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Deutschlands Wahrnehmung in der Welt

von Sophia Ruschke

Soziale Martkwirtschaft - Vorbild für Lateinamerika?

Vortrag und Gespräch mit SOPLA - Leiter David Gregosz

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„Lateinamerika ist wichtig – auch für uns!“

Die Begegnungsstätte "Kleine Synagoge" in Erfurt war am Dienstag, den 23.06.2015 gut besucht: Über 40 Bürgerinnen und Bürger kamen am Abend, um David Gregosz zu sehen, zu hören und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Der Leiter des Regionalprogramms „Soziale Ordnungspolitik in Lateinamerika“ (SOPLA) der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Santiago de Chile kam von weit her, um die Gäste über seine Arbeit in Lateinamerika zu informieren, die verschiedenen Länder politisch und wirtschaftlich zu beleuchten, aber auch um vom “Kontinent der Widersprüche“ zu berichten.

Nachdem Daniel Braun vom Politischen Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung die Gäste begrüßte und Herrn Gregosz vorstellte, bestieg dieser das Podium und begann seinen Vortrag mit Ausführungen über die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in und für Lateinamerika. Er beschrieb den Kontinent als riesige, komplexe und widersprüchliche Region, deren Heterogenität oft unterschätzt werde. Er selbst könne dem Publikum nur einen subjektiven und puzzleteilartigen Einblick geben und verstehe sich und sein Team als politische Beobachter von Entwicklungen, die für die Gestaltungsmacht Deutschland bedeutsam sind.

Nicht nur "Krise": Lichtblicke in Lateinamerika

In seinen Ausführungen ging Gregosz vor allem auf die wirtschaftliche Verfasstheit der Länder Lateinamerikas und neue Trends ein: Großmächte wie die USA und China "sind zurück" auf dem Kontinent und zeigten ihr Interesse an Ressourcen sowie neuen Partnerschaften (China) beziehungsweise am Abbau alter Konflikte (USA). Obwohl der wirtschaftliche Boom aufgrund gefallener Rohstoffpreise vorbei sei, gäbe es Grund zur Hoffnung. Ein Lichtblick sei z.B. der erste lateinamerikanische Papst Franziskus, der sich als politischer Vermittler in regionalen Konflikten (Kuba-USA) präsentiere, durch seine neue Sozialenzyklika "Lumen fidei" Akzente setze (vor den Klimaverhandlungen am Jahresende in Paris) und die Katholische Kirche an die Seite der Armen stelle.

Ebenso werde die Pazifikallianz zwischen Kolumbien, Peru, Mexiko und Chile von Experten als Hoffnungsschimmer für Lateinamerika empfunden. Die Länder dieser neuen Handelsallianz weisen, so Gregosz, Erfolge in der Armutsbekämpfung auf, bieten ein stabiles wirtschaftliches Umfeld sowie geringe staatliche Verschuldungsniveaus und niedrige Inflationsraten. All diese Punkte sprächen für die Pazifikallianz, die bemerkenswerte Kooperationserfolge erzielt habe, z.B. den Abbau den Zölle, gemeinsame diplomatische Vertretungen oder die Vereinfachung von VISA-Regelungen.

Gregosz sah konkrete zwischenstaatliche Kooperationen als notwendige Bedingung für die wirtschaftliche Entwicklung: Neben kraftvollen Integrationsbemühungen, die aufgrund politischer und ideologischer Zerrissenheit, räumlicher Hemmnisse und bedeutender Handelspartnern außerhalb der Region schwierig seien, müsste Lateinamerika dafür Sorge tragen, seine Produktivität zu steigern. Dies gelänge durch Verbesserungen bei der Breitenbildung und eine Verbreiterung der Wirtschaftsstrukturen. Bei diesen Herausforderungen könne Deutschland als Modernisierungspartner helfen und beispielsweise konkrete Erfahrungen beim Aufbau einer mittelständischen Wirtschaft oder eines dualen Ausbildungssystems helfen. "Die Bundesrepublik genießt hohes Ansehen und wird als politischer Impulsgeber geschätzt. Wir nutzen unsere Chancen auf dem Kontinent aber unzureichend."

David Gregosz benannte während seiner Ausführungen Gründe für die zähe Entwicklung der Region: Er sehe die mangelnde Geschichtsaufarbeitung nach Militärdiktaturen oder ethnischer/territorialer Konflikte als einen Erklärungsfaktor an. Zum anderen seien fragile politische Systeme und Parteistrukturen sowie unausgewogene Wirtschaftsmodelle weitere Belastungen für die Länder. Abschließend unterstrich der Referent, die Bedeutung Lateinamerikas und warb für eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Länder. Europa sollte seine historisch gewachsenen Bande nutzen, um globale Probleme gemeinsam anzugehen.

Diskussion: Der Aufschwung Chiles, die Pazifikallianz und Kriminalität

Im Anschluss an Herrn Gregosz Vortrag konnten die Teilnehmenden Fragen und Statements zum Thema Lateinamerika einbringen. Ein Professor der sächsischen Hochschule Zwickau befragte den Referenten hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation Chiles. Gregosz beschrieb, dass die größte Herausforderung für Präsidentin Bachelet darin läge, Politikvertrauen (nach Korruptionsskandalen) zurückzugewinnen und ein inklusives Wirtschaftssystem zu etablieren, um die ungleiche Chancenverteilung und gesellschaftlichen Verwerfungen im Land zu überwinden. Vor allem eine Bildungsreform, welche die Hochschulzugänge erleichtert und eine Steuerreform, die Gelder in Sozialleistungen fließen lässt, seien wichtige Themen im Land. Überlagert werden diese inhaltlichen Themen aber von politischen Skandalen, ein Phänomen, welches auch aus Brasilien oder Mexico bekannt sei. Eine weiterer Frage bezog sich auf die Pazifikallianz. Gregosz sieht in dem Handelsverbund Chancen, sofern sich die Regierungschefs hinter dieses Projekt stellen. Momentan gebe es innerhalb der Länder allerdings drängendere Aufgaben, was dieses Projekt derzeit ausbremst.

Neben den Allianzen und individuellen Entwicklungen der Länder waren auch die Kriminalitätsrate und die Indio-Identität vieler Lateinamerikaner für das Publikum interessant. Gregosz gab zu bedenken, dass der Anbau von Coca-Pflanzen, aus denen später Kokain gewonnen werden kann, für viele Bauern in Lateinamerika zur Existenzgrundlage zähle. Insbesondere die Drogen-Abnehmerländer stünden in der Verantwortung. Zur indigenen Bevölkerung in Lateinamerika berichtete Gregosz von der Unterdrückung der Ur-Bevölkerung in den lateinamerikanischen Ländern, die zum Teil auch von politischen Prozessen ausgeschlossen wurden und werden. Er wünschte sich abschließend eine stärkere Einbeziehung dieser Bevölkerungsgruppen.

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Daniel Braun

Daniel Braun

Leiter des Auslandsbüros Nordmazedonien und Kosovo

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