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Veranstaltungsberichte

Spanien - 30 Jahre Partnerschaft in der Europäischen Union

Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren Teilnehmer eines spanisch-deutschen Forums, das der Tönissteiner Kreis mit Unterstützung des KAS-Büros für Spanien und Portugal am 12. Juni 2015 in Madrid ausrichtete. Im Mittelpunkt standen dabei die Entwicklungen in Europa und Spanien, das am 12. Juni 1985 mit der Unterzeichnung der Beitrittserklärung durch den damaligen Regierungschef Felipe González Mitglied der Europäischen Gemeinschaft wurde.

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Der Staatssekretär für Finanzen beim Ministerium für Finanzen und öffentliche Verwaltung, Miguel Ferre Navarrete, eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag unter dem Titel "Wirtschaftliche Erholung und politische Stabilität - Herausforderungen für Spanien und Europa". Dabei zeigte er auf, wie die EG-Mitgliedschaft die damals noch junge spanische Demokratie stützen und stabilisieren half. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich sei die EU-Partnerschaft seitdem eine durchgängige Erfolgsgeschichte für Spanien.

Zwar hätte in Zeiten der Krise eine gewisse Entfremdung der Bevölkerung von den politischen Institutionen stattgefunden. Dies könne unter anderem anhand der Wahlergebnisse zum Europäischen Parlament des Jahres 2014 beobachten werden. Wichtig sei jedoch, dass die europäischen Partner und die europäische Öffentlichkeit honorierten, dass eine europaskeptische Partei, wie sie beispielsweise in Frankreich oder Großbritannien gewachsen sind, in Spanien keine Abnehmer habe. Er hoffe, dass anerkannt werde, dass Spanien nach wie vor einer der verlässlichsten Partner in Europa ist und die Bevölkerung überwiegend europafreundlich eingestellt ist.

Ferre Navarrete sprach über die enormen Anstrengungen, die die PP-Regierung unternahm, um während der Wirtschaftskrise keinen Rettungsschirm in Anspruch nehmen zu müssen. Er bat die Zuhörer, zu berücksichtigen, dass der spanische Staatshaushalt im Jahr 2007 mit nur 36,3% des BIP verschuldet war. Um die Krise in der überschuldeten Finanz- und Privatwirtschaft abzufedern, habe der Staat in den darauffolgenden Jahren enorme Mehrschulden aufnehmen müssen. Dank des hervorragenden Wirtschaftswachstums sei jedoch bereits absehbar, dass man die Maastrichtkriterien bereits 2016 wieder einhalten könne, falls man in der kommenden Legislaturperiode, also nach den Abgeordnetenhauswahlen im November 2015, den erfolgreichen wirtschaftspolitischen Kurs beibehalte.

Im Anschluss tauschten der Generalsekretär der Stiftung für Sozialanalysen und Sozialstudien (FAES), Javier Zarzalejos, der Hochschulprofessor für Soziologie an der Universität Complutense Madrid, Enrique Gil Calvo, und der Wissenschaftliche Mitarbeiter im Europäischen Parlament, Domènec Ruiz Devesa, ihre Ansichten zur Zukunft des spanisch-katalanischen Verhältnisses aus. Auf die Frage, ob die "Vielfalt in Einheit" des spanischen Verfassungs- und Staatsorganisationsmodells in Gefahr sei, kamen alle drei zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall sei.

Enrique Gil Calvo nahm zwischen 2012 und 2014 eine zunehmende Radikalisierung der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung wahr, die er jedoch auf Sozialproteste an der Sparpolitik im Gesundheitswesen, der Bildung sowie aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit zurückführt.

Das illegale Referendum der katalanischen Regionalregierung vom 09. November 2014, welches lediglich 1,8 Millionen Ja-Stimmen für die katalanische Unabhängigkeit zählte, zeige jedoch, dass sich die Tendenz bereits umgekehrt habe. Bei den vergangenen Kommunal- und Regionalwahlen vom 24. Mai sei die Bürgerplattform "Gemeinsam für Barcelona" stärkste Kraft geworden, obwohl sich diese Partei explizit nicht für eine vollständige Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ausspreche.

Javier Zarzalejos zeigte auf, dass seiner Meinung nach die Rechtfertigungsgrundlage der radikalen katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter in sich widersprüchlich und nichtig ist.

So basiere die Existenzberechtigung der Bewegung auf dem Argument, dass die spanische Staatsorganisation keine politische und kulturelle Vielfalt zulasse. Wie die Wahlen vom 24. Mai bewiesen, erlaube das System jedoch sehr wohl "einen gelebten Pluralismus auf Basis der Staatsverfassung von 1978".

Die Verfassung biete seitdem den Autonomen Regionen einen weitgehenden Spielraum, in Form von Autonomiestatuten Kompetenzen übertragen zu bekommen. Die individuelle Ausgestaltung dieser Autonomiestatute habe zu einer Vielzahl an unterschiedlichen Regeln geführt, die den Zentralstaat vor eine große Herausforderung stellten. So gelten gegenwärtig acht unterschiedliche Steuersysteme. Neben dem allgemeinen existierten allein drei im Baskenland, eines in Navarra, eines in Ceuta, in Melilla und auf den Kanaren.

Weitergehende Unabhängigkeitsforderungen seien daher unbegründet. Auch Zarzalejos sieht keine Gefahr eines Systemfehlers.

Domènec Ruiz-Devesa streifte im Hinblick auf den Haupttitel der Veranstaltung die vergangenen drei Jahrzehnte der spanischen EU-Zugehörigkeit. Die Zeit zwischen 1985 und 1990 sei durch einen großen Optimismus der spanischen Gesellschaft geprägt gewesen. In den 1990er Jahren habe man jedoch diese Unschuld verloren und sich an neue Realitäten anpassen müssen. Besonders die 2000er Jahre wären jedoch durch ein nicht nachhaltiges Wirtschaftswachstum geprägt gewesen, das die ganze Gesellschaft erfasst habe. Jeder hätte am Boom mitverdienen wollen, ein einzelner Schuldiger sei nicht auszumachen.

Nach einer offenen Dialogrunde zwischen Spaniern und Deutschen am Mittag, trug am Nachmittag Dr. Carlos Malamud, Professor für Amerikanische Geschichte (UNED) und Forscher am Think Tank Real Instituto Elcano, zum Thema "transatlantische iberische Kulturgemeinschaft" vor. Malamud betonte die wachsende Bedeutung der spanischen Sprache für die Weltwirtschaft. Besonders im Kultursektor sei in Lateinamerika mit einem bedeutenden Wachstum zu rechnen.

Im Anschluss referierte Jochen Müller, Berater für Politik und Wirtschaft bei der Repräsentanz der Europäischen Kommission in Madrid, über den Verhandlungsstand beim transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Er erklärte die verschiedenen Vertragsbestandteile und unterstrich die strategische Bedeutung des Abkommens für die Position Europas auf den Weltmärkten.

Den Abschlussvortrag hielt Tomás Poveda Ortega, Direktor der Casa de América in Madrid. Er legte in seinem Vortrag dar, dass die Rolle des Amerikahauses als einer öffentlichen Behörde des spanischen Außenministeriums darin bestehe, der steten Verbesserung der Beziehungen zu den Staaten Amerikas zu dienen. Er zeigte wichtige Instrumente auf, die die Behörde dafür anwendet und verdeutlichte die zunehmende strategische Bedeutung der Kooperation mit Lateinamerika für Europa.

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