Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

KAS Dakar will den politischen Dialog im Senegal wiederbeleben

von Dr. Ute Gierczynski-Bocandé
Vertreter der Regierungspartei und der größten Oppositionsparteien trafen sich am 17. Juli auf Einladung der Konrad Adenauer Stiftung Dakar und des Mouvement Citoyen zum Gespräch, um den seit den Parlamentswahlen unterbrochenen politischen Dialog wieder aufleben zu lassen.

Asset-Herausgeber

Nachdem mehrere große Oppositionsparteien die Parlamentswahlen boykottiert hatten, waren zwei Fronten entstanden. Der Dialog schien in weite Ferne gerückt. Die bis zum politischen Wechsel im Jahre 2000 regierende PS (Parti Socialiste) hatte nach den Präsidentschaftswahlen im Februar 2007 mit 16 anderen kleineren Parteien zusammen das Kollektiv Siggil Senegal gegründet, um gegen angeblichen Wahlbetrug bei den Präsidentenwahlen zu protestieren und für die anstehenden Parlamentswahlen Garantien zu erhalten. Letztlich forderte dieses Bündnis eine Verschiebung der Parlamentswahlen – und darauf ging die Staatsführung nicht ein. Die zunächst nur potentielle Boykottdrohung wurde wahrgemacht und die Parlamentswahlen fanden erstmals ohne die größten Oppositionsparteien statt. Nun gehören in der neuen Assemblée Nationale 131 Abgeordnete der Regierungskoalition an, und die restlichen 29 einer Reihe von kleinen Parteien, die ohne den Wahlboykott wahrscheinlich keine Chance gehabt hätten.

/documents/252038/253255/070720_dakar1.jpg/6444611e-894b-d3e5-ee0a-4fd9760d70f7
Parteisprecher PS Prof. Abdoulaye Elimane Kane, ganz rechts: PDS

Die Parteien, die die Wahlen boykottiert hatten, haben sich für die nächsten fünf Jahre ihrer legalen demokratischen Repräsentationsmöglichkeit beraubt und müssen nun über Allianzen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen versuchen, ihre Ziele durchzusetzen. Die Situation in dem bislang als demokratischem Modell gehandelten afrikanischen Land ist heikel. Der Dialog zwischen der auf ihrer demokratischer Legitimation beharrenden Regierung und der diese Legitimität anfechtenden außerparlamentarischen Opposition ist seit langem abgebrochen. Der soziale Frieden war schon vor der Wahlperiode durch gewalttätige Streiks von Studenten und Gewerkschaften gestört.

In dieser Situation entschlossen sich die KAS Dakar und ihr Partner Mouvement Citoyen, im Rahmen eines Reflexionsseminars die entstandenen Fronten aufzulösen und den politischen Dialog wieder zu beleben. Erfreulicherweise waren alle Parteien der Einladung gefolgt. Die Regierungspartei PDS entsandte zwei Abgeordnete, denen später der Fraktionsvorsitzende folgte. Die im Parlament tagende Opposition war vertreten und das Oppositionskollektiv kam mit seinem Sprecher und den Parteivertretern. Auch die wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen nahmen am Dialog teil und boten ihre Vermittlung an.

In seiner Einführung betonte der KAS-Repräsentant Dr. Karsten Dümmel, dass der Dialog Teil der demokratischen Spielregeln sei. Der Abbruch des Dialoges gefährde das Funktionieren der Demokratie. Er betonte, dass die KAS eine Brückenfunktion einnehme und allen beteiligten Parteien ein Forum biete, um ihre Meinung zu äußern und Wege und Mittel zur Wiederaufnahme des Dialogs zu finden.

Zwei renommierte Journalisten referierten über die Geschichte des politischen Dialogs in Senegal und lieferten eine Analyse der senegalesischen Demokratie nach den Wahlen. Wenn auch die politische Geschichte Senegals seit der Unabhängigkeit politische Skandale gekannt hat, die teilweise bis zu sozialen Unruhen führten, ist doch die Situation nach den Parlamentswahlen ein Novum: Noch nie haben sich die Oppositionsparteien selbst durch einen Wahlboykott von ihren demokratischen Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen.

Die Referenten kritisierten beide Seiten: die Regierung könne nicht länger auf ihrem demokratischen Legitimierungsstandpunkt beharren und behaupten, dass sie nicht mit einer sich selbst disqualifizierten Opposition in Dialog treten könne. Immerhin war diese Opposition vormals über 40 Jahre an der Macht und verfügt immer noch über ein erhebliches Mobilisierungspotential. Aber die Oppositionsparteien hätte ebenfalls ihre Rolle nicht gespielt, denn sie hätten sich selbst und ihre potentiellen Wähler aus dem demokratischen Spiel befördert und seien nun bereit, für ihre Ziele auf die Straße zu gehen.

Die Gefahr von sozialen Unruhen, angesichts der ständigen Erhöhungen von Energie- und Lebenshaltungskosten, sei in dieser Situation nicht mehr auszuschließen, bekräftigte die Vorsitzende des Mouvement Citoyen, Professorin Penda Mbow. Es gelte nun, den Dialog wieder herzustellen, um den sozialen Frieden zu bewahren und die Entwicklung der Demokratie nicht zu gefährden.

In der nachfolgenden Diskussion äußerten die Repräsentanten der Parteien des Kollektivs, der parlamentarischen Opposition und der Regierungspartei ihre Meinung. Madior Diouf, der Vorsitzende der RND (Rassemblement national démocratique) und Abdoulaye Elimane Kane, der Sprecher der PS waren sich in ihrer Einschätzung einig, dass die Staatsführung der Opposition den Dialog verweigere, den sie jedoch gerne wieder aufnehmen würden.

Die Vertreter der in der parlamentarischen Opposition tagenden Parteien und besonders die AJ PADS teilten diese Meinung nicht, sie forderten die radikale Opposition auf, erst einmal die demokratische Legitimation des Parlaments und der Regierung anzuerkennen und boten sich als Vermittler an. Der Sprecher des Oppositionskollektivs zählte jedoch eine ganze Reihe von Fällen auf, in denen sich die Regierungspartei undemokratisch verhalten habe und kündigte Massendemonstrationen an.

Darauf aber konterte die parlamentarische Opposition, dass die Parteien, die die Wahl boykottiert haben, den Wählerwillen ihrer Anhänger nicht respektiert hätten und nun nicht davon ausgehen könnten, dass diese für ihre Ziele demonstrieren würden.

Die Vertreter der Regierungsparteien reagierten zunächst entnervt auf die Vorwürfe der zahlreich vertretenen Oppositionsparteien und argumentierten, dass Politiker, die die demokratischen Funktionsregeln verweigern und demokratisch gewählte Vertreter nicht anerkennen, auch kein Recht auf einen Dialog hätten. Angesichts der Äußerungen der Referenten und verschiedener Mitglieder der Zivilgesellschaft kamen jedoch auch die PDS Politiker zu dem Schluss, dass letztlich die Demokratie im Mittelpunkt steht und dass der Dialog auf jeden Fall sinnvoll und notwendig ist, um Unruhen zu vermeiden.

Die Tatsache, dass in der zweiten Hälfte des Seminars der Fraktionsführer der Sopi-Koalition (PDS und alliierte Parteien) anwesend war, spiegelte das Interesse der Regierungspartei wider, den Dialog dennoch aufzunehmen.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber