9. Belter - Dialoge Festtagsveranstaltung - Politisches Bildungsforum Sachsen
Event
Details
Das Menschenbild eines Staates steht in enger Verbindung mit seinen politischen Grundwerten und Idealen. Welche Vorstellung vom Menschen hatte das marxistisch-leninistische Weltbild? Der Idealtyp zeichnete sich unter anderem durch stete Disziplin und eine feste moralische Bindung an sozialistische Maßstäbe aus. Als Richtschnur für korrektes Verhalten verkündete Walter Ulbricht 1958 erstmals die „Zehn Gebote der sozialistischen Moral“.
Entsprechend wurden die SED-Parteimitglieder ab 1976 darauf hingewiesen, dass jedes Parteimitglied die Pflicht habe „die Normen der sozialistischen Moral und Ethik einzuhalten und die gesellschaftlichen Interessen über die persönlichen zu stellen“. Individualität trat – nicht nur innerhalb der Partei – zugunsten der Gemeinschaft zurück.
Das von der SED propagierte Menschenbild wurde in den 1950er Jahren mit dem Begriff „neuer Mensch“ bezeichnet. Es hatte zum Ziel, die Menschen nach sozialistischem Vorbild zu erziehen und die Macht der SED zu sichern. Voraussetzung hierfür war die seit den 1960er Jahren progragierte „sozialistische Persönlichkeit“ der DDR-Bürger. Begriffe, die klingen als handle es sich bei dem Menschen im Sozialismus um ein Kunstprodukt - aber mit fatalen
Konsequenzen: So wurde an der TU Dresden noch 1987 Studenten exmatrikuliert, weil sie die Anforderungen an einen „sozialistischen Leiter“ nicht erfüllten.
Obwohl die Grundüberzeugungen der DDR alle Gesellschaftsbereiche durchdrangen, war der Anteil gänzlich
konformer Sozialisten gering. Wünsche nach Privatsphäre, Freiheit von der Staatskontrolle und Fremdbestimmung
blieben bestehen. Trafen sich an dieser Stelle zwei Menschenbilder, deren Verschiedenheit nicht zuletzt auch zum
Ende der DDR beitrug?
Wie erfolgte die Erziehung zum sozialistischen Menschen? War sie erfolgreich? Wie war das Verhältnis der Gesellschaft
zum Individuum? Im Rahmen der diesjährigen „Belter - Dialoge“ wollen wir diese und weitere Fragen diskutieren.
- 18.30 Uhr Musikalische Eröffnung
- Begrüßung
Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
für den Freistaat Sachsen
- 19.00 Uhr Vortrag und Gespräch
Lutz Rathenow
Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur
Moderation: Dr. Joachim Klose
- Schlusswort
Rektorin der Universität Leipzig
- 20.00 Uhr Musikalischer Ausklang
- Empfang
Lutz Rathenow (Jg. 1952) studierte ab 1973 Deutsch und Geschichte an der Universität Jena, wurde allerdings 1977 aus politischen Gründen exmatrikuliert. Als 1980 sein Debütromans „Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet“ erschien, folgten eine Hausdurchsuchung und die anschließende Verhaftung. Nachdem u.a. Christa Wolf und Günter Grass gegen dieses Vorgehen protestierten, wurde er einige Zeit später aus der Haft entlassen. Rathenow engagierte sich in unabhängigen Friedens- und Bürgerrechtsbewegungen. Nach der friedlichen Revolution 1992 wurde ihm von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena nachträglich das Abschlussdiplom verliehen. Seit März 2011 ist er Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Rathenow erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung für Literatur (1996) und Bundesverdienstkreuz (2014).