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Veranstaltungsberichte

Parlamentswahl 2017 - und danach?

Neues Diskussionsformat mit Think Tank Wathi

Am Donnerstag, dem 17. August 2017 veranstaltete das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) im Senegal gemeinsam mit Wathi, einem westafrikanischen Think Tank, eine erste gemeinsame Kooperationsveranstaltung in Form einer Round-Table-Diskussion. Im Anschluss an die nationale Parlamentswahl vom 30. Juli 2017 wurden vier Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingeladen, um über den Ausgang der Parlamentswahl und die Aufgaben während der beginnenden 13. Legislaturperiode zu beraten.

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Der Leiter des Auslandsbüros der KAS im Senegal, Thomas Volk, begrüßte die mehr als 70 Teilnehmer des ersten Rundtischgesprächs in Kooperation mit Wathi und unterstrich die zahlreichen Premieren der zurückliegenden Parlamentswahl. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Landes 1960 kandidierten mehr als 10.000 Kandidaten auf 47 Listen für einen der 165 Sitze in der senegalesischen Nationalversamm-lung. Erstmals wurden zudem 15 Abgeordnete aus acht Wahlbezirken in der Diaspora gewählt, so dass die Nationalversammlung zukünftig aus 165 und nicht mehr aus 150 Abgeordneten zusammengesetzt sein wird. Eine dritte Premiere der Parlamentswahl lag in der erstmaligen Anwendung des neuen biometrischen Personalausweises der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO/ECOWAS als Wahlkarte. Dabei kam es landesweit zu erheblichen Problemen bei der Verteilung bzw. Ausgabe der Personalausweise – ein Grund, weshalb eine Vielzahl der mehr als 6 Mio. registrierten Wähler nicht oder nur unter Vorlage eines anderen Ausweisdokumentes ihrem Stimmrecht nachkommen konnten.

Dr. Gilles Yabi, Gründer und Vorsitzender von Wahti, zeigte sich über die erste gemeinsame Veranstaltung mit der im Senegal seit 1976 aktiven Konrad-Adenauer-Stiftung sehr erfreut und betonte wie wichtig solche Dialogplattformen, wie diese erste Rund-Tisch-Diskussion, im Senegal seien.

Im Anschluss an die Begrüßung folgten vier einleitende Kurzvorträge der Referenten aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens. Thierno Bocoum, Abgeordneter der Nationalversammlung während der 12. Legislaturperiode, eröffnete die Paneldiskussion in dem er auf die jahrzehntelange demokratische Kultur des Landes verwies. Gleichzeitig betonte der Oppositionspolitiker, dass bei dieser Wahl zahlreiche Unregelmäßigkeiten aufgetaucht seien, die der demokratischen Kultur des Landes nicht angemessen gewesen seien. So hätten etwa zehn Prozent der Wähler bis zum Wahlsonntag keine Wahlkarte erhalten und es habe zahlreiche Beeinträchtigungen der Opposition gegeben, so Bocoum. Er beklagte in seiner Einführung ein zu kompliziertes Wahlsystem und sprach sich mit Nachdruck für eine Reform des senegalesischen Wahlsystems aus.

Dr. Maurice Dione, Politikwissenschaftler und Lehrbeauftragter an der Universität Gaston Berger in St. Louis knüpfte in sei-nem Vortrag an das komplizierte Wahlsystem an und bemängelte, dass die Regierungskoalition Benno Bokk Yakaar (BBY) mit 49, 5 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der Parlamentswahl dennoch 125 der 165 Sitze in der Nationalversammlung für sich beanspruchen könne. Hier liege ein gravierendes Problem der Repräsentativität vor, so Dr. Dione.

Es sei außerdem fragwürdig, wie unabhängig die Justiz im Land tatsächlich sei, wenn auf Wunsch des Staatspräsidenten noch in der Woche vor der Wahl der Oberste Gerichtshof einen Beschluss erlasse, wonach eine Stimmabgabe auch mit dem Bestäti-gungsschreiben der Beantragung des neuen Personalausweises möglich sei. Der Politikwissenschaftler ist der Auffassung, dass der Senegal durch die chaotische Organisation der Wahl um 20 Jahre zurückgeworfen worden sei und unterbreitete den Vorschlag, zukünftig die Personalie des Innenministers parteiunabhängig zu besetzen. Dies könnte gewährleisten, dass der Innenminister und die Wahlbehörde ihre Aufgabe gründlicher und unabhängiger durchführen könnten und nicht parteipoli-tischen Interessen folgten, so Dr. Dione weiter.

Der ehemalige Generalsekretär des Arbeitgeberverbandes CNP, Pape Ibrahima Beye, verwies auf die starke Demokratie Senegals, die in der Region in Westafrika mit großem Abstand einen Vorbildcharakter einnehme. Dennoch sei es stets von großer Bedeutung, die Zivilgesellschaft zu stärken und die Bevölkerung im Allgemeinen über ihre Rechte und Pflichten als Staatsbürger zu informieren. Dabei komme auch der Konrad-Adenauer-Stiftung eine wichtige Rolle zu. Die Stiftung sei im Senegal seit Jahr-zehnten ein angesehener Partner, der durch seine Schulungen bereits große Erfolge vorzuweisen habe – gerade in den Bereichen Staatsbürgerkunde und Dezentralisierung.

Borso Tall, eine junge Aktivistin der Zivilgesellschaft und Gründerin der Initiative YAHR (Young Advocats for Human Rights), ging in ihren Ausführungen auf die Rolle der Jugend und von Frauen in der Gesellschaft und während des zurückliegenden Wahlkampfs ein. Es sei zu begrüßen, dass eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen in der Nationalversammlung gewährleistet sei – 69 Abgeordnete seien in der 12. Legislaturperiode Frauen gewesen. Gleichzeitig sei der Anteil der Abgeordneten unter 35 Jahre nach wie vor sehr gering. Dies sei bedauerlich, gerade da 60 Prozent der senegalesischen Bevölkerung jünger als 20 Jahre sei. Die Jugend sei durch die Wahl am 30. Juli 2017 enttäuscht worden, vor allem aufgrund der schlechten Organisation der Wahl durch staatliche Behörden.

Im Anschluss an die vier Kurzvorträge kamen die Teilnehmer der Veranstaltung zu Wort, die sich mit engagierten und kontroversen Redebeiträgen in die Diskussion einbrachten. Die anwesende Ministerin für die Beziehungen innerhalb der Frankophonie, Professor Penda Mbow, betonte zu Beginn ihrer Ausführungen, dass sie als Bürgerin und nicht als Politikerin anwesend sei. Sie zeigte sich besorgt darüber, dass die Demokratie weltweit auf dem Rückzug oder unter Bedrängung sei und hielt ein enthusiastisches Plädoyer für den Einsatz für die Demokratie weltweit. Es gelte jeden Tag aufs Neue die senegalesische Demokratie zu schützen und für sie zu arbeiten, daher müsse eine offene Diskussion über die Vor- und Nachteile des bestehenden Wahlsystems geführt werden. Es sei ein Zeichen der politischen Fragmentierung und ein „politisches Führungsproblem“, wenn 47 Listen bei einer Parlamentswahl anträten. Eine solche Vielzahl an Listen und Kandidaten würde nicht nur finanzielle Schwierigkeiten für eines der ärmsten Länder der Welt bereiten, sondern auch die Bürger vor immer größere Herausforderungen im Hinblick auf die Verständlichkeit von Politik stellen.

Parteien sollten sich im Senegal zukünftig stärker auf die Formulierung von Programmen konzentrieren und sich weniger um die Erreichung ihrer subjektiven Ziele von Einzelpersonen verschreiben, so Penda Mbow abschließend.

Unter den Teilnehmern der Diskussionsveranstaltung war auch Casimir Cissé, der Direktor der Wahlbehörde. Er verteidigte entschieden die senegalesische Innenbehörde sowie die öffentliche Verwaltung des Landes. Die vorgetragenen Argumente der Re-ferenten seien politisch gesteuert und würden nicht den Tatsachen entsprechen. Die Organisation der Wahl sei ein Kraftakt für die senegalesische Bürokratie gewesen. In Anbetracht der zahlreichen Listen und Kandidaten könne daher von einem vollen Erfolg bei der Organisation der Wahl gesprochen werden.

In einer zweiten anschließenden Runde mit Beiträgen der Panelisten wurde vor allem über die Zukunft der Natio-nalversammlung und ihre wichtigsten Aufgaben in der anstehenden Legislaturperiode beraten. Der scheidende Abgeordnete Bocoum stellte kritisch die Frage, ob die Bürger und Abgeordneten die Funktion der Nationalversammlung überhaupt verin-nerlicht hätten. Die Parlamentswahl hätte vielmehr den Charakter einer Präsidentschaftswahl gehabt, über die Resultate und Vorhaben der Abgeordneten sei quasi nicht gesprochen worden. Ein großes Problem sei außerdem, dass eine Vielzahl der Abgeordneten Gesetzestexte aufgrund ihres Umfangs nicht verstehen könnten und die Arbeit ohne parlamentarische Assistenten ein unhaltbarer Zustand sei. Sein Fazit lautet daher: „Die Nationalversammlung steht lediglich im Dienst der Exekutive.“

Dr. Maurice Dione pflichtet dieser Einschätzung bei und attestiert dem Parlament, bisher lediglich ein „Acces-soire“ ohne politische Relevanz gewesen zu sein. Dies müsse dringend geändert werden, in dem man dem Parlament tatsächliche Befugnisse zuspreche und die Rolle der Opposition im Parlamentarismus hervorhebe. Auch der Arbeitgebervertreter Beye sprach sich für eine Reform des Wahlsystems aus, das eindeutig repräsentativer für den Wählerwillen werde müsse. Er wünsche sich außerdem eine neue Dynamik im Parlament und sehe vor allem eine bessere Schulung der Abgeordneten als dringend notwendig an.

Die Referenten und Teilnehmer dankten der Konrad-Adenauer-Stiftung und Wathi für die Organisation dieser Diskussionsveranstaltung, die wichtig für die Evaluierung der Wahlergebnisse und die weitere Arbeit der Nationalversammlung sei. Am Ende der vierstündigen, teils kontroversen, Diskussion wurde jedoch einhellig fest-gehalten, dass die senegalesische Demokratie stabil und selbstbewusst sei und sich das Land weiterhin positiv entwickle. Die höchste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl seit mehr als 20 Jahren wurde als Beleg hierfür angebracht.

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