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Länderberichte

Harte Schläge, aber kein K.O.

von Michael Däumer, Sebastian Grundberger, Malte Kähler

Oppositionsführer Rajoy gönnt Ministerpräsident Zapatero im ersten spanischen TV-Duell keine Verschnaufpause

„Lüge“, „Demagogie“ und „Unmoral“ – das sind nur einige der vielen Vorwürfe, die sich die beiden Bewerber um das Amt des spanischen Ministerpräsidenten in ihrem ersten von zwei TV-Duellen zuwarfen. Weniger als zwei Wochen vor den Parlamentswahlen am 9. März zeigten beide Kandidaten am Montagabend eine völlig unterschiedliche Meinung von der aktuellen Lage Spaniens. Wo Zapatero ein weltoffenes, tolerantes und aufstrebendes Spanien präsentierte, warf ihm Rajoy vor, das friedliche Zusammenleben im Land durch seine Politik besonders in den Bereichen Terrorismus, Autonomiepolitik und Immigration empfindlich gestört zu haben. Ohne einen klaren Sieg zu landen, drängte Rajoy den Ministerpräsidenten dabei über weite Strecken der Debatte in die Defensive.

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Die Vorbereitung des ersten TV-Duells am 25. Februar erinnerte in vielem an einen Boxkampf. Bereits Tage zuvor kündigten mit dramatischer Musik unterlegte Werbespots das Aufeinandertreffen der beiden politischen Schwergewichte an. Die Fernsehsender zählten die letzten 15 Sekunden bis zum Beginn des Duells herunter und als der Moderator vor dem Wortgefecht zwischen den beiden Kontrahenten stand, hätte nur noch gefehlt, dass er die Hände von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und dessen Herausforderer Mariano Rajoy wie vor einem Boxkampf in die Luft gestreckt hätte.

Und tatsächlich ging Oppositionsführer Rajoy sofort in die Offensive, als er die Zuschauer begrüßte: „Guten Abend. Glauben Sie, es geht uns besser als vor vier Jahren? Herr Zapatero glaubt dies bestimmt, weil er in einer Traumwelt lebt. Aber Sie? Die Preise sind gestiegen, genauso wie die Hypotheken und die Arbeitslosigkeit. Wir sind Schlusslicht in Europa. Die Unsicherheit auf den Straßen steigt, es gibt viele gewalttätige Banden. Und was hat Herr Zapatero dagegen getan, außer sich mit der ‚Allianz der Zivilisationen’ oder der ‚historischen Erinnerung’ selbst zu unterhalten?“.

Rajoy war angriffslustig und überrumpelte den Ministerpräsidenten mit seinem Anfangselan. Letzterer gewann jedoch mit dem Andauern der Debatte an Fahrt und Sicherheit. Während seine sozialistische Regierung das Land durch eine Politik des Friedens, des Dialogs und der Ausweitung der „sozialen Rechte“ vorangebracht habe, sei die konservative Opposition nur zerstörerisch tätig gewesen und habe nicht konstruktiv im Interesse Spaniens gearbeitet. Zapatero nahm immer wieder Bezug auf die Vergangenheit und warf der PP vor, das Land unter Ministerpräsident José María Aznar etwa durch die Teilnahme am Irakkrieg gespalten zu haben.

Die knapp zweistündige Debatte spannte sich über fünf vorher zwischen den Kandidaten abgestimmten Themenbereiche. Diese waren Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Sozialpolitik, Außen- und Sicherheitspolitik, Institutionelle Fragen sowie Herausforderungen für die Zukunft. Dabei stellte der Moderator keinerlei Fragen, sondern ließ es den Kandidaten innerhalb der Themenblöcke frei, ihre eigenen Prioritäten zu setzen. Dabei war es - wie vorher vereinbart - in jedem Abschnitt Mariano Rajoy, der zuerst das Wort ergriff, und der Ministerpräsident, dem das letzte Wort vergönnt war. Dies wird bei der zweiten TV-Debatte am 3. März genau umgekehrt sein.

Bei der Wirtschaftspolitik legte Rajoy seinen Schwerpunkt auf die enormen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln wie Milch oder Brot sowie die gestiegene Arbeitslosigkeit. Dies und nicht makroökonomische Zahlen interessiere die Menschen, betonte Rajoy. Zapatero versuchte hingegen, mit der allgemein guten Wirtschaftslage zu punkten. Die Debatte zwischen Wirtschaftsminister Pedro Solbes und PP-Schattenwirtschaftsminister Manuel Pizarro wenige Tage zuvor habe zudem gezeigt, dass die PP über keine Rezepte in der Wirtschaftspolitik verfüge. Die Antwort Rajoys auf diesen Hinweis war eindeutig. „Reden Sie nicht von Solbes und Pizarro, hier reden nur Sie und ich“.

In der Sozial- und Gesellschaftspolitik sprachen die Kandidaten unterschiedliche Themen an und schienen sich gegenseitig auszuweichen. Während der Ministerpräsident seine eigene Regierung für die Einführung der Homosexuellen-Ehe lobte und erklärte, durch die neu eingeführte „Express-Scheidung“ die „verworrenen Prozeduren“ der Ehescheidung entfernt zu haben, sprach Mariano Rajoy über Immigration und Erziehung. Der konservative Spitzenkandidat warf Zapatero vor, durch seine Legalisierungspolitik im Jahr 2005 einen „Rufeffekt“ für weitere illegale Einwanderung provoziert zu haben. Rajoy musste den Regierungschef dreimal ansprechen, bis sich Zapatero überhaupt konkret zum Zuwanderungsproblem äußerte. Auf das von der sozialistischen Regierung neu eingeführte Schulfach „Staatsbürgerkunde“ Bezug nehmend, kritisierte der Oppositionschef die Bildungspolitik der Regierung in den vergangenen vier Jahren. Diese sei „glamourös gescheitert“ und verdeutliche die Ideologisierung der Schule. Rajoy forderte von Zapatero eine Rückkehr zu einem Bildungssystem, das auf Werten wie Autorität, Disziplin und Leistung basiere.

Bei den heiß umstrittenen Themen Antiterrorismus und Autonomiepolitik wurde Rajoy besonders kämpferisch, teils sogar aggressiv. Zapatero habe die Spanier „belogen“, als er mit der ETA verhandelt habe. Durch seine politische und juristische Nachsichtigkeit mit der ETA habe der Ministerpräsident dazu beigetragen, dass die ETA wieder er-starken konnte. Als die PP im Jahr 2004 die Regierungsverantwortung an die PSOE abgegeben habe, sei die ETA „praktisch besiegt“ gewesen. Ausgerechnet bei diesem Thema, welches Zapatero nach dem fatalen Ende des „Friedensprozesses“ lieber gemieden hätte, hatte der Ministerpräsident einen seiner stärksten Momente, als er mit Hinblick auf den Terroranschlag vom 11. März 2004 entgegnete: „Wie ist es möglich, dass die ETA damals besiegt war, wenn Sie ihr den größten Terroranschlag in der spanischen Geschichte in die Schuhe schieben wollten?“. Rajoy habe aus diesem Grund „keinerlei moralische Rechtfertigung“ für seine Vorwürfe.

In der Autonomiepolitik musste sich der Ministerpräsident gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, mit der Verabschiedung insbesondere des katalanischen Autonomiestatutes eine „Reise“ begonnen zu haben, von der er nicht wisse, wohin sie führe. Zapatero antwortete mit einem Gegenvorwurf: Es sei die PP gewesen, die durch ihre Blockadehaltung beim katalanischen Autonomiestatut „Zwietracht“ gesät habe. Die Partei „lüge“ die Spanier an, wenn sie den Eindruck erwecke, als ob Spanien in der Gefahr sei, „auseinanderzubrechen.

Die meisten Kommentare in den Stunden nach dem Duell waren sich darin einig, dass beide Kandidaten vor allem die Mobilisierung ihrer eigenen Wählerschaft im Blick gehabt hätten. Zudem sei die Debatte insgesamt viel stärker durch harte Kritik am politischen Gegner als durch eigene inhaltliche Vorschläge gekennzeichnet gewesen. Allgemein sei Zapatero die meiste Zeit über in der Defensive gewesen. Auf der anderen Seite wurde Rajoy aber vorgeworfen, es mit der Aggressivität übertrieben zu haben. Dem Oppositionsführer wurde jedoch konstatiert, flüssiger und mit weniger Pausen gesprochen zu haben als sein Gegenüber. Zudem sei Zapatero deutlich häufiger vom Moderator darauf hingewiesen worden, dass seine Redezeit abgelaufen sei.

Blitzumfragen nach dem Duell sahen den Ministerpräsidenten im Vergleich zu seinem Herausforderer vorne. Der Abstand zwischen beiden variierte dabei jedoch gewaltig. In einer der ersten Telefonumfragen nur wenige Minuten nach dem Duell gaben dem Fernsehsender „Tele 5“ zufolge 50,5 Prozent der Befragten an, Zapatero habe das Duell für sich entschieden, während nur 34,6 Prozent gegenteiliger Meinung waren. Anders sahen dies fast deckungsgleiche Umfragen der regierungsnahen Tageszeitung „El País“ und der oppositionsfreundlichen „El Mundo“ am nächsten Morgen. In beiden Zeitungen gaben 46 Prozent der Befragten an, Zapatero habe das Duell gewonnen. Bei „El País“ sahen jedoch auch 42 Prozent und bei „El Mundo“ sogar 42,5 Prozent in Mariano Rajoy den Sieger.

Die Zahlen lassen viele Interpretationsmöglichkeiten zu. Klar ist jedoch, dass Ministerpräsident Zapatero mit einem gewaltigen Amtbonus einen Sieg davon tragen musste. In seiner üblichen, ja geradezu lässigen Weise, versuchte er den Eindruck zu erwecken, als habe er während der gesamten Legislaturperiode stets die Kontrolle ausgeübt. Seine Regierungspolitik sei grundsätzlich von Frieden, Freiheit, Toleranz und Moral geprägt gewesen. Die PP habe den gemeinsamen Boden des Konsenses verlassen und damit die „crispación“, die Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft, verschuldet. Das Duell zeigte aber auch einen „nervösen“ Zapatero, der sich – insbesondere am Ende der Debatte – von Rajoy hat provozieren lassen. Der Auftritt von Zapatero, der bisher in allen Debatten das Parlament als Sieger verließ, blieb am Montag weit hinter den Erwartungen, auch wenn er in den Umfragen zum „Sieger“ gekürt wurde. Dies war aber auch von allen erwartet worden und ist somit nicht überraschend. Dass jedoch Rajoy in manchen Umfragen beinahe gleichzog, kommt fast einem Sieg nahe, wenn sein Auftritt auch nicht über die gesamte Dauer der Sendung glanzvoll war. Aber kaum jemand hatte damit gerechnet bzw. rechnen können, dass der Oppositionsführer seinen sonst so starken Kontrahenten in die Defensive drängen könnte. Allerdings ließ der Ministerpräsident dies zu. Zapateros Nervosität ist nicht nur der relativen „Stärke“ Rajoys geschuldet. Vielmehr steht der Regierungschef unter erheblichen Druck. Die Wirtschaft ist rückläufig, die Arbeitslosigkeit steigt höher als erwartet an, und die Umfragen werden zunehmend enger für die Sozialisten.

Die neue Situation ist für den Regierungschef recht ungewohnt. Die PSOE hatte fast über die gesamte Legislaturperiode bequeme Umfragewerte. In all den Jahren litt das Image der Volkspartei dagegen unter den Ereignissen der tödlichen Madrider Attentate vom 11. März 2004 und der unerwarteten Wahlniederlage drei Tage danach. Nun steht die PP wohlmöglich vor einem „Comeback“ als die Partei, die mit José María Aznar und Rodrigo Rato das spanische Wirtschaftswunder bewirkt hat. Für den Ministerpräsidenten kommen die Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten zu der ungünstigsten Zeit überhaupt. Es wundert daher nicht, dass er teilweise nervös und unkonzentriert wirkte. Der Herausforderer Rajoy nutzte die Situation aus und punktete unerwartet.

Insgesamt hat das Duell der spanischen Politgiganten inhaltlich nichts Neues gebracht. Vielmehr wiederholten beide Kandidaten ihre altbekannten Standpunkte. Darum ging es auch nicht, sondern nur darum, wer seine eigene Klientel besser überzeugen konnte. Misst man das TV-Duell nach diesem Maßstab, heißt der Sieger Mariano Rajoy. Allen Umfragen zufolge konnte er seine „Populares“ besser überzeugen als Zapatero seine sozialistischen Anhänger. Bei den Umfragen, wer von den beiden Spitzenkandidaten insgesamt besser abgeschnitten hat, spielt die vorherige Erwartungshaltung eine gewaltige Rolle. Demnach ist Zapatero der „Sieger“, weil er siegen musste; Rajoy musste verlieren, weil er schon immer gegen Zapatero verloren hat. Dass die Werte für den Herausforderer dennoch so gut sind, zeigt, dass die Debatte die Wählerinnen und Wähler irritiert hat. Rajoy hat wesentlich besser abgeschnitten als erwartet. Dies kann fatale Folgen für Amtsinhaber Zapatero haben, denn er muss sich eine Strategie überlegen, um wieder als der strahlende Sieger vom Podest zu gehen. Dabei darf er nicht zu aggressiv wirken; gleichzeitig darf er nicht zu selbstsicher sein, wie er den Wählerinnen und Wählern in der Debatte teilweise glaubhaft machen wollte. Rajoy jedoch muss für das zweite TV-Duell mit einem aggressiveren Zapatero rechnen, der ihn aus der Reserve lockt und provoziert. Für den Herausforderer, der sich in Runde eins erstaunlich gut behaupten konnte, wird es nicht leicht sein. Spannend bleibt daher die Frage, welche Strategien und Taktiken sich Kandidaten und Parteien für den „Rückkampf“ in einer Woche bereit legen werden.

Anhang: Schlagzeilen zum Duell Zapatero-Rajoy in der spanischen Presse

ABC (konservativ, oppositionsfreundlich):

„Rajoy drängt Zapatero bei Bildung, Immigration, Inflation und ETA in die Ecke“

„Rajoy fegt Zapatero in den wichtigsten Punkten der Debatte vom Teppich“

El País (linksliberal, regierungsfreundlich):

„Zapatero gewinnt knapp – Die Kandidaten desqualifizieren sich gegenseitig in einer rauen und intensiven Debatte “

“Ein Duell voller schwerer Anschuldigungen”

El Mundo (liberal-konservativ, oppositionsfreundlich)

„Ein ständig attackierender Rajoy nötigt Zapatero, sich in der Vergangenheit zu verschanzen“

Publico (links, regierungsnah)

„Klarer Sieg Zapateros“

„Die Polarisierung versenkt Rajoy“

La Razón (konservativ, oppositionsnah):

„Rajoy kreist Zapatero ein“

La Vanguardia (Katalonien, zentristisch)

„Rajoy drangsaliert Zapatero in einer harten Debatte“

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