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Länderberichte

Die baskische Nationalistische Partei (PNV)

von Hans-Günter Kellner

Auf Kurs in Richtung Unabhängigkeit

Widersprüchlicher als dieser Tage könnte sich die Baskische Nationalistische Partei (PNV) kaum verhalten. Im spanischen Parlament unterstützt sie den sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero und unterschreibt eine Absichtserklärung, den Haushaltsentwurf seiner Regierung zu unterstützen. Im Gegenzug machen ihr die Sozialisten geringfügige Zugeständnisse, etwa bei der Vorruhestandsregelung der baskischen Polizeieinheit Ertzaintza. Ihre Beamten dürfen jetzt bereits mit 60 in Rente gehen, wie schon die spanische Nationalpolizei.

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Im Baskenland schlägt die PNV hingegen weiterhin stark separatistische Töne an. Dort wollte der baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe am 25. Oktober ein Referendum über ein Selbstbestimmungsrecht der Basken abhalten. Das spanische Verfassungsgericht untersagte dies. Statt eines Referendums hielten die nationalistischen Parteien, darunter auch die PNV, Protestveranstaltungen gegen das Verbot ab. „Vor Europa und der Welt erklären wir, unsere Existenz als Volk, mit einem historischen, sozialen und kulturellen Erbe und angesiedelt in sieben Gebieten zweier Staaten“, heißt es in einem Manifest zum Tag des verbotenen Referendums, in dem zwar auch die Terrorgruppe ETA zu einem Ende der Gewalt aufgefordert wird, in der aber vor allem ein baskisches Selbstbestimmungsrecht gefordert wird.

Der baskische Nationalismus entstand Ende des 18. Jahrhundert als Reaktion auf die Einwanderung von Arbeitern aus anderen Teilen Spaniens in das sich früh industrialisierende Baskenland mit seinen Hochöfen, dem Kohlebergbau und dem Schiffsbau. Diese Einwanderung rief in Teilen der baskischen Bevölkerung ein Empfinden von Überfremdung hervor. Daraus entwickelte sich eine Ideologie, die das „Baskische“ gegenüber dem „Spanischen“ trennt und hervorhebt. Dies sind auch die Ursprünge der PNV, die schließlich 1895 von Sabino Arana gegründet wurde.

Die Terrorgruppe ETA („Euskadi Ta Askatasuna“ – „Baskenland und Freiheit“) gründete sich nicht zuletzt aus ideologischen Gründen, aus Ablehnung des die PNV bis heute prägenden bürgerlichen Katholizismus, sondern auch wegen der aus der Sicht der ETA mangelhaften Entschlossenheit der PNV im Kampf um einen eigenen Staat. 1986 spaltete sich ein stärker separatistisch ausgeprägter Flügel um den damaligen baskischen Ministerpräsidenten Carlos Garaikoetxea von der PNV ab und gründete die Partei Eusko Alkartasuna (EA). Diese Abspaltung ist noch heute ein Trauma für die Partei, „das sich auf keinen Fall wiederholen dürfe“, was ihren radikalen Diskurs im eigenen Land zu Teilen erklärt.

Zudem strebt die PNV wie alle separatistischen Strömungen zumindest theoretisch nach einem Baskenland, das es gar nicht gibt. Zum Baskenland gehören für sie die „sieben historischen Territorien“, zu denen nicht nur die drei Provinzen der spanischen Region Euskadi sondern auch Navarra und drei Provinzen im Süden Frankreichs gehören. Allerdings führen solche Ansprüche eher zu Abwehrreaktionen. In Navarra wählen die Menschen mehrheitlich jene Parteien, die sich für die Eigenständigkeit ihrer Region aussprechen, während in Frankreich eine baskische Identität kaum wahrgenommen wird.

Das spanische Baskenland hat sich von der Krise der Schwerindustrie in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts längst erholt. Die Arbeitslosigkeit liegt weit unter dem spanischen Durchschnitt, das Pro-Kopf-Einkommen ist überdurchschnittlich hoch, das Gesundheitssystem auch im europäischen Vergleich hochmodern. An den Schulen ist die baskische Sprache, das Euskera, erste Unterrichtssprache, auch an den Hochschulen wird auf baskisch unterrichtet. Während vor drei Jahrzehnten die Sprache noch in unterschiedliche Dialekte zerfallen und damit vom Aussterben bedroht war, gehört Euskera heute zum Alltag im Baskenland, vor allem bei Jugendlichen.

Zu dieser Entwicklung kam es jedoch nur im spanischen Baskenland, wo eine weitreichende Selbstverwaltung herrscht und die PNV seit 28 Jahren regiert. In Frankreich wird kaum baskisch gesprochen. Dennoch ist der bürgerliche Nationalismus wie auch der radikalere Diskurs linker Nationalisten mit Schlagworten wie „Unterdrückung“ oder „Besatzerstatus“ im spanischen Baskenland besonders intensiv. Tausende protestierten im November in Bilbao gegen einen „Ausnahmezustand“, unter dem die Basken angeblich leben müssen. Mit dieser Protestwelle gegen eine angebliche spanische Unterdrückung versucht auch die PNV zu punkten.

So ist auch der Kurs des Ministerpräsidenten Ibarretxe zu interpretieren. Schon vor der Bekanntgabe seiner Initiative, ein Referendum „über das Recht, zu bestimmen“ abhalten zu wollen, hätte er wissen müssen, dass dieses Vorhaben gegen die Verfassung verstößt und die spanische Regierung das Verfassungsgericht bitten würde, dies zu untersagen. Denn wie in den meisten anderen europäischen Staaten wäre auch in Spanien eine einseitige Selbstbestimmung einer Region gegen den Willen des Rests der Bevölkerung verfassungswidrig. Der Souverän ist schließlich in territorialen Fragen Spaniens das gesamte spanische Volk, einschließlich des baskischen Volkes.

Diese angestrebte Konfrontation, der populistische Diskurs von der Fremdbestimmung und Unterdrückung erklärt sich leicht: Anfang nächsten Jahres stehen im Baskenland Wahlen an. Die Radikalisierung mobilisiert das eigene Lager. Denn so stark sich die demokratischen Nationalisten im Baskenland auch geben: Bei den Ergebnissen der Wahlen zum spanischen Parlament im März diesen Jahres, war im Baskenland seit vielen Jahren nicht die PNV stärkste Kraft, sondern die PSE Zapateros. Die Partei, die seit 1980, dem Jahr der Neu-Gründung von Euskadi, den Ministerpräsidenten in der Region stellt, steckt damit in einer tiefen Krise.

Schon bei den letzten Regionalwahlen im Baskenland 2005 verpasste die Regierung Ibarretxe die absolute Mehrheit. Das nationalistische Lager hat im Parlament der baskischen Hauptstadt Vitoria jedoch eine Mehrheit, wenn man die neun Abgeordneten der „Kommunistischen Partei der Baskischen Gebiete“ (PCTV) mitberücksichtigt. Diese Partei erhielt 2005 12,5 Prozent der Stimmen, ist jedoch inzwischen vom spanischen Obersten Gerichtshof verboten worden. Sie gilt als Nachfolgepartei von Batasuna, dem politischen Arm der ETA. Batasuna war bereits 2003 verboten worden, weil für die spanische Justiz die Partei der ETA hierarchisch untersteht.

Es gab innerhalb der PNV immer ein Gegengewicht zu den separatistischen Strömungen. Die PNV ist auf der einen Seite eine wirtschaftsliberale, katholische und wertkonservative Partei, die zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Volkspartei (EVP) gehört, und die auch im spanischen Parlament wiederholt Verantwortung für die Stabilität Spaniens übernommen hat. Auf der anderen Seite pflegt sie in der Heimat weiterhin einen radikalen nationalistischen Diskurs und wurde deshalb auf Druck der spanischen Partido Popular (PP) aus der EVP ausgeschlossen. Dieser Widerspruch zwischen beiden Lagern hat in der Partei Tradition.

2004 setzte sich in einer Kampfabstimmung der gemäßigte Flügel durch, als Josu Jon Imaz San Miguel den Vorsitz übernahm. Imaz unterstützte Zapateros Kurs während der letzten Feuerpause der ETA, gemeinsam einigte man sich sogar auf die Grundprinzipien für einen Friedenspakt. Die ETA machte mit ihrer Rückkehr zum Terror diese Hoffnungen jedoch zunichte. Kurioserweise stärkte das Scheitern der Friedensverhandlungen mit der ETA eher den separatistischen Flügel innerhalb der PNV. ETA und ihr Umfeld werfen der PNV immer wieder vor, den Status Quo nur verwalten zu wollen, eine Loslösung von Spanien gar nicht anzustreben. Diesen Vorwürfen wollte man sich angesichts der Radikalisierung der ETA offenbar nicht aussetzen. Imaz war nicht mehr zu halten und trat zurück. Seit einem Jahr ist Iñigo Urkullo Parteichef. Er versucht, zwischen beiden Flügeln einen Konsens zu finden. Doch letztlich ist seit seinem Antritt wieder Ministerpräsident Ibarretxe tonangebend.

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