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Impfstoffdiplomatie in Südostasien

von Pattarawut Angkarattanapichai

Die Implikationen des G7-Gipfels

Die G7 wollen eine gemeinsame Haltung zu China finden, auch in Bezug auf dessen Impfstoffdiplomatie.

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Die G7, oder der Zusammenschluss führender Industrieländer der Welt, tagte vom 11. bis 13. Juni in Cornwall im Gipfelformat. Die dreitägige Konferenz, an der England, Frankreich, Deutschland, Japan, Italien, Kanada und die USA teilnehmen, hat zu einer Reihe von Vereinbarungen zur Bewältigung der anhaltenden und eskalierenden Krise geführt. Die G7 hat einen starken Einfluss auf die Weltwirtschaft, da die Gruppe über 60% des globalen Reichtums verfügt und ihr BIP 46% der Welt beträgt. Dabei steht die G7 für nur rund ein Zehntel der Weltbevölkerung.  Traditionell widmen sich die G7 in ihren Diskussionen und Erklärungen auch den wichtigsten sozio-ökonomischen Problemen und anderen politischen Angelegenheiten von großer Tragweite.

Die Regierungschefs der G7 konzentrierten sich insbesondere auf die Rolle Chinas als globaler Akteur. Sie einigten sich darauf, ein neues Projekt mit dem Namen „Build Back Better World (B3W)“ zu starten, um den Bau von Infrastruktur in Entwicklungsländern zu finanzieren und Alternativen zu Chinas Belt and Road Initiative (BRI) zu bieten. Dies kann so interpretiert werden, dass China als zentrale Herausforderung der USA und ihren Verbündeten gesehen wird. Die Reaktion Chinas von einem Botschaftssprecher in London auf den Gipfel sprach für sich: „Die Zeiten, in denen globale Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern diktiert wurden, sind lange vorbei. Wir sind der Meinung, dass alle Länder, ob groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, gleichberechtigt sind und dass die Weltangelegenheiten durch Konsultationen aller Länder geregelt werden sollten.“

Nicht zu übersehen war das Signal, dass sich die Industrienationen wieder zusammenschließen wollen, um mit den Ländern der Welt zu kooperieren: um die Wirtschaft, die Politik und das Wohlergehen der internationalen Gemeinschaft zu beeinflussen, einschließlich der Bewältigung der Probleme von Pandemie, Klimawandel, Cyber-Kriegsführung und internationalem Handel. In diesem Artikel wird das Augenmerk auf die Vakzin-Diplomatie in Südostasien gelegt und wie sich diese in Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam niederschlägt.

 

Die G7 und die Impfstoffdiplomatie

In einer grundlegenden Vereinbarung haben sich die G7-Regierungschefs darauf geeinigt, eine Milliarde COVID-19-Impfdosen an COVAX zu liefern, um einen weltweit gerechten Zugang zu unterstützen und die akute Phase der Pandemie möglichst zügig zu beenden. Die COVAX-Partner begrüßten diese Zusage, ebenso wie die fortgesetzte Unterstützung für den Export in erheblichem Umfang, die Förderung der freiwilligen Lizenzierung und die gemeinnützige globale Produktion. COVAX wird mit den G7-Staaten und anderen Ländern zusammenarbeiten, die sich bereit erklärt haben, die Dosen so schnell und gleichmäßig wie möglich zu verteilen. Dies wird dazu beitragen, die kurzfristigen Lieferengpässe, die derzeit die globale Reaktion auf COVID-19 beeinträchtigen, zu beheben und die Aussicht auf zukünftige gefährliche Varianten zu minimieren.  Auch die Länder Südostasiens sind Empfänger der COVAX-Initiative, mit der Ausnahme von Thailand. Daher wird Thailand auch keine der Impfdosen erhalten, die die G7 für COVAX zur Verfügung stellt.

Impfdiplomatie ist keine Neuheit in der Welt. Die Verbreitung von „Soft Power“ durch Spenden, Stipendien, Leihgaben oder durch die Verbreitung von Kultur durch Filme oder Musik ist etwas, das es von der Vergangenheit bis heute gibt.  Sobald China über Covid-19-Impfstoffe verfügte, begann es, sie zu spenden und in die Welt zu verkaufen, bevor andere Länder es taten. Das ließ viele Menschen vergessen, dass China von Anfang an der Ursprung der Covid-19-Epidemie war. So konnte China sein Image korrigieren, indem es sowohl medizinische Geräte als auch Impfstoffe spendete. Zwar waren die USA in der Lage, qualitativ hochwertigere Impfstoffe zu produzieren, wie die Ergebnisse von klinischen Untersuchungen zeigten. Die USA haben aber erst vor kurzem damit begonnen, als „Geber” aufzutreten. Das vergleichsweise schnelle Handeln hat China in den Augen vieler einen Kredit verschafft, während die USA zu einem gewissen Grad als „Impfstoff-Hamsterer“ betrachtet werden.

Es zeigt sich, dass die G7 einen Ausgleich zu China sucht, denn Peking hat eine aktive Rolle in Bezug auf die Impfdiplomatie unter vielen Ländern gespielt, insbesondere unter den südostasiatischen Ländern. Laut dem ISEAS Yusof Ishak Institute für Southeast Asian Studies in Singapur nutzte China die Gelegenheit, sich selbst in der internationalen Wahrnehmung vom „Bösewicht“ zum „Helden“ zu machen, indem China einen gezielten Soft-Power-Schachzug tat: es investierte sowohl in die Gesundheits- als auch in die Impfdiplomatie und erzielte in den fünf Festlandländern, die zuweilen als „Hinterhof“ Chinas bezeichnet werden, Erfolge. Diese fünf Länder sind Laos, Kambodscha, Myanmar, Thailand und Vietnam.

 

Der „Hinterhof“ Chinas

Kambodscha

Kambodscha war das erste Land in Südostasien, das Covid-19-Impfstoffe aus der COVAX-Einrichtung erhielt.  Kambodscha und Laos haben im Vergleich zu den anderen drei Ländern auch die stärksten Bindungen zu China. Beide leisten einen wichtigen Beitrag zu den von China initiierten regionalen multilateralen Initiativen, wie der Lancang-Mekong-Kooperation (LMC) und der Belt and Road Initiative (BRI). Kambodscha hat sich offen auf die Seite Chinas gestellt, wie im Februar 2020, als Premierminister Hun Sen nach Peking flog, deutlich wurde.  Während die Welt China für die Verursachung der Pandemie kritisierte, sagte Hun Sen auf seinem Treffen mit Xi Jinping, dass Kambodscha unter allen Umständen an der Seite Chinas stehen würde, um sich dem Kampf gegen die Krise anzuschließen. Kambodscha hat bisher mehr als 8 Millionen Dosen  an Impfstoffen aus China und der COVAX-Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation erworben.  Laut dem Lieferplan der COVAX-Einrichtung sollte Kambodscha Ende Mai 2021 1,1 Millionen Dosen erhalten, aber es kam aufgrund von „Lieferengpässen im Zusammenhang mit Impfstoffen von AstraZeneca/Serum Institute of India aus Indien“ zu einer Verzögerung.
 

Laos

Laos hat ebenfalls offen seine Dankbarkeit für Chinas Beitrag zum Kampf gegen Covid-19 zum Ausdruck gebracht, insbesondere für den Informationsaustausch und die Bereitstellung von medizinischen Hilfsgütern. Im vergangenen Februar erhielt Laos 300.000 Dosen des vom chinesischen Pharmariesen Sinopharm hergestellten Covid-19-Impfstoffs , was die langjährige enge Freundschaft zwischen den beiden Ländern widerspiegelt.

COVAX hat sich seinerseits zum Ziel gesetzt, 480.000 Dosen Impfstoff an Laos zu verteilen. In zwei Lieferrunden wurden insgesamt 232.620 Dosen geliefert. Beim ersten Mal, am 20. März, hat die laotische Regierung 132.000 Dosen des Impfstoffs (AstraZeneca) von COVAX erhalten, und im Juni folgte eine Lieferung von über 100.000 Dosen des Präparats von Pfizer-BioNTech.  In der Zwischenzeit hat die chinesische Regierung 1,4 Millionen Dosen des Impfstoffes von Sinopharm an Laos gespendet, also fast das Dreifache von dem, was Lao von COVAX erhalten hat. Die Hilfe der chinesischen Regierung ist in drei Zeiträume aufgeteilt. Die erste Phase war Anfang Februar 2021 (300.000 Dosen), die zweite Phase Ende März 2021 (800.000) und die dritte Phase Ende April 2021 (300.000). Durch die Unterstützung von COVAX und die Hilfe der chinesischen Regierung kann sich die laotische Regierung das Ziel setzen, dass bis zum Ende des Jahres die Hälfte der Bevölkerung des Landes gegen Covid-19 geimpft sein wird.
 

Myanmar

Nach einem Putsch in Myanmar im vergangenen Februar spendete China 500.000 Dosen Impfstoff an die Militärregierung Myanmars, obwohl Millionen von Zivilisten und Gesundheitsarbeitern das Impfstoffprogramm des Militärregimes boykottieren.  Noch vor dem Putsch hatte China Staatsrätin Aung San Suu Kyi versprochen, 300.000 Dosen des Impfstoffes zu liefern. Auch dieses Beispiel zeigt also, dass China die Zusammenarbeit mit einer vom Militär geführten Regierung fortführt.

Abgesehen von den Covid-19-Impfstoffen, die China an Myanmar gespendet hat, wurde auch medizinische Ausrüstung an Myanmar geschickt, einschließlich der Abstellung von Experten, um das Ministerium für Gesundheit und Sport zu beraten, nachdem die Epidemie vor Ort im März 2020 begann. Es war zu sehen, dass China in den Ländern der „Greater Mekong Subregion“, die aus Laos, Kambodscha und Myanmar besteht, die Rolle eines Gebers einnehmen wollte und dies auch tat.
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Thailand

Für Thailand äußerte der thailändische Regierungschef, dass sich die bilateralen Beziehungen zu China erst nach dem Ende der Corona-Krise verstärken werden. Thailand hat bereits circa. 7 Millionen Dosen des chinesischen Impfstoffs von Sinovac und Sinopharm gekauft und erhalten. Einige thailändische Bürger haben jedoch in den sozialen Medien offen ihr Misstrauen gegenüber der Wirksamkeit der chinesischen Impfstoffe geäußert. Aufgrund der Verbreitung von Nebenwirkungen nach der Impfung in den Medien waren die Impfbuchungen im Mai geringer als von der Regierung erhofft.

Zurzeit sind in Thailand nur die Impfstoffe von AstraZeneca, Sinopharm und Sinovac verfügbar. Allerdings sind nun auch Johnson & Johnson und Moderna zugelassen, sodass weitere Auswahlmöglichkeiten auf dem Weg sein sollten.  Insgesamt zeigten sich bisher zu wenige Fortschritte und das Vertrauen der thailändischen Bevölkerung in das Management und die Verwaltung der Regierung ist beschädigt.

Was die Zusammenarbeit zwischen Thailand und der COVAX Facility angeht, so besteht diese darin, ein Geberland zu sein: Die thailändische Regierung hatte über die WHO 100.000 US-Dollar gespendet, um die Entwicklung und Bereitstellung von Impfstoffen und Medikamenten als globale öffentliche Güter zu unterstützen. Thailand erwägt auch die Möglichkeit, in Zukunft mit der COVAX Facility zusammenzuarbeiten, indem es Impfstoffe spendet, wenn Thailand selbst genügend Vorräte hat. Das Außenministerium hat sich um weitere Impfstoffvereinbarungen bemüht, etwa mit Israel, den VAE, Bahrain, Australien, den USA und Südkorea, und einige Verfahren werden derzeit geprüft. Einige Länder, wie Australien und Südkorea, haben bereits mitgeteilt, dass in ihren Ländern immer noch ein Mangel an Impfstoff herrscht.
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Vietnam

Vietnam war mit Blick auf Chinas Rolle in der Pandemie am vorsichtigsten, wegen des andauernden Streits um das Südchinesische Meer und der Anti-China-Stimmung in seiner Bevölkerung. Ein genereller Trend zeigt, dass Vietnam eine stärkere Partnerschaft mit den USA aufbaut und dessen Unterstützung sucht, um seine nationalen Interessen in den umstrittenen Gewässern durchzusetzen. Sowohl China als auch die USA konkurrieren darum, einen positiven - und größeren - Einfluss auf Vietnam durch verschiedene wirtschaftliche und politische Maßnahmen auszuüben, China durch seine Belt and Road Initiative von China und die USA durch maritime Sicherheitskooperation.  Daher muss die Regierung in Hanoi ein Gleichgewicht halten, um nicht zu viel chinesische Hilfe zuzulassen, die Vietnam bei internationalen politischen Verhandlungen benachteiligt. Vietnam ist das einzige Land unter den fünf Ländern, das angekündigt hat, den chinesischen Impfstoff nicht erhalten zu wollen. Es behauptet dagegen, dass Vietnam Impfdosen aus dem COVAX-Programm beziehen und einen Impfstoff im eigenen Land entwickeln wird.

 

Fazit

Da sich der Wettbewerb zwischen China und den USA dramatisch aufheizt, spüren viele asiatische Länder den Druck, sich möglicherweise für eine Seite entscheiden zu müssen. Einige Länder versuchen, eine neutrale Haltung zwischen den beiden Großmächten einzunehmen und einen Balance-Akt zu vollziehen, um beiderseits zu profitieren. Einige südostasiatische Länder scheinen sich aber bereits auf die Seite Chinas zu schlagen, weil sie eine lange Geschichte der Verbindung und des Austauschs miteinander haben, mit gegenseitigen Einflüssen der Kultur, der Bräuche, der Sprachen, der Regime usw. des jeweils anderen.

Mit dem Antritt der Biden-Regierung ist ein großer Wandel in Washington zu erkennen. Der indopazifischen Strategie wird eine neue Kraft verliehen, wohl mit der Absicht, die Präsenz der USA in Asien zu zementieren und China in Schach zu halten. China seinerseits spielt bereits seit langem eine aktive Rolle in dieser Region, besonders in Südostasien. Darüber hinaus besagt eine aktuelle Umfrage von ISEAS Yusof Ishak, dass „die Menschen in den 10 ASEAN-Staaten China als das Land sehen, das der ASEAN während der Covid-Krise im Jahr 2020 am meisten geholfen hat. Daher reagierten sie auf China tendenziell positiv und sind bereit, mit China bei der gemeinsamen Lösung dieser Krise zusammenzuarbeiten, anstatt zu fordern, dass China die Verantwortung für die Ursache des Problems übernimmt“ .

Die G7 wird ihrerseits von einigen Medien kritisiert, dass die angekündigten eine Milliarde Dosen Impfstoff für ein erfolgreichen COVAX-Programm bei weitem nicht ausreichen. Es liegt nun an der G7, sich dafür einzusetzen, dass die großen Pharmakonzerne die Monopolisierung von Impfstoffen aufgeben und die wissenschaftlichen Erkenntnisse über COVID-Impfstoffe an die Länder weitergeben, die sie benötigen. Auch sollten Anleitungen für Covid-Impfstoffe so schnell wie möglich an Fabriken in der ganzen Welt verteilt werden, die die Produktionsstandards beschleunigt haben. Dieser Ansatz scheint die effektivste langfristige Lösung für dieses Problem darzustellen.

Abgesehen davon wird China aufgrund der Ausweitung seines Einflusses in Südostasien weiterhin auf allen politischen Ebenen als Bedrohung für das asiatische Gleichgewicht gesehen. Peking versucht mehr und mehr, seine Rolle als wichtigster Partner bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gerade im Zusammenspiel mit ASEAN zu konsolidieren. Auch hat China vor kurzem Impfungen des diplomatischen Corps in der ASEAN-Region durchgeführt und lange vor anderen Nationen Impfstoffe an die ganze Welt gespendet – wobei immer auch eine Gegenleistung erwartet wurde, die China in ein positives Licht rücken sollte.

Es ist festzuhalten, dass ASEAN zu einer zentralen Bühne geworden ist, in der die USA, China und regionale Mächte wie Japan um Vorteile konkurrieren werden. Auch China sieht sich gefordert, seine Kanäle weiterhin zu stärken, um sich als wichtigster Partner von ASEAN zu etablieren.

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Pattarawut Angkarattanapichai

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