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Länderberichte

Politisches Roulette im Madrider Casino

von Michael Däumer, Sebastian Grundberger

Probt Madrids Regionalpräsidentin Esperanza Aguirre den Aufstand gegen PP-Chef Mariano Rajoy?

Die machtbewusste Esperanza Aguirre lässt die Muskeln spielen. Bei einem Vortrag am Dienstag hat die Madrider Regionalpräsidentin Wasser auf die Mühlen derer gegossen, die schon seit längerem über angebliche Umsturzpläne aus dem Aguirre-Lager gegen PP-Chef Mariano Rajoy berichten. Im Rahmen eines von der katholisch-konservativen Zeitung ABC im Madrider Casino veranstalteten Forums erklärte Aguirre zwar, eine eigene Kandidatur gegen Mariano Rajoy auf dem PP-Parteitag im Juni sei „momentan nicht geplant“, sie ließ jedoch erstmals ausdrücklich offen, dass sich diese Pläne ändern könnten, sollte sich die PP inhaltlich nicht „neu aufstellen“.

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Aller lauwarmen Dementis zum Trotz war die Rede Esperanza Aguirres (Foto) eindeutig eine Wahlkampfrede. Mit der Oppositionsarbeit Mariano Rajoys ging die ehemalige Senatspräsidentin und Bildungsministerin unter José María Aznar dabei hart ins Gericht. Ein Grund für die Wahlniederlage der Volkspartei sei es gewesen, dass man vor der ideologischen Auseinandersetzung „geflohen“ und in die „ideologischen Fallen“ Zapateros getreten sei.

Für solche „Fallen“ gab Aguirre zwei Beispiele: die Homosexuellen-Ehe und das „Gesetz zur historischen Erinnerung“ an die Franco-Diktatur. Im Fall der Homosexuellen-Ehe habe es Zapatero erfolgreich vermocht, sein Projekt als Verkörperung gesellschaftlicher Modernität zu verkaufen und die PP in die Ecke derer zu stellen, die die „neuen Familienformen“ skeptisch betrachten und „große Vorbehalte gegen die freie Ausübung der Sexualität“ hätten. Gegenüber diesen Angriffen habe die PP klar machen müssen, dass die heutige PSOE Erbin der historischen Sozialisten sei, welche eine „homophobe“ Tradition hätten. Außerdem unterhalte die PSOE-Regierung enge Verbindungen mit Ländern wie Kuba oder im Rahmen der „Allianz der Zivilisationen“ auch mit dem Iran, in denen homosexuelle Menschen auf schlimme Art und Weise behandelt würden.

Ähnliches sei beim „Gesetz der historischen Erinnerung“ geschehen. Die PSOE habe die Debatte heraufbeschworen, um die PP als die „Bösen“ der Geschichte erscheinen zu lassen. Die Appelle der PP, in die Zukunft zu schauen, seien ihr als „Unsicherheit oder gar ein Versuch der Rechtfertigung Francos“ ausgelegt worden. Stattdessen sei es besser gewesen, wenn die PP die offene Auseinandersetzung mit der PSOE gesucht hätte. Dies hätte etwa durch eine Thematisierung der Gewalt in der „Zweiten Republik“ (1931-1936) und der Tatsache, dass die PP im Gegensatz zur PSOE nicht die „Erbin“ einer Partei aus dieser Zeit sei, geschehen können.

Aufgrund solcher Fehler trage die Oppositionsarbeit unter Rajoy Mitschuld daran, dass die PP in der Öffentlichkeit als "homophob, unsympathisch und Erbin der Franco-Diktatur" erschienen sei. Dies wiederum habe den polarisierten Wahlkampf Zapateros, der die PP in die „rechte“ Ecke gerückt hatte, erleichtert und so zum sozialistischen Wahlsieg beigetragen.

Immer wieder bezeichnete sich Esperanza Aguirre selbst als „liberal“ und forderte von ihrer Partei eine Bewegung in diese Richtung. Die 57jährige gelernte Juristin will dafür „in die Schlacht ziehen“, dass ihre Partei als eine „offene, moderne und liberale“ Kraft der politischen Mitte wahrgenommen werde. Dabei erinnerte die Madrider Regionalpräsidentin daran, dass für eine Kandidatur um den Parteivorsitz „nur 600 Unterstützer“

notwendig seien. Zudem, so Aguirre, sei es ein Zeichen der „Missachtung“ der Parteimitglieder, jetzt schon bekannt zu geben, was sie beim Parteitag vom 21. bis 23. Juni in Valencia tun werde. Sollte sie sich zu einer Kandidatur gegen Mariano Rajoy erschließen, so Aguirre, werde dieser als „Erster“ davon erfahren.

Innerhalb der eigenen Partei hielt man sich mit Kommentaren zur Rede Esperanza Aguirres weitgehend zurück. Eine Ausnahme bildete Eduardo Zaplana, der unmittelbar nach der Wahlniederlage zurückgetretene ehemalige Fraktionsvorsitzende der PP. Für ihn, dem wegen seines harten und bissigen Oppositionsstils allgemein Mitschuld an der Wahlniederlage gegeben wird, ist die Rede Aguirre im Bereich der „demokratischen Normalität“ einer Partei anzusiedeln. Die Aussagen der Regionalpräsidentin seien „gut und notwendig“ gewesen. Kritik übte hingegen der stellvertretende Madrider Bürgermeister Manuel Cobo. Esperanza Aguirre veranstalte ein „Spektakel“, obwohl sie nur „sehr wenige Unterstützer“ innerhalb der Partei habe.

Die spanische Presse wertete die Rede Aguirres überwiegend als Kampfansage an Mariano Rajoy. Am explizitesten war dabei die regierungsnahe „El País“, als sie kommentierte, Aguirre habe im PP-Nachfolgeduell mit Rajoy „den ersten Schuss abgefeuert“.

Es ist seit langer Zeit ein offenes Geheimnis, dass Esperanza Aguirres Ambitionen nach oben keine Grenzen kennen. Im Jahr 2006 war eine Aguirre-Biografie mit dem bewusst zweideutigen Titel „La Presidenta“ erschienen. „Presidenta“ kann sowohl Regionalpräsidentin Madrids als auch Ministerpräsidentin Spaniens bedeuten. Bei ihren Ambitionen wird Aguirre vor allem von der liberalen Zeitung „El Mundo“ sowie dem liberal-konservativen Internetportal „Libertad Digital“ unterstützt. Auch der umstrittene Radiomoderator Federico Jiménez Losantos vom katholischen Radiosender COPE gehört zu Aguirres größten Fans. Die Mutter von zwei Kindern sieht sich selbst als eine Liberale innerhalb der Volkspartei und grenzt sich immer wieder gegen konservative und christdemokratische Strömungen ab. Damit steht sie in der Tradition des ehemaligen Ministerpräsidenten José María Aznar, der sich allerdings aus dem PP-Nachfolgestreit zumindest äußerlich heraushält. Zwar gilt Aguirre als charismatisch und sympathisch, jedoch auch als knallharte Machtpolitikerin und ideologisch hart. Aus diesem Grund hat sie innerhalb der PP durchaus gewichtige Gegner. Darunter gehört an erster Stelle der Madrider Oberbürgermeister Alberto Ruíz-Gallardón, den Aguirre im Vorfeld der Parlamentswahlen vom März durch enormen Druck auf Rajoy aus dem Rennen um ein Parlamentsmandat geworfen hatte.

Sowohl der Zeitpunkt als auch der Ort der Erklärung Aguirres sind nicht zufällig gewählt. Bis zur Parlamentswahl am 9. März hatte sich Aguirre als treue Parteisoldatin Mariano Rajoys verhalten. Nach der Wahlniederlage nutzt sie jetzt ein Zeitfenster aus, in dem der Parteichef auch durch einige umstrittenen Personalentscheidungen geschwächt erscheint. Insbesondere die Tatsache, dass PP-Chef Rajoy bei den bisherigen Personalentscheidungen für die Parteispitze die wichtigsten und untereinander rivalisierenden Regionalverbände Madrid und Valencia nicht berücksichtigt hat, trägt zur innerparteilichen Unzufriedenheit bei. Dieses Unbehagen sucht Aguirre nun für ihre eigenen politischen Ambitionen auszuschlachten. Aufgrund der zeitlichen Distanz zu den nächsten Parlamentswahlen kann sich die PP auch derzeit interne Auseinandersetzungen leisten, ohne mit unmittelbaren Konsequenzen an den Urnen rechnen zu müssen. Mariano Rajoy wird immer wieder Führungsschwäche vorgeworfen. Genau in diese Kerbe schlägt Aguirre mit ihren jüngsten Äußerungen im Casino von Madrid (Foto). Populistisch geschickt ist es von Aguirre, ausgerechnet dem gemäßigten Rajoy vorzuwerfen, die PP durch seine Oppositionsarbeit in den Ruf der „Homophobie“ und der Nähe zum Franco-Regime zu bringen. Von politischer Selbstgewissheit zeugt zudem, dass Aguirre ihre Schelte der versammelten PP-Spitze ins Gesicht gesagt hat. Bei dem Vortrag der „Presidenta“ waren nämlich nicht nur Mariano Rajoy selbst, sondern auch PP-Generalsekretär Ángel Acebes und die Fraktionsvorsitzenden der Partei in Senat und Kongress, Pio García-Escudero und Soraya Sáenz de Santamaría, zugegen.

Alles deutet darauf hin, dass die Madrider Regionalpräsidentin, die sich selbst gerne als „Angela Merkel Spaniens“ betrachtet, durch ihren Vorstoß die parteiinternen Sympathien austesten will. Dabei muss Aguirre vorsichtig agieren, um nicht als „Königsmörderin“ angesehen zu werden und so den eigenen Ambitionen zu schaden. Geschickt hat sie ausgerechnet ein Forum der Zeitung „ABC“ für ihre Deklarationen gewählt. Die „ABC“ steht nämlich eher stellvertretend für die konservativ-christdemokratischen Strömungen innerhalb der Volkspartei. Und als Machtpolitikerin weiß Aguirre, dass sie alle in der PP braucht, um erfolgreich sein zu können.

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