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Die Politischen Stiftungen

Nach den Erfahrungen mit totalitärer Herrschaft in der nationalsozialistischenDiktatur, die eine politische Ideologisierung aller Lebensbereiche undsomit auch der Bildung zur Folge hatte, galt es in der Nachkriegszeit, dieBürger für freiheitlich-demokratische Politik (neu) zu interessieren und zuaktivieren. So entstanden in Deutschland ab den 1950er Jahren die parteinahenoder Politischen Stiftungen. Sie sind Ausdruck des politischenPluralismus in Deutschland und arbeiten im Sinne des Gedankenguts undauf demselben Wertefundament wie die ihr jeweils nahestehenden Parteien.

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Die »Summe« der Politischen Stiftungen bildet ein Spiegelbild der

gesellschaftlichen

und politischen Grundströmungen in Deutschland und

ergänzt die sehr vielfältige Trägerlandschaft für politische Bildung durch

eine in der Welt einmalige Konstruktion.

Auftrag der Politischen Stiftungen ist es, auf den Prinzipien der freiheitlichen

demokratischen Grundordnung aufbauend und sich den Grundsätzen

der Solidarität, Subsidiarität und gegenseitigen Toleranz verpf lichtet fühlend

zur Gestaltung der Zukunft unseres Gemeinwesens beizutragen. Das

geschieht vor allem mittels außerschulischer politischer Bildung. Ihre Aufgabe

war und ist es, Demokratie zu erklären, für sie zu werben, sie dadurch

dauerhaft zu festigen und ihre Akzeptanz zu fördern sowie die Anfälligkeit

für Ideologien und extremistisches Gedankengut abzubauen. Die Arbeit der

Politischen Stiftungen bewegte sich dabei immer im Spannungsfeld

zwischen

den Erwartungen der Parteien (Parteiakademie zur Professionalisierung

politisch Aktiver) und dem sich im Laufe der Zeit entwickelnden eigenen

Selbstverständnis, welches die Freiheit

der Bildung und die Offenheit

für alle politisch Interessierten als Leitmotiv einschließt. Heute ist Konsens,

dass »die Politischen Stiftungen (…) privatrechtliche

Organisationen

(sind),

die ihre Leistungen unabhängig und eigenverantwortlich

erbringen.«

Die Stiftungen unterscheiden sich in Organisation,

Aufbau und Zielen

nicht wesentlich; sie sind alle bundesweit und im Ausland tätig und verfügen

– zum Teil in unterschiedlicher

Dichte – auch über Strukturen in

den Bundesländern.

Die Politischen Stiftungen und die Parteien

In den ersten Jahren ihrer Tätigkeit

haben die Stiftungen ihre staatsbürgerliche

Bildungsarbeit

vor allem auf Schulungs-

und Bildungsangebote

für

Mitglieder und politischen Nachwuchs der ihnen nahestehenden Parteien

konzentriert. Die Arbeit der Politischen Stiftungen wurde zu dieser Zeit

zum Großteil aus Spenden der Wirtschaft bestritten.

Eine Reihe von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes

hat zur Klärung

der Aufgabenteilung zwischen Politischen Stiftungen und Parteien

geführt. So präzisierte ein Urteil aus dem Jahr 1958, dass die Beteiligung

an Wahlen und die notwendigen Wahlvorbereitungen eine der zentralen

Aufgaben von Parteien ist.6 Ein Bundesverfassungsgerichtsurteil

vom Juli

1966 verbot die Finanzierung politischer Bildungsmaßnahmen

der Parteien

aus öffentlichen

Mitteln, weil eine hinreichend sichere Abgrenzung

zwischen Wahlkampf und allgemeiner Parteiarbeit einerseits und der politischen

Bildungsarbeit

andererseits nicht gegeben gewesen sei. In Folge

dieses Urteils werden den Politischen Stiftungen seit 1967 aus dem Bundeshaushalt

sogenannte Globalmittel zur Finanzierung ihrer Arbeit bereitgestellt.

1986 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht

die Entscheidung

von 1966. Zur Begründung führte das Gericht an, dass die Stiftungen ihre

satzungsgemäßen

Aufgaben in hinreichender organisatorischer und personeller

Unabhängigkeit

von den ihnen nahestehenden Parteien erfüllen.

Außerdem verfolgten Parteien und Stiftungen verschiedene, voneinander

abgrenzbare Ziele. Die politische Bildungsarbeit

der Stiftungen habe sich

weitgehend verselbständigt und einen hohen Grad an Offenheit

gewonnen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

schrieb darüber hinaus Leitlinien

fest, die bis heute Richtschnur für die Arbeit der Politischen Stiftungen

sind. So müssen Stiftungen insbesondere in Wahlkampfzeiten in

besonderer Weise das sogenannte Distanzgebot zu den Parteien beachten.

Hochrangige aktive Parteifunktionäre

sollen nicht gleichzeitig ein herausgehobenes

Amt in Stiftungsorganen

innehaben. Zwischen den Stiftungen

und den ihnen nahestehenden Parteien besteht Parallelität der programmatischen,

weltanschaulichen

Grundausrichtung, nicht aber Identität der

Aufgaben.

1998 haben die Politischen Stiftungen in einer Gemeinsamen Erklärung

ihren Status, ihr Selbstverständnis, ihre Aufgaben sowie die Finanzierungsgrundlagen

definiert, mit denen sie zur Gestaltung der Zukunft des Landes

und des Gemeinwesens beitragen wollen sowie eine Selbstverpf lichtung

zu ihrem öffentlichen

Agieren.

In einer zweiten gemeinsamen Erklärung verständigten sich die Stiftungen

im Jahr 2011 auf die Grundlagen ihres bildungspolitischen

Auftrages, ihrer Bildungsziele

und Aufgabenfelder sowie der Herausforderung,

nachhaltig zu wirken und sich den modernen Erfordernissen nicht zu verschließen.

2 Tätigkeitsfelder der Politischen Stiftungen

Kern der Arbeit der Politischen Stiftungen ist, zur Festigung der Demokratie

mittels politischer Bildung beizutragen. Bundespräsident Roman Herzog

präzisierte dies: »Entscheidend ist die permanente und eigentliche

Aufgabe

der Politischen Stiftungen: die Erziehung zur Demokratie, das heißt nicht

nur belehren, sondern vormachen.« Der Radius des Wirkungskreises

und

die Instrumente zur Umsetzung dieses Auftrages der Stiftungen

haben sich

in den Jahrzehnten seit ihren Gründungen ausgeweitet:

Neben politischer

Bildungsarbeit

im In- und Ausland erarbeiten sie heute Grundlagen politischen

Wirkens und Handelns, fördern den Wissenstransfer

zwischen Wissenschaft,

Politik, Staat und Wirtschaft, fördern wissenschaftlichen

Nachwuchs

durch Stipendien und studienbegleitende Programme, erforschen

und dokumentieren die Geschichte der nahestehenden

politischen Grundströmung,

fördern Kunst und Kultur und tragen zum Aufbau demokratischer,

freiheitlicher

und rechtsstaatlicher

Strukturen im Ausland bei. Viele

der in diesen Arbeitsfeldern gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse

wirken dabei in die politische Bildungsarbeit

der Stiftungen zurück.

Die Finanzierung der Arbeit erfolgt zum weit größten Teil aus öffentlichen

Mitteln: durch Bund, Länder und EU. Die Stiftungen erhalten

keine Zuwendungen von den Parteien, sondern eine Globalförderung

durch das Bundesinnenministerium; dies sichert die Möglichkeit,

Strukturen

und Personal sowie politische Bildungsmaßnahmen

zu finanzieren.

Andere Ministerien (Auswärtiges Amt, BMZ, BMBF etc.) vergeben projekt-

und aufgabenbezogene Mittel mit klaren Verwendungsvorgaben.

Die Politischen Stiftungen haben sich (selbst)verpf lichtet, über die Verausgabung

der Mittel öffentlich

Rechenschaft abzulegen, unabhängige

Wirtschaftsprüfungsfirmen

zu beauftragen und werden regelmäßig durch

die mittelvergebenden Zuwendungsgeber,

Bundes- und Landesrechungshöfe

sowie das Bundesverwaltungsamt

und Landesbehörden geprüft.

3 Die politische Bildungsarbeit der Stiftungen

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts

von 1986 wird der Bildungsauftrag

folgendermaßen beschrieben: »Stiftungen sollen die Beschäftigung

der Bürger mit politischen Sachverhalten anregen und den Rahmen bieten

für eine – allen interessierten Bürgern zugängliche

– offene Diskussion

politischer Fragen. Dadurch wird das Interesse an einer aktiven Mitgestaltung

des gesellschaftlichen

und politischen Lebens und das dazu notwendige

Rüstzeug vermittelt.« Die Politischen Stiftungen haben daraus

für sich einen dauerhaften Auftrag abgleitet, demokratisches Bewusstsein

und politisches Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu fördern.

Denn damit Demokratie lebendig bleibt, muss sich jede Generation

neu

die demokratischen Werte aneignen und das nötige staatsbürgerliche

Wissen

erwerben. Die politische Bildungsarbeit

der Stiftungen zielt auf Wissensvermittlung,

Orientierung, Ermutigung und Befähigung zu zivilgesellschaftlichem

Engagement und politischem Handeln. Es gilt, die

Komplexität gesellschaftlicher

Zusammenhänge durch die Vermittlung

von Wissen, Theoriezusammenhängen und Deutungsmustern

verständlich

zu machen.

Politische Bildung ist – nach dem Verständnis der Politischen Stiftungen

Teil des lebensbegleitenden Lernens. Sie ist ein sozialer Prozess, ist Dialog,

Befähigung zur Demokratie, Einübung von Toleranz in der Auseinandersetzung

mit Andersdenkenden und vor allem Motivation

und Qualifizierung

zum politischen Engagement. Die Mündigkeit

der Bürgerinnen

und Bürger ist das Ziel, also ihre eigenständige politische Urteils- und

Handlungskompetenz.

Die Stiftungen sind überzeugt, dass über die individuelle beruf liche

Ausbildung

hinaus der Bürger politisch gebildet sein sollte und soziale

und gesellschaftspolitische Kompetenzen (zum Beispiel Medienkompetenz,

strategische Kompetenz, Wissensmanagement etc.) erlangen muss. In

Letzteren sehen sie eine wichtige Erweiterung der Palette ihrer Bildungsangebote

bei gleichzeitiger Offenheit

für weitere zukunftsfähige Themenfelder

und Formate.

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Herausgeber

Bundeszentrale für politische Bildung, erschienen in: Band 1449 "Politische Bildung in Deutschland"

erscheinungsort

Berlin Deutschland