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Arbeit einspunktnull

von Thomas Köhler, Thomas Köster

Neue Impulse für die Arbeitsmarktpolitik

„Arbeit ist mehr als Broterwerb. Sie bedeutet Teilhabe, Selbstverwirklichung und leistet einen gesellschaftlichen Beitrag. Kurzum: In seiner Arbeit kommt die Würde des Menschen in besonderer Weise zum Ausdruck. Mitgestaltung der Schöpfung ist ein wesentlicher Bestandteil des christlichen Verständnisses vom Menschen. Vor diesem Hintergrund geht dieser Sammelband der Frage nach, wie sich Arbeit in Zeiten der Digitalisierung zukünftig entwickeln wird. Lesenswert!“ (Hermann Gröhe MdB, Stellvertretender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion)

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Textauszug aus Abmeier/Ehret: Zur Bedeutung von Arbeit in der Katholischen Soziallehre, in: Arbeit einspunktnull - Neue Impulse für die Arbeitsmarktpolitik [Köhler, Köster Hg.], Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Nomos: Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-5496-0

Zur Bedeutung von Arbeit in der Katholischen Soziallehre

Karlies Abmeier und Patricia Ehret

1. Einleitung

Arbeit prägt das menschliche Leben. Ihre Bedeutung für den Menschen unterliegt einem ständigen Wandel und ist abhängig von der jeweiligen geschichtlichen Situation, der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie den kulturellen und weltanschaulich-religiösen Rahmenbedingungen. Für heutige Gesellschaften, die nach Hannah Arendt als Arbeitsgesellschaften charakterisiert sind, hat Arbeit ein besonderes Gewicht – wird doch Lebenserfüllung oft von einem gelingenden Verhältnis zur Arbeit abhängig gemacht.

Die Katholische Soziallehre setzt sich seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert mit der Bedeutung von Arbeit, ihren gesellschaftlichen Voraussetzungen und den Bedingungen einer sozial gerechten Gestaltung der Arbeitswelt auseinander. Für sie ist der Umgang mit der menschlichen Arbeit ein Gradmesser für den Zustand einer Gesellschaft und deren Ausrichtung am Maßstab sozialer Gerechtigkeit.

Um Kriterien für eine gerechte Gesellschafsordnung zu finden, soll zunächst nach Rolle und Bedeutung der Arbeit im Leben der Menschen gefragt werden. In einem zweiten Schritt wird die Entwicklung der Sozialverkündigung unter dem Gesichtspunkt der Arbeit dargestellt, um abschließend zu skizieren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Arbeit in einer globalisierten und digitalisierten Welt dem Kriterium der Würde des Menschen entspricht.

2. Arbeit als Grundkonstante menschlichen Lebens

Jegliche zielgerichtete leistungsbestimmte Form menschlicher Tätigkeit lässt sich als Arbeit bezeichnen.[i] Sie kann als Mühsal und Plage, aber auch als Sinnerfüllung und Freude erfahren werden. Das christliche Verständnis von Arbeit ist durch das biblische Zeugnis geprägt. Eine Aufsatzsammlung mit dem Titel „Würde und Last der Arbeit“[ii] zeigt, dass es im Neuen Testament keine einheitliche Arbeitsmoral gibt, sondern eine Breite in der Wahrnehmung von Arbeit existiert, die sich an der antiken Welt orientiert: von der hellenistischen Philosophie der Genügsamkeit und ihrer Geringschätzung bis zur Annahme von Arbeit als lebensnotwendige Aufgabe. Für das Judentum galt der im Schöpfungsbericht ergangene Auftrag Gottes, die Erde zu „bearbeiten“ und zu „bewahren“. Mit dem Bericht von der Erschaffung des Menschen als Gottes Ebenbild ist die Aufforderung verbunden, „sich die Erde untertan“ zu machen (Gen 1,27). Der Mensch soll die für ihn geschaffene Welt bewahren und bearbeiten, ihre Reichtümer nutzen und sie durch Arbeit menschengerecht gestalten. Jede menschliche Arbeit wird als Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes begriffen. Trotz der hohen Wertschätzung von Arbeit wird schon im alten Israel gewarnt, das Gelingen des Lebens davon abhängig zu machen.[iii]

Das Neue Testament beschreibt Jesus als Handwerker in Nazareth. Seine Gleichnisse sind der agrarischen Lebenswelt entnommen. Das berühmte dem Apostel Paulus zugeschriebene Wort „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ (2 Thess 3, 10) offenbart eine Kritik an den Tendenzen zur Untätigkeit in der hellenistischen Umwelt, von denen sich das Arbeitsethos des Paulus absetzte.[iv]

Auch wenn die monastische Regel „Ora et labora“ in der Entwicklung der mittelalterlichen Klöster unterschiedliche Bedeutungen und Funktionen hatte[v], bleibt die Unterscheidung zwischen kontemplativer und tätiger Lebensweise prägend als Erfahrung, den Rhythmus von Gebet und Arbeit zu strukturieren. Eine Vorrangstellung der einen oder anderen Art der Tätigkeit sollte daraus aber nicht abgeleitet werden dürfen.

Mit dem Beginn der Neuzeit kündigt sich ein tiefgreifender Wandel hinsichtlich der Gewichtung und Wertschätzung von Arbeit an. Die Gedanken der Aufklärung mit der Hinwendung zum selbst denkenden Subjekt, die zunehmende Erkenntnis und Beherrschung der Natur und der technische Fortschritt verändern die Wahrnehmung des menschlichen Tätigseins und ihre Bedeutung für das Gelingen des Lebens.

In der frühen Phase der Industrialisierung kommt es zu zahlreichen sozialen Verwerfungen, als eine wachsende Bevölkerung in die entstehenden städtischen Zentren strömt und neue Lebensmöglichkeiten und Beschäftigung sucht. Im Zuge der industriellen Arbeitsteilung wird Arbeit zu einem Teil eines unübersichtlichen Produktionszusammenhangs. Karl Marx prägte dafür den Ausdruck der „entfremdeten Arbeit“, weil der Arbeiter seine Leistung nicht als sein eigenes Werk wahrnehmen könne. [vi]

In den industriellen Produktionsabläufen wird Arbeit auf eine rein ökonomische Perspektive reduziert. Diese Ausrichtung schränkt den Sinn und Wert der Arbeit auf ihre objektive Dimension ein: seine Kosten im Entstehungsprozess. In der Konsequenz führt diese – das moderne Wirtschaftsdenken durchaus prägende – Sichtweise dazu, den arbeitenden Menschen nur als Werkzeug und Ware zu betrachten.

Gegenüber einer solchen funktionalen Verkürzung hat sich die Katholische Soziallehre von Beginn an für ein personales Verständnis von Arbeit eingesetzt. Aus dieser Perspektive wird „der Sinn von Arbeit nicht primär aus ihrem (materiellen) Ergebnis abgeleitet, sondern vielmehr aus ihrer Relevanz für den Menschen in seinen anthropologischen und sozialen Bezugsfeldern“[vii]. Dabei gilt es auch die Bedeutung der Arbeit für die Entfaltung personaler Freiheit zu berücksichtigen.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die Arbeitsbedingungen erneut verändert. Das Verständnis von Arbeit scheint „auszufransen“[viii]. Die Möglichkeiten der modernen Informationstechnologien, verdichtet im Ausdruck Arbeit 4.0., das Aufkommen neuer Arbeitsformen, wie des Crowdworkings, haben einen Wandel auf dem Arbeitsmarkt bewirkt. Die Verlagerung der Arbeit in den privaten Bereich und der Wettbewerb um das günstigste Produkt und die damit verbundenen Risiken in der sozialen Absicherung fordern neue Konkretisierungen sozialethischer Antworten heraus.

3. Sozialverkündigung als Seismograph für eine gerechte Gesellschaft

Um die verheerenden Folgen der sozialen Umbrüche der frühen Industrialisierung zu mildern, bemühten sich karitativ gesonnene Persönlichkeiten und Vereinigungen aus dem biblischen Auftrag zur Nächstenliebe heraus um eine Linderung der akuten Missstände. Schon bald wurden aber auch sozialpolitische Forderungen erhoben, wie in der berühmten Fabrikrede des badischen Abgeordneten Franz Josef Ritter von Buß (1837) oder später in den Adventspredigten des Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1848).

Rerum Novarum – die personale Würde der Arbeiter

Einen Durchbuch zu einer systematischen lehramtlichen Stellungnahme zur Sozialen Frage erzielt die Enzyklika Rerum Novarum (RN) von Papst Leo XIII. „Über die Arbeiterfrage“. Sie gilt als ‚Magna Charta’ der Katholischen Soziallehre (1891).[ix] Bereits in diesem ersten Dokument sozialethischer Ausführungen weist Leo XIII. auf die unauflösliche Verbindung von menschlicher Arbeit und personaler Würde hin, die sich seitdem „wie ein roter Faden“ durch die Sozialverkündigung der Katholischen Kirche zieht.[x]

In Reaktion auf die Verelendung und Ausbeutung der Arbeiter betont Leo XIII. die Gleichheit aller Menschen als Gottes Ebenbilder. Er sieht „kein(en) Unterschied der Menschenwürde zwischen reich und arm, Herr und Diener, Fürst und Untertan, ‚denn derselbe ist der Herr aller‘“[xi]. Die Arbeiter dürften nicht wie Sklaven behandelt werden, sondern „ihre persönliche Würde, welche geadelt ist durch ihre Würde als Christen“[xii], sei heilig zu halten. Deswegen müsse ein Leben ermöglicht werden, das eine Ausbeutung der Arbeiter zugunsten von Gewinnen der Unternehmer ausschließe.[xiii] Schon hier wird das Prinzip des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapital und der Vorrang des Menschen vor dem Kapital herausgestellt.

Für Leo XIII. steht die personale Würde der Arbeiter im Vordergrund, die er durch die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen missachtet sieht. Deswegen appelliert er an die Staaten, ihre besondere Fürsorge auf die Industriearbeiter zu richten und gesetzliche Rahmenordnungen zu schaffen, die deren Würde und Rechte zu schützen vermögen sowie einen gewissen Arbeitsschutz und geregelte Arbeitszeiten garantieren können.[xiv] Dies gilt insbesondere auch für die Kinderarbeit, die der Papst scharf verurteilt.[xv]

Zentral ist das Postulat nach einem Lohn, der einem „genügsamen, rechtschaffenen Arbeiter den Lebensunterhalt“[xvi] abwerfe. Er müsse so beschaffen sein, dass der Arbeiter „einen Sparpfennig zurücklegen und zu einer kleinen Habe gelangen“[xvii] könne. Denn ein Familienvater solle in der Lage sein, „den Kindern den Lebensunterhalt und alles Nötige“[xviii] zu verschaffen. Die dahinterstehende Absicht der Familiensicherung ist im späteren Verlauf in der Familien- und Sozialpolitik vieler Länder aufgenommen und umgesetzt worden. In Abgrenzung zu den Sozialisten verteidigt der Papst das „Recht auf persönlichen Besitz“ auch für die Arbeiter. Oswald von Nell-Breuning bestätigt, dass „Leo XIII. nicht das Eigentum der Besitzenden ‘heiliggesprochen‘ hat, sondern das Anrecht der Habenichtse auf Eigentum“[xix] angestrebt habe.

Quadragesimo Anno – Betonung des Anteils der Arbeit am Gewinn

Nach den Einbrüchen der Weltwirtschaftskrise 1929, wendet sich Papst Pius XI. erneut den wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu. Im vierzigsten Jahr des Erscheinens von Rerum novarum, wie die Anfangsworte der Enyzklika Quadragesimo Anno (QA) von 1931 übersetzt heißen, baut er auf den Grundlagen der Enzyklika Rerum Novarum auf.

Er unterstreicht, dass Arbeit und Kapital wechselseitig aufeinander angewiesen seien.[xx] Daraus folgert er, dass weder dem Kapital noch der Arbeit „die Alleinursächlichkeit an dem Ertrag ihres Zusammenwirkens zuzuschreiben“[xxi] sei. Damit erteilt Pius XI. sowohl dem Manchester-Liberalismus auf der einen wie auch dem Sozialismus auf der anderen Seite eine klare Absage. Die Gewinne stünden weder allein den Kapitalinhabern noch allein den Arbeitern zu. Stattdessen plädiert er für eine Verteilung der Erträge, orientiert am Ziel des Gemeinwohls.[xxii] Eine solche Verteilung erlaube den Arbeitern und ihren Familien über den unmittelbaren Lebensbedarf hinaus das Ansparen von Rücklagen zur Daseinsvorsorge. Sie berücksichtige auch die Lebensfähigkeit der Unternehmen, verhindere Arbeitslosigkeit und habe den Aufstieg der Arbeiter zu mäßigem Wohlstand im Blick.[xxiii] Pius XI. beschreibt die Wirtschaft als einen sozialen Prozess, der nur durch ein geordnetes Zusammenwirken aller an der Gesellschaft Beteiligten möglich ist und in dem der Staat Regeln setzt.[xxiv]


[i] Baumgartner, Alois / Korff, Wilhelm: Wandlungen in der Begründung und Bewertung von Arbeit. In: Dres. (Hg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Gütersloh. 1999. Bd. 1. S. 88-99. Hier S. 88.

[ii] Söding, Thomas: Einleitung. In: Söding, Thomas /Wick, Peter (Hg.). Würde und Last der Arbeit. Beiträge zur neutestamentlichen Sozialethik. Stuttgart. 2017. S. 8.

[iii] Hoppe, Rudolf: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“. „Arbeit im Neuen Testament. In: Internationale Katholische Zeitschrift communio. 2011 (2). S. 92-103. Hier S. 97. Vgl. Söding,Thomas: Einleitung. S. 9. Vgl. Baumgartner, Alois / Korff, Wilhelm: Wandlungen in der Begründung und Bewertung von Arbeit. S. 90.

[iv] Hoppe, Rudolf: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“. S. 101.

[v] Prügl, Thomas: Ora et labora. Theologie der Arbeit im antiken und mittelalterlichen Mönchtum? In: Internationale Katholische Zeitschrift Communio. 2011 (2). S. 104-114. Hier S. 112 f.

[vi] Baumgartner, Alois / Korff, Wilhelm: Wandlungen in der Begründung und Bewertung von Arbeit. S. 95.

[vii] Nothelle-Wildfeuer, Ursula: Einführung in die Christliche Sozialethik. In: Ruhstorfer, Karlheinz (Hg.): Systematische Theologie. Theologie studieren – Modul 3. 1. Aufl. Stuttgart. 2012. UTB. S. 233–285. Hier: S. 240.

[viii] Jähnichen, Traugott. Teilhabegerechtigkeit als sozialethisches Leitbild. In: Amos International. 5 (2011). H. 2, S. 6.

[ix] Vgl. Sellier, Ulrich: Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert. Das Ringen zwischen christlich-sozialer Ursprungsidee, politischen Widerständen und kaiserlicher Gesetzgebung. Paderborn. 1998. S. 53.

[x] Nothelle-Wildfeuer, Ursula: Arbeit – cantus firmus kirchlicher Sozialverkündigung. In: Internationale Katholische Zeitschrift Communio. 2011 (2). S. 128.

[xi] Papst Leo XIII.: Rerum Novarum (RN). Enzyklika vom 15. Mai 1891. Deutscher Text nach: Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Deutschlands (Hg.): Texte zur katholischen Soziallehre. Kevelaer. 1992. RN 32. Alle weiteren Enzykliken, wenn nicht anders benannt, sind diesem Band entnommen.

[xii] RN 16.

[xiii] Vgl. Ebd.

[xiv] Vgl. RN 29 und RN 34.

[xv] RN 33.

[xvi] RN 34.

[xvii] RN 35.

[xviii] RN 9.

[xix] Nell-Breuning, Oswald von: Baulandbeschaffung und Bodenwertung. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft heute. Bd. 1. Freiburg. 1956. S. 344-358. Hier: S. 357.

[xx] Vgl. Papst Pius XI.: Quadragesimo Anno (QA). Enzyklika vom 15. Mai 1931. QA 53. Siehe auch QA 100 mit Verweis auf RN 15.

[xxi] QA 53.

[xxii] Vgl. QA 58 und QA 71

[xxiii] Vgl. QA 56-71.

[xxiv] Vgl. Rauscher, Anton: Subsidiaritätsprinzip und berufsständische Ordnung in „Quadragesimo anno“: eine Untersuchung zur Problematik ihres gegenseitigen Verhältnisses. Münster. 1958. S. 137.

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