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Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die deutsch-russische Wirtschaftskooperation

Rede des stv. Fraktionsvorsitzenden der CDU im Sächsischen Landtag, Staatsminister a. D. Matthias Rößler im Petersburger Salon, St. Petersburg

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Die gegenwärtige Krise der Weltwirtschaft hat ihren Ursprung in der von den USA ausgehenden Finanzkrise. Heute erscheint es fast unbegreiflich, wie unreguliert und von Aufsicht unbehelligt angelsächsische Investmentbanker dem schnellen Geld nachjagen konnten. Sie vergaben Kredite ohne ausreichende Sicherheiten.

Ebenso unbegreiflich erscheint es, dass sich die Banken weltweit – auch in Deutschland und Russland – daran beteiligten und mit unbesicherten Anlagen in verbrieften Forderungen gute Geschäfte machen wollten. Die Folgen treffen nun Russen, Deutsche und andere Völker gleichermaßen.

Russland befindet sich in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit zehn Jahren. Die Aktienkurse verfielen in den letzten zehn Monaten um 73%. Der Rubel geriet zeitweilig unter starken Druck, die hohen Devisenreserven schrumpften um 200 Mrd. US-Dollar und ausländisches Kapital floss in einer Größenordnung von 130 Mrd. US-Dollar ab. Mit einer Inflation bis zu 15% wird im Jahre 2009 gerechnet. Im Dezember ging die Industrieproduktion um 19% gegenüber dem Vormonat zurück. Die russische Regierung rechnet mit einem Rückgang des BIP von 2,2% und einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 8,5% auf 13%. Soziale Folgen zeigen sich schon jetzt in Regionen mit wirtschaftlicher Monokultur.

Deutschland erlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, manche sagen seit der Wirtschaftskrise von 1929. Die Aktienkurse halbierten sich. Der Euro verlor groteskerweise an Wert gegenüber dem US-Dollar. Die Inflation wird sicher erst in den Folgejahren zunehmen. Momentan droht eher eine Deflation.

Die Deutschen Exporte sind um 20% eingebrochen, der Auftragseinbruch beim Maschinenbau liegt bei 40%, und die Industrieproduktion nahm Ende 2008 um 8% ab. Die deutsche Regierung rechnet mit einem Rückgang des BIP von 3,2%, führende Wirtschaftsinstitute von mehr als 5%.

Die Weltwirtschaftskrise trifft den Exportweltmeister Deutschland besonders, da wir die Hälfte unserer Wirtschaftsleistung auf den Weltmärkten erbringen. Dabei exportiert die „Werkstatt der Welt“ kein Plastikspielzeug oder billige Textilien, sondern hochwertige Industrie- und Investitionsgüter. Selbst ein Ankurbeln des traditionell schwachen Binnenmarktes durch Lohnerhöhungen fördert da eher die Importe. Allerdings mildert das dicht geknüpfte soziale Netz, stärker als in Russland, die sozialen Folgen der ansteigenden Arbeitslosigkeit. Es ist nicht auszuschließen, dass sie von 8,6% wieder auf 10% ansteigt.

Russlands Wirtschaft ist – wie die Deutschlands – stark von Exporten abhängig. Allerdings liefert sie vor allem Energie – etwa 60% der Gesamtexporte und 25% des BIP – und sichert damit ein Drittel der russischen Haushalteinnahmen. Russland rechnet wegen fallender Energiepreise für 2009 mit einem Haushaltdefizit von 7,4% des BIP und mit einem raschen Abschmelzen des in den vergangenen Jahren aufgebauten Stabilisierungsfonds von 160 Mrd. US-Dollar.

Beide Länder reagieren mit Stabilisierungsmaßnahmen für ihr Banken- und Finanzsystem auf die weltweite Krise. Banken haben eine elementare Funktion für den gesamten Wirtschaftkreislauf. Sie sammeln das Kapital der Anleger und stellen es den Unternehmen für Investitionen zur Verfügung. Wenn dieses System zusammenbricht und die Versorgung der Wirtschaft mit Kapital nicht mehr gewährleistet ist, können die nationalen Volkswirtschaften nicht mehr funktionieren.

Deshalb stellt Deutschland mit dem Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz 480 Mrd. Euro an Rekapitalisierung und Bürgschaften zur Verfügung. Russland stützt den Finanzsektor mit 6,7 Mrd. Euro. Gleichzeitig wird in Deutschland die Verstaatlichung von Banken ermöglicht. Der Steuerzahler bezahlt die Zeche für die internationale Krise des Finanzsystems, argumentiert die Bundesregierung. Deshalb dürfen die Gewinne der Banken nicht weiter privatisiert bleiben, wenn der Staat schon die Milliardenverluste sozialisiert. Damit soll das Vertrauen in die im Nachkriegs-Deutschland so erfolgreiche soziale Marktwirtschaft gestärkt werden.

In einem weiteren Schritt legt Deutschland ein Konjunkturprogramm von 80 Mrd. Euro auf und spannt einen Rettungsschirm für gefährdete Unternehmen von 100 Mrd. Euro. Das Konjunkturprogramm investiert in die Infrastruktur von Schulen, Krankenhäusern und Verkehrswegen und kurbelt den Binnenkonsum durch moderate Steuersenkungen an. Russland verabschiedete ein Anti-Krisenprogramm von 35 Mrd. Euro, das in dieselbe Richtung zielt.

Wir erinnern uns daran, dass die Überschuldung amerikanischer Hausbesitzer diese Krise mit ausgelöst hat. Mit einer Überschuldung der Staaten werden wir diese Krise nicht lösen, sondern nur unseren Kindern und Enkeln die Kosten für eine verfehlte Politik aufbürden. Deutschland wird durch eine Änderung seiner Verfassung die Neuverschuldung auf 0,35% des Bruttosozialproduktes begrenzen. Die Bundesländer dürfen ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

Der deutschen Politik bleibt keine Wahl zur Schuldenbegrenzung. Inzwischen dämmert vielen Steuerzahlern und Sparern in den deutschen Mittelschichten, dass sie mit ihren Spareinlagen (Sparquote 12%) die Zeche für Staatsverschuldung, die gewaltige Steigerung des Geldumlaufs und die Staatsbankrotte im Osten und Süden der EU bezahlen könnten. Immer häufiger kommt das Gespräch auf die traumatischen Erfahrungen von Eltern und Großeltern mit der Inflation nach den beiden Weltkriegen. Die Furcht ist sehr verständlich. Die Notenbanken senken die Zinsen bis auf Null und pumpen Abermilliarden in die Wirtschaft. In den USA läuft das höchste Staatsdefizit der Weltgeschichte auf und die amerikanische Sparquote liegt bei Null. Die Bekämpfung der Inflation ist für die deutsche Politik mindestens so bedeutsam wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Banken- und Wirtschaftskrise könnte schnell zu einer Krise unseres freiheitlich-demokratischen Staates werden, wenn wieder Generationen um die Früchte eines langen Arbeitslebens betrogen würden.

Russland und Deutschland sind Teil der Weltwirtschaft und besonders eng mit einander verknüpft. Deshalb drängten Präsident Medwedjew und Bundeskanzlerin Merkel auf dem G20-Gipfel in London gemeinsam auf stärkere Regulierung und Aufsicht im internationalen Bankensystem und reagierten zurückhaltend auf das Drängen von Amerikanern und Briten nach weiteren Konjunkturprogrammen, deren Wirkung umstritten ist. Deutschland ist für Russland der wichtigste Handelspartner. Das bilaterale Handelvolumen stieg 2008 um 20% auf 68 Mrd. Euro. Deutschlands Exporte nahmen dabei um 15% auf 32 Mrd. Euro zu, die Importe aus Russland um 25% auf 36 Mrd. Euro. Deutschland bezieht 40% seiner Gasimporte und 36% seiner Ölimporte aus Russland. Diese Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wird zunehmen, aber auch die gegenseitige wirtschaftlich Verflechtung. Trotz aller Diversifizierungsversuche von beiden Seiten sorgt allein das bestehende Pipeline-Netz dafür, dass Russland 98% seines Öls und 100% seines Gases nach Europa verkaufen muss. Momentan existieren keine Leitungen nach China, Indien oder Japan. Russland hat in Deutschland seit Jahrzehnten einen stabilen und zahlungskräftigen Kunden und Deutschland in Russland einen zuverlässigen Lieferanten. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn die bewährte Partnerschaft im Energiebereich und im Außenhandel zu einer Modernisierungs-Partnerschaft zwischen beiden Ländern ausgebaut wird. Eine kontinuierliche Fortsetzung der wirtschaftlichen Stabilisierungspolitik und die Modernisierung Russlands verbessern die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Das liegt im Interesse Deutschlands und der Europäische Union, die eine Integration Russlands in die westlichen Strukturen unterstützen müssen. Deshalb würde eine neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU die Beziehung beider Wirtschaftsräume auf eine breitere Grundlage stellen. Ein WTO-Beitritt Russlands beschleunigt dessen Integration in die Weltwirtschaft und schafft die Vorraussetzung für die Einrichtung einer Freihandelszone mit der EU. Die Anpassung an internationale Standards und Normen könnte den Marktzugang erleichtern und zusätzliche Investitionen nach Russland locken. Eine Modernisierung der russischen Wirtschaft und eine Diversifizierung der Exporte muss ein dauerhaftes und von Energiepreisen unabhängiges Wachstum schaffen. Dafür braucht Russland mehr Investitionen von ausländischen Unternehmen, nicht nur bei der Erschließung sibirischer Öl- und Gasfelder. Das erfordert eine Liberalisierung und Privatisierung in der russischen Wirtschaft, eine Öffnung des Marktes und die Umsetzung internationaler Sicherheitsstandards zur Förderung des Transfers von Forschung und Technologie.

Deutsche Unternehmen sehen Reformbedarf beim Abbau von Bürokratie und Korruption, bei der Beschleunigung von Zollverfahren und bei der Mittelstandsförderung. Allerdings bedeutet eine strategische Partnerschaft mit Russland auch, dass es bei Handel und Investitionen keine Einbahnstraßen geben darf. Deshalb ist das zunehmende Interesse russischer Firmen am deutschen Markt ebenso zu begrüßen. Auch in schwierigen Zeiten müssen darum Bundesregierung und deutsche Wirtschaft die Zusammenarbeit mit den russischen Partnern in den Bereichen Energie, Gesundheitswesen, Agrarwirtschaft, Informationstechnologie und Telekommunikation, Kommunalwirtschaft sowie in der Automobil- und Zulieferindustrie voranbringen.

Die globale Krise wird nicht nur die deutsch-russische Wirtschaftskooperation vertiefen. Beide Länder sind aufeinander angewiesen.

Der Exportweltmeister Deutschland findet einen gigantischen Markt für hochwertige Industriegüter, nachhaltige Investitionen und gegenseitigen Technologietransfer, die Energiegroßmacht Russland den zuverlässigen Kunden und idealen Partner für die Modernisierung.

Seit Peter dem Großen fasziniert uns Deutsche dieses gewaltige Land, seine Kultur, seine Möglichkeiten und seine Menschen. In Russland sind wir trotz der tiefen Schuld des zweiten Weltkrieges heute – wenn man Umfragen glauben darf – die beliebtesten Ausländer.

Russen und Deutsche verbindet viel mehr als nur die Wirtschaft. Darauf müssen wir unsere gemeinsame Zukunft bauen.

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