Gestohlene Tradition? - Der Verlust von Heimat, Brauchtum und Kultur - Politisches Bildungsforum Sachsen
Vortrag
Details
Nische oder Parallelwelt? Wie ließ es sich in der ehemaligen DDR leben? Drang die Staatsideologie in alle Lebensbereiche vor, sodass der Einzelne sich in Nischen zurückziehen musste, um den Angriffen des Staates zu entgehen? Oder bildeten sich nicht vielmehr Parallelwelten aus, die nebeneinander existierten und aus denen man sich mit der Ideologie auseinandersetzte, sie teilweise erdulden musste. Lebte nicht jemand, der in der DDR eine Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte, in einer ganz anderen Welt, als jemand, der sich im kirchlichen Raum engagierte? Welchen Wert haben heute die Erfahrungen der Parallelwelten?
In der Veranstaltungsreihe werden vier Parallelwelten zur Disposition gestellt und diskutiert:
- Kirchen - Dieser Raum wird allgemein als Parallelwelt akzeptiert. Welche Erfahrungen konnte man in diesem Bereich neben der Religionsausübung machen? Wie wurde mit der Ideologie umgegangen, wie wurde sie kompensiert?
- Natur und Sport - Über die Kletterszene in Sachsen, die FKK-Kultur an der Ostsee oder die vielen Kleingärtner gerät man leicht ins Schmunzeln. Aber gab es in der DDR einen Rückzugsraum Natur, frei von ideologischen Attributen? Wie wurde er genutzt und wie frei war er wirklich?
- Sprache und Kultur - Der gesellschaftliche Umgang in der DDR war durch ein sehr differenziertes Sprachspiel, durch Anspielungen und Zwischen-den-Zeilen-Lesen geprägt. Wie formte sich dieses Sprachspiel aus? Welche Rolle kam der Sprache zur Kompensation der Ideologie zu?
- Heimat - Das verzerrte Geschichtsbild, vermittelt durch das DDR-Bildungswesen, und der Heimatverlust vieler Aussiedler führte zur verstärkten Reflexion der eigenen Wurzeln, zur Identitätssuche. Was bedeutet es, wenn einem die Ideologie die religiösen und traditionellen Wurzeln kappt? Wurde die DDR ihren Bürgern jemals zur Heimat, wie uns gegenwärtig die vielen DDR-Museen nahelegen?
Heinz Drewniok (Jg. 1949) wurde in Gleiwitz/Schlesien geboren. Er absolvierte zunächst ein Schauspielstudium in Rostock. Danach war er als Schauspieler und Regisseur an den Theatern Zwickau, Magdeburg sowie Erfurt tätig. Daneben studierte Drewniok Theaterwissenschaften in Leipzig. Ab 1981 arbeitete er als Dramaturg, Regisseur und Autor von Bühnenstücken sowie Hörspielen am Staatsschauspiel Dresden. Gegenwärtig ist Drewniok Redakteur bei MDR 1 Radio Sachsen. 2007 veröffentlichte er das Buch „Zweite Heimat Sachsen. Lebenswege deutscher Flüchtlinge und Vertriebener“.
Dr. Thomas Schaarschmidt (Jg. 1960) studierte Mittelalterliche und Neue Geschichte, Politologie sowie Ältere Germanistik in Bonn. Nach seiner Promotion 1990 arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ab 1994 war Schaarschmidt wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte der Universität Leipzig. Nach seiner Habilitation ist er seit 2004 im Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung Potsdam tätig. Dort leitet er seit 2008 den Projektbereichs „Geschichte und Gedächtnis“. Zu Schaarschmidts Veröffentlichungen gehört u.a. das Buch „Regionalkultur und Diktatur. Sächsische Heimatbewegung und Heimat-Propaganda im Dritten Reich und in der SBZ/DDR“ (2004).
Achtung! Die Abschlussveranstaltung der Ringvorlesung findet am 17. Juni 2009 im Festsaal des Neuen Rathauses Dresden statt. Eine schriftliche Anmeldung ist erforderlich!