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Veranstaltungsberichte

Interreligiöser Dialog: Frau, Religion und Gesellschaft

von Dr. Ute Gierczynski-Bocandé

Kolloquium zum Interreligiösen Dialog

Mehr als 200 Vertreter und Vertreterinnen von vier Religionen – Islam, Christentum, Judentum und afrikanischen Religionen – trafen sich Mitte Dezember auf Einladung von Konrad-Adenauer-Stiftung, israelischer Botschaft, der Universität Dakar und ASECOD in der KAS Dakar, um den in Senegal aktiv gelebten interreligiösen Dialog zu beleuchten, der vielen Ländern als Beispiel gilt. Im Mittelpunkt des Kolloquiums stand die Frage nach Rolle und Verantwortung der Frau in den Religionen: Islam, Christentum, Judentum und traditionellen afrikanischen Religionen.

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Kolloquium zum interreligiösen Dialog

Frau, Religion und Gesellschaft

Mehr als 200 Vertreter und Vertreterinnen von vier Religionen – Islam, Christentum, Judentum und afrikanischen Religionen – trafen sich Mitte Dezember auf Einladung von Konrad-Adenauer-Stiftung, israelische Botschaft, der Universität Dakar und ASECOD in der KAS Dakar, um den in Senegal aktiv gelebten interreligiösen Dialog zu beleuchten, der vielen Ländern als Bei-spiel gilt. Das gemeinsame Schlussgebet war ein Höhepunkt dieses einmaligen Ereignisses. Während der christlich-islamische Dialog schon zu einer festen Einrichtung in Senegal geworden ist, wer-den das Judentum und die traditionellen afrikanischen Religionen in der Regel nicht einbezogen.

Das diesjährige Thema wurde von vielen Seiten beleuchtet: die Rolle und Bedeutung von Frauen in Religion und Gesellschaft stand im Mittelpunkt des ersten Tages, an dem die Referentinnen deutlich machten, dass nicht die heiligen Texte die Frauen benachteiligen, sondern deren Interpretation durch eine patriarchalische Gesellschaft. Die Juraprofessorin und Expertin für afrikanische Religionen, Fatou Kiné Camara, betonte, dass in den Religionen der Antike, aber auch den traditionellen afrikanischen Religionen, häufig Priesterinnen das Bindeglied zwischen Mensch und Gottheit sind, wodurch Frauen in sakralen Ämtern eine zentrale Rolle in der Gesellschaft einnahmen. Diese Kenntnisse können eine zeitgemäße Auslegung und Anwendung der Texte erleichtern. In der Tat stellten die Expertinnen der anderen Religionen fest, dass Frauen in der Regel keinen Zugang zu sakralen Funktionen haben. Die Soziologin Selly Ba hat zwar erkannt, dass im senegalesischen Islam immer mehr Predigerinnen aktiv werden, die jedoch nicht Imam sein oder andere sakrale Funktionen ausüben können. Soeur Marie Diouf, die Äbtissin der Kongregation des Heiligen Herzen Marias, stellte auch für das Christentum fest, dass die Frauen wohl mit zahlreichen Aufgaben und auch Führungsfunktionen in vielen Bereichen betraut sind, aber noch keine sakralen Ämter übernehmen können. Rabbinerin Nava Hefetz war aus Jerusalem angereist und ging in ihrem ersten Vortrag auf diskriminierende Interpretationen der heiligen Schrift ein, aber auch auf die kontinuierlichen und effizienten Bemühungen, die Rolle der Frauen im Judentum zu stärken. Wenn auch Rabbinerinnen noch eine Minderheit und auch nicht überall akzeptiert sind, so gewinnen sie immer mehr Befürworter in Israel und in anderen Ländern. In der Debatte wurde besonders die wegweisende Funktion der traditionellen afrikanischen Religion diskutiert. Eine Rückbesinnung auf die Religionsgeschichte Afrikas ist dazu angetan, Vorurteile über eine Benachteiligung von Frauen in den traditionellen Gesellschaften aufzubrechen und eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Geschichte anzuregen.

Im zweiten Panel wurden die Rechte, Freiheiten und Verantwortung senegalesischen Frauen im Spannungsfeld von mehreren Rechtsprechungen analysiert. Im heutigen Senegal existieren modernes, islamisches und traditionelles Familienrecht nebeneinander, was häufig zu Problemen führt. Die Spezialistin für Eherecht und Mitglied der senegalesischen Organisation für Juristinnen, Zenab Kane, stellte Diskrepanzen zwischen modernem und islamischem Familienrecht heraus und forderte zu einem verantwortlichen Umgang mit dieser heiklen Lage auf. Auch Eheschließungen zwischen Partnern verschiedener Religionen führen nicht selten zu Problemen, wie die Vorsitzende des Laizistischen Rates Senegals, Clémentine Diop, aufführte. Nicht selten werden die christlichen Ehepartner zur Konversion zum Islam gedrängt, was sich negativ auf das Recht auf freie Religionsausübung auswirkt. Diop rief zur gegenseitigen Akzeptanz und zum Respekt der anderen Religion auf. Die Rabbinerin Nava Hefetz trug zu diesem Panel mit einem Referat über die Probleme jüdischer Frauen bei, die sich organisieren und gegen Benachteiligungen kämpfen, wie z. B. den noch bis vor kurzem im Familienrecht stehenden Paragraphen zum „Frauen-kauf“. Die senegalesische Islamspezialistin Khadidiatou Dia ging ihrerseits auf die Thematik der Polygamie ein und kam zu dem Schluss, dass sie persönlich gut mit dieser Ehevariante leben könne, auch wenn sie immer mehr im Kreuzfeuer der Kritik stünde. Die Diskussionen im Plenum stellten die Notwendigkeit in den Vordergrund, dass das senegalesische Familienrecht einerseits an die moderne Gesellschaftsordnung anpassen, aber dabei religiöse Sensibilitäten nicht außen vor lassen solle. Das Familienrecht gilt als relativ progressiv, berücksichtigt aber laut der senegalesischen Vereinigung der Juristinnen immer noch nicht alle unter-zeichneten internationalen Abkommen für eine völlige rechtliche Gleichstellung der Frau.

Im Rahmen des dritten Panel wurde auf die konstruktive Arbeit von Frauen verschiedener Religionen in Friedensinitiativen eingegangen. So stellten Theologinnen und Frauengruppen aus Israel, Frankreich und Senegal ihre gemeinsamen Ansätze zum Schaffen von Dialog und Frieden vor. Rabbinerin Nava Hefetz berichtete von vier Initiativen von jüdischen und muslimischen Frauen in Israel. Der erste Libanonkrieg konnte u.a. auch Dank einer Frauenbewegung beendet werden, die über alle religiösen und politischen Spaltungen hinweg mit Erfolg für den Frieden eingetreten war. „Schwestern für den Frieden“ ist eine Initiative von palästinensischen und israelischen Frauen, die sich in beiden Ländern für den Frieden einsetzen und die um eine rechtliche Komponente erweitert wird, im Rahmen derer Frauen beider Gemeinschaften Kurse und Praktika über ihren Status in Religion und Gesellschaft absolvieren und gemeinsam an Lösungen arbeiten.

Odile Tendeng und Ndeye Marie Thiam erklärten die herausragende Rolle der Frauen in der traditionellen Diola-Gesellschaft und Religion und vor allem die Bedeutung für den heutigen Konfliktlösungsprozess in der Casamance. Ohne die Frauen ist keine Konfliktlösung vorstellbar, denn sie kennen und beherrschen effiziente Mechanismen und Strategien zur Mediation und Konfliktlösung, die sie schon in den traditionellen Gesellschaften ausgeübt haben. Heute sind die Frauen, unabhängig von Religion und politischer Couleur, in der Plattform der Frauen der Casamance organisiert und nehmen mehr und mehr Einfluss auf die Konfliktlösungsmechanismen. Sie verstehen sich als Friedens-Instrumente, ihre Aktionen und Bewegungen haben schon zahlreiche Erfolge gezeitigt, insbesondere in den Bereichen der Erziehung, Fortbildung und Mediation.

In den Arbeitsgruppen wurden die Vorträge vertieft und Empfehlungen erarbeitet, die zu einer gezielteren und besseren Integration von Frauen in religiöse und gesellschaftliche Entscheidungsinstanzen verhelfen sollen.

Zum Ende des Kolloquiums wurden die Empfehlungen verlesen: als Basis des Dialogs wird eine bessere Kenntnis der heiligen Texte, der Religion der anderen und deren Akzeptanz gefordert. Weiterhin soll eine Brücke zwischen dem religiösen Diskurs und der Realität gebaut werden, eine besondere Beachtung soll der Frau im religiösen Diskurs geschenkt werden, um sexistische Äußerungen zu verbannen. Die von Frauen initiierten Friedensprozesse sollen unterstützt werden. Im Bereich der Rechtsprechung ist eine Sensibilisierung der Ehepartner vor der Eheschließung und die korrekte Anwendung des Eherechtes ein Schutzschild gegen spätere Konflikte. Eine Ausdehnung des interreligiösen Dialogs und besonders der Diskussion über die Rolle der Frauen in Religion und Gesellschaft sollte landesweit ausgedehnt werden.

Das ökumenische Abschlussgebet wurde zum ersten Mal paritätisch, also auch von Frauen gesprochen: während Männer die Gebete für Islam und traditionelle Religionen vortrugen, wurden das christliche Gebet von einer katholischen Nonne und das jüdische von einer Rabbinerin gesprochen.

Nicht intentionell, aber vielleicht unbewusst erwünscht (?) war die Tatsache, dass alle Beiträge von Frauen erarbeitet und vorgetragen wurden, im ganzen Kolloquium trat nur ein Mann als Moderator und zwei weitere im Abschlussgebet auf. Bedeutet dies, dass die Thematik des diesjährigen Kolloquiums für Männer nicht von Interesse war? Eine Analyse der Teilnehmerliste dementiert diese Interpretation. Gewiss liegt die Forschungsintensität auf frauenspezifischen Themen nicht im Zentrum der senegalesischen Theologen, und deshalb war es nicht erstaunlich, dass sich auf die Ausschreibung vor allem Frauen meldeten. Allerdings waren von den 220 Teilnehmern nur die Hälfte Frauen, womit bewiesen sei, dass dieses Thema genderunspezifisch alle interessiert. Ein weiterer schöner Erfolg wäre jedoch, wenn sich auch zum nächsten Kolloquium viele Frauen mit Beiträgen melden würden, denn bei den fünf vorangegangenen Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog waren weibliche Beiträge in der absoluten Minderheit. Zumindest die Wirkung des ökumenischen Schlussgebets mit zwei Frauen war umwerfend: ein Teilnehmer fiel in eine kurze Ohnmacht, als zwei Frauen hintereinander vorbeteten. Wie er später sagte, aus Begeisterung – oder war er vielleicht „entgeistert“, weil die Frauen nun auch noch in die letzte Bastion der Männer vordringen? Die Vorsitzende des Laizistischen Rates konnte ihn beruhigen: nicht Konfrontation oder Kampf um Privilegien sei das Ziel der Frauen in sakralen Funktionen, sondern eine ausgeglichene Aufgabenverteilung im Respekt der Komplementarität zwischen Geschlechtern und Religionen.

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