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Vorschau auf die Regionalwahlen in Madrid am 26. Oktober 2003

von Michael Däumer

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Vorschau auf die Regionalwahlen in Madrid am 26. Oktober 2003

Erstmals in der zwanzigjährigen Geschichte der autonomen Region Madrid finden am 26 Oktober 2003 vorgezogene Neuwahlen statt. Insgesamt sind rund 4,5 Millionen Wähler aufgerufen, ein zweites Mal in fünf Monaten die Zusammensetzung des Madrider Regionalparlamentes zu bestimmen. Notwendig sind die Neuwahlen geworden, da sich aus den Regionalwahlen vom 25. Mai 2003 keine stabile Mehrheiten ergeben hatten. Von den 111 Mandaten im Madrider Regionalparlament konnte der Partido Popular (PP) 55 erringen; die Sozialistische Partei PSOE gewann 47 und die Vereinigte Linke (IU) 9 Mandate. Zwar hätten die 56 Mandate von PSOE und IU zu einer, wenn auch hauchdünnen Mehrheit im Madrider Landtag gereicht, doch hatten zwei abtrünnige PSOE-Abgeordnete die Wahl des sozialistischen Spitzenkandidaten Rafael Simancas zum Ministerpräsidenten verhindert und damit für einen Eklat gesorgt.

Die Regionalwahlen haben eine bundespolitische Signalwirkung für die Nationalwahlen im März 2004. Sie wird allgemein als Testwahl für Mariano Rajoy, den von Ministerpräsident José María Aznar ernannten Nachfolger. Gewinnt der PP diese Wahl, steigen gleichzeitig die Chancen für Rajoy, im kommenden Jahr die Regierungsverantwortung auf Bundesebene zu übernehmen.

Um die Gunst der Wähler kämpfen nun 22 Parteien, zwei mehr als bei der letzten Regionalwahl am 25. Mai 2003. Darunter befindet sich auch die neue Partei des abtrünnigen PSOE-Abgeordneten Tamayo, die den Namen „Neuer Sozialismus“ (Nuevo Socialismo) trägt und laut Wahlverzeichnis 325 Mitglieder hat. Die Grünen, die sich im Mai 2003 als eine Partei zur Wahl gestellt haben, haben sich gespalten und sind nun mit zwei Parteien vertreten.

Die Wahlkampfstrategien der drei Parteien mit den besten Aussichten – PP, PSOE und IU – unterscheiden sich deutlich voneinander. Während PSOE und IU auf dem linken Parteienspektrum einen – nach eigenen Bekundungen – „aggressiven“ Wahlkampf mit den Zielen Korruptionsbekämpfung und Demokratieerneuerung führen, kündigte der PP einen „ruhigen Wahlkampf“ an.

Das PP-Wahlprogramm, das unter dem Wahlslogan „Garantie für eine gute Regierung“ steht, ist unverändert aus der Mai-Wahl übernommen worden. Partido Popular: „Es reicht mit der gleichen Anzahl an Wählern wie am 25. Mai abgegeben wurden“.

Mit der Spitzenkandidatin Esperanza Aguirre hatte der PP am 25. Mai 2003 insgesamt 46,7 Prozent der Stimmen eingefahren, was in absoluten Zahlen etwa 1,43 Millionen Wählern entsprach. Die absolute Mehrheit hatte der PP zwar damit knapp verfehlt, aber angesichts der Prognosen, die aufgrund der Handhabung des Prestigeunfalls und der massiven Kritik an der Irakpolitik Aznars eine herbe Niederlage des PP vorhergesagt hatten, hielten sich mit 4,5 Prozent die Verluste relativ gering. In den Regionalwahlen 1999 hatte der PP mit 51,07 Prozent sein bestes Ergebnis erzielt. Der Aufwärtstrend, der seit 1987 ununterbrochen angehalten hatte, ist jedoch vorerst gestoppt worden.

Juan Carlos Vera, der Wahlkampfmanager von Esperanza Aguirre, ist sich jedoch sicher, dass die Partei ihre Wähler wieder in der gleichen absoluten Höhe mobilisieren kann. Dies würde laut Vera für die absolute Mehrheit am 26. Oktober reichen, denn Meinungsforscher erwarten eine Wahlbeteiligung von höchstens 60 Prozent im Gegensatz zu 69,3 Prozent am 25. Mai 2003. Die Hoffnung von Juan Carlos Vera stützt sich maßgeblich darauf, dass das Gros der Nichtwähler auf PSOE und IU entfällt.

Esperanza Aguirre kann sich bei ihrer Kandidatur auf Schützenhilfe von der Bundesseite verlassen. Aznar-Nachfolger Mariano Rajoy, selbst Spitzenkandidat des PP für die Nationalwahlen im kommenden März, hat massive Wahlkampfunterstützung zugesagt und wird vier bis fünf Wahlkampfauftritte in der Madrider Region absolvieren. Dass es sich bei dieser Wahl um eine für den PP entscheidende Wahl handelt, zeigt nicht nur die Dichte der parteipolitischen Auftritte der PP-Bundespolitiker, sondern auch die Höhe des Wahlkampfetats, der mit 2,4 Millionen Euro enorme Ausmaße genommen hat und den Etat der Sozialisten um eine Million Euro überbietet.

PSOE: „Größter Gegner ist eine niedrige Wahlbeteiligung“

PSOE-Spitzenkandidat ist der Madrider Sozialistenführer Rafael Simancas, der in den Regionalwahlen vom 25. Mai 2003 beachtliche 39,99 Prozent erringen konnte. Damit hat Simancas das Wahlergebnis des PSOE seit 1995 um zehn Prozentpunkte kontinuierlich steigern können. Die überregionale Tageszeitung „El Pais“ sieht in dieser Wahl ein hohes Risiko für Simancas. Erfolg und Mißerfolg sind nah beieinander, schreibt El Pais. Simancas riskiere die Stabilität der Partei und damit die Wiedererlangung der Regierungsverantwortung, die die Partei aufgrund der Unberechenbarkeit zweier abtrünniger Abgeordneter leichtsinnig verspielt hatte. PSOE-Wahlkampfmanager Antonio Romero bestätigt, dass der größte Gegner im Wahlkampf die prognostizierte niedrige Wahlbeteiligung sei. Ob die Partei die 39,99 Prozent vom 25. Mai 2003 werde halten können, sei noch ungewiss, gab Romero unverhohlen zu.

Um seine Wählerschaft zu mobilisieren, hat der PSOE eine aggressive Wahlkampfstrategie unter dem Motto „Damit die Demokratie gewinnt“ eingeläutet. Zusätzlich zu den Wahlkampfschwerpunktthemen Wohnungsbau, Gesundheit und Bildung wird die Erneuerung der Demokratie hervorgehoben. Hierzu werden drei Vorschläge im neuen Wahlprogramm des PSOE unterbreitet:

1. Aufstellung einer Liste, aus der für jeden Bürger die Häufung öffentlicher Ämter von Kandidaten ersichtlich wird;

2. Erstellung einer Rollenbeschreibung für Abgeordnete, die sich nicht an die Fraktionsgebundenheit halten, um zu vermeiden, dass „Abtrünnige“ von den Privilegien, die Fraktionslosen eingeräumt werden, profitieren können;

3. Erstellung einer „Unwürdigkeitserklärung“, der nach ein Regionalparlament mit qualifizierter Mehrheit einen Abgeordneten, der aus ethischer Sicht eine „verwerfliche Position“ einnimmt, als „unwürdig“ erklären und seinen Ausschluß aus dem Parlament bewirken kann.

Ob und in wie weit diese Vorschläge des PSOE zur Erneuerung der Demokratie beitragen, ist eher als fragwürdig zu bezeichnen. Die Sozialisten sind jedoch davon überzeugt, hiermit die Lehren aus der vergangenen Wahl vom 25. Mai 2003 ziehen zu können. Jedenfalls erhält Simancas starke bundespolitische Wahlkampfunterstützung durch den PSOE-Vorsitzenden und Rajoy-Herausforderer José Luis Rodríguez Zapatero sowie durch weitere PSOE-Prominenz. Simancas sieht seinen Wahlkampfschwerpunkt in der Wiedereroberung für den PSOE verloren gegangener Wahlkreise. Dabei zielt er direkt auf 30.000 Jungwähler, die er als potentielle PSOE-Wähler einstuft. Insgesamt 1,4 Millionen Euro – und damit eine Million weniger als dem PP - stehen dem PSOE für den Wahlkampf zur Verfügung.

Die „Vereinigte Linke“: Werbung um Grünwähler

Mit einer „Botschaft des Versäumnisses“ will die Vereinigte Linke (IU) ihre Wählerschaft mobilisieren. Bei dieser Wahl gelte es, die Rechte zu verhindern. Da die Linke nach Auffassung der IU in der letzten Wahl um den Sieg wegen der zwei Abtrünnigen gebracht wurde, dürfe nun bei dieser Wahl keiner zu Hause bleiben, sondern müsse IU wählen. Eduardo Cuenca, Wahlkampfmanager des Madrider PSOE-Kandidaten Fausto Fernández, ruft insbesondere Grünwähler auf, die IU zu wählen. Mit diesem Aufruf macht Cuenca auf die Chancenlosigkeit der Grünen aufmerksam, die sich zwischenzeitlich gespalten haben.

Die IU, die am 25. Mai 2003 7,6 Prozent der Stimmen errang, versteht sich als Zünglein an der Waage, denn von ihr hängt es ab, ob eine Koalition mit dem PSOE zustande kommt. Entsprechend lautet das Wahlkampfmotto, das die Plakate der IU ziert: „Erlaube nicht, dass andere für Dich entscheiden. Es ist Deine Wahl“.

Inhaltlich setzt die IU ihre Schwerpunkte in der Erneuerung der Demokratie. Inhaber öffentlicher Ämter sollen sich an einem „Ehrenkodex“ orientieren und sich gegenüber der Öffentlichkeit in einer Erklärung zum Gemeinwohl verpflichten.

Im Verhältnis zu PP und PSOE ist der Wahlkampfetat der IU mit einer Million Euro überproportional groß. Nicht zuletzt ist auch hieraus zu erkennen, dass die Partei um jeden einzelnen Wähler kämpfen wird, denn auch ihr ist bewusst, dass der Wahlsieg am 26. Oktober 2003 an einem seidenen Faden hängt.

Michael Däumer

Wahlergebnisse der Regionalwahlen in Madrid, 1983 bis 2003

PP

1983 = 34,32 Prozent;

1987 = 31,96 Prozent;

1991 = 43,23 Prozent;

1995 = 50,97 Prozent;

1999 = 51,07 Prozent;

2003 = 46,67 Prozent;

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PSOE

1983 = 50,78 Prozent;

1987 = 39,13 Prozent;

1991 = 37,07 Prozent;

1995 = 29,71 Prozent;

1999 = 36,43 Prozent;

2003 = 39,99 Prozent;

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IU

1983 = 8,90 Prozent;

1987 = 7,61 Prozent;

1991 = 12,22 Prozent;

1995 = 16,02 Prozent;

1999 = 7,69 Prozent;

2003 = 7,68 Prozent;

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Abkürzungen:

PP= Partido Popular;

PSOE= Sozialisten;

IU= Vereinigte Linke

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