aber die davon wiederum existentiell abhängigen Bewohner auf den Schirm ruft, die sich heftig dagegen wehren. Im Jahr 1999 kam die mit grafischen Effekten wegweisende Matrix-Reihe in die Kinos. Darin wurden Menschen von einer künstlichen Intelligenz gezüchtet, um ihre Körper für die Energieversorgung zu nutzen.

Viele der heute populärcineastisch verfilmten SF Geschichten greifen auf bekannte das SF Genre prägende Werke zurück. Eines der ersten, die dabei explizit das Thema Ressourcen, Ökologie und Politik aufgriffen, ist der Wüstenplanet (Dune) von Frank Herbert aus dem Jahr 1965. Ein nach wie vor wegweisendes Werk. Die Geschichte handelt von einem Rohstoff, um den sich viele Parteien streiten und den es auf nur einem Planeten im Universum gibt. Der Autor entwickelt daraus eine zutiefst geopolitische Dramaturgie, um ökologische Ausbeutung und politischer Machtspiele.

SF Geschichten stellen eine gesellschaftspolitische Projektionsfläche dar, die nicht nur die unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungen des Klimawandels wiederspiegeln, sondern auch reale verschiedene politische Positionen, die oftmals zwischen Optimismus und Pessimismus schwanken, zu erklären vermögen. Für die internationale Klima- und Umweltpolitik folgt daraus, sich stärker mit Fragen des klimapolitischen Story Tellings und eng daran angebunden, der Darstellung von Zukunft und möglichen Innovationen auseinanderzusetzen. Den gegenwärtigen politische Blockaden und technologischen Denkverbote könnte damit vielleicht begegnet werden und helfen das Verständnis für verschiedene Lösungsansätze zu fördern.

 

Zukunftsforschung und Innovation

Der Blick in die Zukunft gehört für politikberatende Thinktanks zum Kerngeschäft. Auf Grundlage von Analysen und Prognosen zu möglichen politischen Konstellationen in spezifischen Themenfeldern werden Empfehlungen an politische Entscheider gegeben. Die noch vergleichsweise junge Disziplin der Zukunftsforschung hält schon heute ein breites Spektrum an bekannten und weniger bekannten Methoden dafür bereit. Allerdings bleibt die Unsicherheit in der Vorhersage von politischen Entwicklungen, auch wenn ein noch so breites Möglichkeitsszenarium aufgefächert wird. Wer hätte – mal von den The Simpsons Drehbuchautoren abgesehen – gedacht, dass Donald Trump US-Präsident wird, und dieser Kim Jong-un in der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea die Hand reicht. Oder eine junge Schwedin namens Greta Thunberg zur globalen Klimagallionsfigur wird, den freitäglichen Schulunterricht an deutschen Schulen gehörig beeinträchtigt und zumindest die deutsche Klimapolitik innerhalb kürzester Zeit wieder ganz nach oben auf die politische Prioritätenliste katapultiert.

Unternehmen sehen sich der gleichen Herausforderung im Umgang mit der Zukunft ausgesetzt. Für sie sind die Prognose und die Vorbereitung auf zukünftige Marktentwicklungen überlebensnotwendig. Die großen Unternehmen unterhalten dazu sogar ganze Abteilungen. Andere kaufen sich externe Expertise ein. Ziel ist es Risiken für Investitionen, anstehende Produktplatzierungen und technologische Entwicklungen unter Unsicherheit abzuschätzen. Innovationen, wie z.B. die Blockchain-Technologie, werden etablierten Unternehmen voraussichtlich im Banken- und Energiesektor die Geschäftsgrundlage entziehen, wenn sie sich nicht anpassen. Wie schwierig und vor allem teuer es ist, Fehleinschätzungen zu korrigieren, zeigt sich an der zu spät erfolgten Antizipation der Elektromobilität in der deutschen Automobilindustrie. Viele Jahre wichtiger Investitionen in diese Technologie sind verloren gegangen. Als Konsequenz baut das US-Unternehmen TESLA bald Elektroautos in Deutschland und China nutzt die Gelegenheit, um den deutschen Technologievorsprung in der Entwicklung von Verbrennungsmotoren durch die Eigenentwicklung von Elektromotoren wett zu machen.

Die Zukunftsforschung ist diejenige Disziplin, die sich mit genau solchen Fragestellungen auseinandersetzt. Ihr geht es jedoch nicht darum die Zukunft vorherzusagen. Vielmehr versucht sie, über vielfältige methodische Ansätze Faktoren zu identifizieren, die eine relevante Grundlage für mögliche Szenarien bildet. Neben der bekannten Technikfolgenabschätzung sind Foresight-Methoden, die gesellschaftliche Wandlungsprozesse skizzieren sollen, darin von besonderer Bedeutung. Die Grundlagen der Zukunftsforschung wie Expertenbefragungen und Szenarien-Bildung sind dabei aus der klassischen Wissenschaft entlehnt. Neuere Ansätze gehen noch einfacher vor, indem halbfertige Produkte auf den Markt geworfen und iterativ mit Kunden zusammen weiterentwickelt werden. Das Risiko eine Fehleinschätzung über die zukünftige Marktentwicklung minimiert sich dadurch.

Wie wichtig der Blick in die Zukunft und die Bereitschaft sich auf sie einzulassen ist, zeigt sich vor allem im Bereich der technologischen Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft. Die Schaffung eines Umfeldes, in dem Innovation entstehen kann, ist zentral für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Wer die Technologieführerschaft innehat kann zudem die Zukunft mitgestalten. Das Silicon Valley in den USA oder die Greater Bay Area Chinas haben sich nicht aus Zufall zu den weltweit führenden Innovationszentren entwickelt. Ein Erfolgsrezept ist der Mut in Technologien zu investieren, auch wenn diese zunächst unrealistisch erscheinen.

Dieser Ansatz wird nicht nur privatwirtschaftlich umgesetzt, sondern auch staatlich wie die „Defense Advanced Research Projects Agency“ (DARPA) der USA zeigt. Sie soll explizit die technologische Überlegenheit der USA sichern. Sie fördert Zukunftstechnologien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Chance auf Verwirklichung haben. Der Erfolg gibt diesem Ansatz recht. Die Vorläufer des Internet das ARPANET, das GPS, die Spracherkennung, die Computermaus oder die künstliche Intelligenz sind u.a. daraus hervorgegangen. Das chinesische Innovationsökosystem verfolgt einen anderen wesentlich mehr staatlich gesteuerten, aber nicht unbedingt weniger erfolgreichen, Ansatz. Der Vorteil eines relativ abgeschotteten Marktes wurde dabei zur Heranreifung eigener Technologieunternehmen wie Baidu, Tencent oder Alibaba ausgenutzt. Heute schaut der US-amerikanische Mediengigant Facebook auch sehr genau auf Social-Media-Anwendungen von WeChat, dem populärsten Messenger-Dienst Chinas.

 

Science Fiction, Climate Fiction und Solarpunk

Um ein möglichst hohes Maß an Vorstellungskraft über etwaige „Zukünfte“ zu erlangen, setzen Unternehmen und Unternehmensberatungen mittlerweile auch auf SF-Autoren. Deren Kernkompetenz ist es nämlich, möglichst detailliert Entwicklungen aufzuzeigen und spannend zu erzählen, die in einer weiten oder manchmal auch weniger weit entfernten aber de facto unbekannten Zukunft liegen.

Die Ursprünge des heutigen SF gehen dabei auf Klassiker wie Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ zurück, die den Sieg der Technik über die Natur zum Gegenstand haben. Hierbei werden bekannte aber auch erst wesentlich später mögliche Technologien aufgegriffen. Während die Nautilus, das U-Boot aus Jules Vernes Roman vermutlich auf bereits damals vorhandene theoretische Pläne von Unterwasserfahrzeugen zurückgreift, nimmt sein Roman „From the Earth to the Moon“ eine technologische Perspektive ins Visier, die erst hundert Jahre später umsetzbar wird. Der bemannte Flug zum Mond. Heute kann bereits auf Mondbesuche durch Menschen und existierende Raumstationen zurückgeblickt werden. Und Unternehmer wie Elon Musk überführen die Raumfahrt gegenwärtig in die Kommerzialisierung. In Fritz Langs Film Metropolis von 1927 sieht der Zuschauer zum ersten Mal einen Video Call. Heute eine Selbstverständlichkeit. Ein besonders zuverlässiger Technologievorhersager ist die Star Trek-Reihe. Dort gibt es einen „Replikator“, der bereits in den 60ern von Ersatzteilen bis hin zu Essensgerichten auf Knopfdruck alles herstellt und damit ein großes Versorgungsproblem der Reisen des Raumschiffs Enterprise löst. Er ist ein geradezu perfekt passendes Vorbild für den heutige 3D-Drucker. In der modernen Industrie ist er nicht mehr wegzudenken. Der „Communicator“ hingegen ist das Vorbild für heutige Mobilfunkgeräte, ohne die die heutige Globalisierung kaum denkbar ist. Und kaum ein Entwickler von Robotern kommt an dem bekannten SF-Autor Isaac Asimov vorbei, der sich schon, noch bevor es menschenähnliche Roboter und künstliche Intelligenz gab, intensiv mit den ethischen Aspekten ihrer Programmierung auseinandersetzte. Die Liste der Beispiele von Technologievorhersagen im SF Genre ist lang. Inwieweit dabei immer die Kreativität des Autors dazu beigetragen hat, lässt sich schwer abschätzen. Das physikalische Phänomen eines Schwarzen Lochs im Weltraum, auf dem unzählige SF Geschichten aufbauen, war zum Beispiel doch zuerst eine wissenschaftliche Entdeckung.

Die Gesellschaftspolitik war und ist ebenfalls ein ständiger Begleiter des SF Genres. Ideen für Technologien und deren Auswirkungen wurden schon mit Beginn der ersten SF Romane nicht unkritisch betrachtet. Mary Shellys „Frankenstein“ zeigt durch die Überwindung des Todes eindrucksvoll auf, wie sich medizinische Grenzen immer wieder verschieben und welche Fragestellungen daraus hervorgehen können. Heute ist das Klonen von Menschen technologisch möglich und die Gentechnik lässt Eingriffe ins Erbgut zu, um Krankheiten zu bekämpfen, aber auch um Menschen „zu verbessern“. Zutiefst ethische Fragen werden dadurch aufgeworfen. Gerade erst wurde ein chinesischer Wissenschaftler öffentlichkeitswirksam dafür verurteilt, dass er Veränderungen am Erbgut von Zwillingen vornahm. Die Atombombe und deren finale, die Menschheit vernichtende Zerstörungskraft war bereits bei Herbert G. Wells 1914 erschienenen SF Roman „The World Set Free“ ein Thema. Er prägte mit seinem Buch den Begriff Atombombe. George Orwells 1949 erschienener Roman „Nineteen Eighty-Four“ zeigt einen allmächtigen Überwachungsstaat für das Jahr 1984. Heutige Überwachungssysteme kommen dieser Fiktion mittlerweile sehr nah.

Wie konkret SF für die unmittelbare Zukunft werden kann, zeigt sich anhand einer Reihe von Romanen, die explizit in einem unternehmerischen Kontext entstanden sind. Martin Walker beschreibt bspw. in seinem Zukunftsthriller „Germany 2064“ ein Deutschlandbild, dass das heute schon zu beobachtende Stadt-Land-Gefälle überspitzt politisiert darstellt, und lässt zugleich einen Polizeiroboter einen Kriminalfall lösen. Die Zukunftsprojektion ist detailliert und greift zahlreiche politische, wirtschaftliche und ökologische Fragen auf. Die semi-dokumentarische Fernsehserie „MARS“ schließt sich daran an. Die Serie ist im Kern ein fiktionaler Dokumentarfilm über die Besiedlung des Mars. Die damit zusammenhängenden Herausforderungen in Form von politischen Partikularinteressen bis hin zu technologischen und menschlichen Hürden werden mit echten Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmern von heute diskutiert und cineastisch mittels bekannter Schauspieler umgesetzt. Die Serie mündet, das sei hier unter Vorbehalt gesagt, da es noch weitere Staffeln geben soll, in sehr bekannten Ressourcenfragen.

Ein Ableger, Untergenre oder auch eigenständiger Bereich – die Literaturwissenschaft streitet noch darüber, was zutrifft – des SF Genre, der sich explizit mit dem Klimawandel auseinandersetzt, ist Climate Fiction. Darunter können Geschichten verstanden werden, die sich mit den möglichen zeitnahen oder zeitfernen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung auf der Erde befassen. Mittlerweile sind zahlreiche darunter auch sehr bekannte Autoren in dieser Thematik tätig. Viele davon haben zuvor in ganz anderen Bereichen veröffentlicht. Amitav Gosh, ein bekannter indischer Autor, befasste sich zunächst in seinem Sachbuch „The Great Derangement: Climate Change and the Unthinkable“ mit dem Klimawandel und jüngst in seinem Roman „Gunmen“ mit sehr eindrücklichen Schilderungen zu den Auswirkungen von Umweltzerstörung in den Sundarbarns, einem Mangrovengebiet im Ganges-Delta Bangladeschs. Frank Schätzing, ein deutscher SF Autor, skizziert in seinem Roman „Der Schwarm“ eine naturwissenschaftlich präzise recherchierte Geschichte, die die Rache der Natur in Form einer unbekannten Intelligenz am Menschen u.a. durch extreme zerstörerische Tsunamis abhandelt. Der präzisen Beschreibung der Tsunamis in dem Roman folgte kurz nach seiner Veröffentlichung Ende 2004 tragischerweise ein realer Tsunami, der zahlreiche Menschenleben in Südostasien forderte. Die kanadische Autorin Margarete Atwood nimmt mit ihrer „MaddAddam“-Trilogie ein besonders dystopisches und fast schon religiöses Zukunftsszenario in den Fokus. Die Erde ist darin durch Umweltzerstörung und Klimawandel u.a. in Form von Überflutungen und Stürmen teilweise unbewohnbar geworden. Zugleich liefern sich Konzerne einen harten globalen Wettbewerb in der Gesundheitsforschung. Der Kampf um pharmazeutische, medizinische und genetische Innovationen wird mit allen verfügbaren Mitteln ausgetragen. Ein Großteil der Menschheit fällt darin einem menschlich erzeugten Virus zum Opfer. In dieser Welt kämpfen Menschen ums Überleben. Unter anderem müssen sie sich dabei mit dem Überbleibsel der medizinischen Forschung in Form von mutierten aggressiven Schweinen, die zuvor für Organreplikationen genutzt wurden, auseinandersetzen.

Der US-amerikanische Autor Paolo Bacigalupi zeigt in seinem Roman „Biokrieg“ ein ähnlich düsteres und vor allem sehr politisches Szenario. Die Geschichte spielt in der thailändischen Megacity Bangkok. Die Welt ist geprägt vom Ressourcenmangel, dem bereits zahlreiche Staaten zum Opfer gefallen sind. Andere Staaten leben in absoluter Isolation und bekämpfen Flüchtlingswellen. Es gibt keinen internationalen Handel mehr. In dem Roman konkurrieren das thailändische Umwelt- und Handelsministerium sowie Konzerne um politischen Einfluss. Genetische Veränderungen am Menschen sind üblich und Leichen werden zur Deckung des Energiebedarfs kompostiert. Eine andere Perspektive nimmt der chinesische SF Autor Cixin Liu ein. Seine Kurzgeschichte „Wandering Earth“, die kürzlich sogar verfilmt wurde und in China ein großer kommerzieller Erfolg war, zeigt das Szenario einer sterbenden Sonne auf. Vor diesem Hintergrund wird die Erde zum Raumschiff gemacht, indem riesige Raketenantriebe in die Erde gebaut werden, die die Erde aus dem Sonnensystem fliegen lassen. Die Menschen sollen dabei in unterirdischen Städten überleben bis ein anderes Sonnensystem gefunden ist.

Das SF Genre ist doch in breiten Bereichen dystopisch geprägt. Geschichten über Weltuntergangsszenarien in Form von menschlich verursachten Katastrophen bis hin zu Aliens, die die Erde angreifen, finden sich zu Genüge. In diesem Umfeld bildete sich neben dem Climate Fiction Genre, wobei es vielfache Überlappungen gibt, gegenwärtig das Solarpunk Genre heraus. Es will explizit ein Gegenentwurf zur Dystopie des SF Genre sein. In den Geschichten geht es zumeist ebenfalls um Katastrophen wie den Klimawandel, interstellare Reise oder aggressive Aliens. Allerdings wird dort der Menschheit die Fähigkeit zum Umgang damit attestiert, indem sie höchst innovative technologische Lösungen entwickelt. Die Energieversorgung wird beispielsweise aus vollständig regenerativen Energien gewonnen und die Natur ist in Form von einer üppigen Vegetation quasi auf fast allen Buchcovern zu finden und damit ein stückweit stilprägend. Die erste Sammlung von Kurzgeschichten „Solarpunk: Histórias ecológicas e fantásticas em um mundo sustentável“ aus diesem Genre stammt interessanterweise aus Brasilien. Einem Land, das mit einer überwältigenden Natur ausgestattet ist und zugleich Umweltzerstörung und Raubbau in schwererfassbaren Ausmaßen betreibt.

 

Gute Geschichten fördern Verständnis

Die wachsende Anzahl an Geschichten aus dem SF Genre, die sich mit dem Klimawandel, der Umweltzerstörung und dem überbordenden Ressourcenverbrauch beschäftigen, zeigen die zunehmende Sensibilisierung für das Thema weltweit. Sie stellen eine gesellschaftliche Projektionsfläche mit unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen und Sichtweisen dar. Auch die in der Politik zu beobachtenden Diskussionen um pessimistische und optimistische Zukunftsszenarien bilden sich darin ab. Zudem skizzieren sie höchst kreativ technologische Innovationen und deren gesellschaftspolitischen Grenzen.

Die in vielen SF Geschichten dargestellten Katastrophen- bzw. Zukunftsszenarien werden vom Leser in der Regel in einem fiktionalen Kontext wahrgenommen. Ein Blick in die letzten Sachstandsberichte des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zeigt jedoch, dass Extremwetterereignisse wie Dürren, steigende Meeresspiegel, heftigste Taifune und Hurrikane oder Fluten längst Realität sind und wenn klimaschädliche Treibhausgase nicht reduziert werden, in ihrer Häufigkeit weiter zunehmen. Es greift mittlerweile ein gewisser Gewöhnungseffekt, der immer mal wieder durch neue Phänomene wie die gegenwärtigen Waldbrände in Australien aufgebrochen wird, am Ende aber die Wahrnehmungstoleranzschwelle nur weiter erhöht. Gerade am Beispiel Australiens zeigt sich dann auch wieder das politische Kernproblem der Klimapolitik. Die aktuelle Regierung tut sich schwer damit, den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den Hitzewellen, die die Feuer fördern, politisch anzuerkennen. Das würde nämlich umfassende und womöglich, den Lebensstil verändernde Gegenmaßnahmen erfordern.

Vielleicht kann die SF Literatur ja gerade an dieser Stelle neue Perspektiven eröffnen. Technologien, wie sie immer wieder im SF Genre auf Grundlage der Erkenntnisse der Gegenwartswissenschaft neu erdacht werden und die es allenfalls in der Fantasie oder theoretischen Überlegungen gibt, können als Vorbild für Innovation genutzt werden. In der Automobilindustrie wurde eben erst von Daimler ein Zukunftskonzeptauto in Anlehnung an den Film „Avatar“ vorgestellt. Ein extrem futuristisches Elektromobil. Innovation kann eine Alternative zu Verzicht sein, indem nachhaltigere Produktalternativen geschaffen werden. Es gibt heute bereits Taschen, die sich im Wasser komplett ohne Rückstände auflösen, um beispielweise Plastiktüten zu ersetzen. Die Liste für höchst innovative Produkte mit minimalen ökologischen Fingerabdrücken, die unseren Alltag durchdringen, wächst. Innovation kann aber auch ein Anreiz für eine freiwillige Verhaltensänderung sein, indem neue Technologien wie die bspw. die Blockchain-Technologie zusammen mit künstlicher Intelligenz und dem Internet of Things aus dem Energiekonsumenten einen dezentral vernetzten Prosumer macht. Also ein Akteur, der bestimmt, welchen Ursprung seine Energie hat, die er verbraucht und zugleich produziert.

Damit technologischen Innovationen eine Chance haben, muss aber eine gewisse Bereitschaft sich auf Neues ohne Denkverbote einzulassen, vorhanden sein. Gutes SF tut das, indem es die Zukunft in Form einer guten Geschichte und der Abbildung innovativer Technologien erzählt. Die internationale Klima- und Umweltpolitik, die gegenwärtig stark polarisiert ist, könnte ebenfalls gut daran tun, ihre kommunikativen Grundlagen zu erweitern. Gute Geschichten können dabei das Verständnis für unterschiedliche Positionen erhöhen und die Kompromissfindung verbessern.

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