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Migration in und aus Afrika: Konflikte als Fluchtursache eindämmen

Der folgende Beitrag bietet einen Einblick in die afrikanische Wahrnehmung der Flüchtlingsthematik und in die politischen Agenden der am meisten von der Flüchtlingsthematik betroffenen Staaten in Afrika. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Bereich Migration organisierte das Büro des UN-Sonderberichterstatters für Afrika (OSAA) ein zweitägiges hochrangiges Expertengespräch in Durban, Südafrika. Dieses bot eine Plattform für eine afrikanische Debatte über aktuelle konfliktbedingte Fluchtursachen, Trends und Herausforderungen.

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Das KAS-Länderbüro Südafrika wurde aufgrund der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ACCORD als einer der wenigen europäischen Vertreter zu der Konferenz eingeladen und konnte dadurch die europäische und deutsche Sichtweise in die Diskussion mit einbringen. Das Gespräch verdeutlichte, dass die aktuelle europäische Flüchtlingsproblematik in Afrika nicht entsprechend wahrgenommen wird und die Debatten innerhalb Afrikas unterschiedlich gegenüber der derzeitig in Europa dominierenden Debatte geführt werden. Dies ließ sich vor allem an drei Beobachtungen festmachen:

1. Zunehmende Ideologisierung der Debatte

Bei Repräsentanten einiger Staaten (u.a. Nigeria und Südafrika) wurde im Laufe der Debatte verstärkt auf Ideen des Panafrikanismus zurückgegriffen und hierbei Forderungen wie „no borders for migration“ mit Appellen an die wirtschaftlich besser dastehenden Länder in Europa sowie an Südafrika kombiniert, ihren Reichtum zu teilen. Diese unter dem Deckmantel des Humanitarismus geforderten Lösungen liegen vermutlich jedoch tiefer verwurzelten sozialistischen Denkmustern zugrunde, die in einigen Ländern Afrikas wieder zunehmend die Debatte beeinflussen. So wurde beispielsweise Europa vom Hohen Vertreter Nigerias bei den Vereinten Nationen aufgefordert, alle Grenzen für alle zukünftigen Migranten zu öffnen, sodass allen Afrikanern die Teilhabe am „Erfolgsmodell Europa“ ermöglicht werden könne. Leider verwies im Anschluss nur ein Vertreter eines westafrikanischen Landes auf die Positionierung des senegalesischen Präsidenten Macky Sall. Dieser erwähnte in seinem Eröffnungsstatement auf dem EU-Afrika Migrationsgipfel in Malta, dass es die Berufung aller afrikanischen Nationen sei, sich selbst zu entwickeln und nicht einfach Migranten nach Europa zu schicken. Auch wurden vereinzelt stark europakritische Töne (z.B. des nigerianischen Vertreters) während der Konferenz wahrgenommen.

2. Vorherrschen einer pragmatischen Kosten-Nutzen-Abwägung

Die ökonomischen Vorteile der Migration für viele afrikanische Staaten, vor allem durch die hohen Rücküberweisungen vieler Migranten an deren Familien, wird in der europäischen Diskussion zwar oft erwähnt, aber die Ausmaße dieser Abhängigkeit oftmals unterschätzt. Mehrere afrikanische Vertreter ließen keinen Zweifel daran, dass Migration nach Europa allein schon wegen der Geldrückflüsse in die Heimat notwendig sei. Der Vertreter Malis erwähnte diesbezüglich, dass in seinem Land die Einnahmen durch die malische Diaspora insgesamt 11% des BIP ausmachen würden und Mali hierauf nicht verzichten könne. Gesamtafrikanisch liegt der Durchschnitt bei immerhin 3% des BIP. Nicht nur hieran lässt sich die zurückhaltende Positionierung afrikanischer Staaten bezüglich der von Europa geforderten Rückführungspolitik von Migranten erklären. Zudem, so Konferenzteilnehmer, böte oftmals der nationale Arbeitsmarkt wenig Perspektiven vor allem für jugendliche Migranten, wodurch Migration den Arbeitsmarkt zumindest teilweise entlasten würde. Die jungen Menschen sodann am Aufbruch zu hindern, so hieß es von mehreren Experten auf der Konferenz, würde zu noch mehr Perspektivlosigkeit und Frust im eigenen Land führen. Migration kann somit also auch als ein genehmes Ventil für korrupte Regime gesehen werden, um den Druck der Straße zu lindern. Insgesamt erscheint es, dass die Debatte auf eine etwas kurzsichtige, auf Eigennutz ausgerichtete Einstellung mancher Länder fußte.

3. Demokratie als Allheilmittel zur Lösung des Problems?

Mit der Aufnahme dieser Frage in das Prozedere der Konferenz wurde eine kritische Diskussion über das gegenwärtige Demokratiemodell als Grund gegenwärtiger Fluchtursachen in Afrika aufgeworfen. Eine solche Diskussion wäre zurzeit in Europa undenkbar. Es wurde teilweise sogar die Frage in den Raum geworfen, ob Demokratie nicht sogar als Auslöser mancher Fluchtbewegungen auszumachen sei. Begründet wurde diese Ansicht damit, dass nicht mehr alle Bürger an das Versprechen der Demokratie nach freiheitlicher Entfaltung, wirtschaftlichem Aufstieg und sozialer Absicherung glauben würden. Mittlerweile seien „alle Länder Afrikas Demokratien, die Menschen würden aber zunehmend die Frage stellen, ob eine Demokratie ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und Wohlstand noch befriedigen könne“. Die Frage nach Freiheit sowie unbestimmter Lebensweise wurde hier erst gar nicht gestellt bzw. verteidigt. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde von einigen Teilnehmern lediglich entgegnet, dass Demokratie auch auf der lokalen Ebene erst ankommen müsse. Insgesamt einigten sich die Vertreter einiger Länder, dass es eines „fresh thinking for democracy“ bedürfe, das im weiteren Verlauf der Debatte jedoch nicht weiter erörtert wurde.

Klar benannt wurden auf der Konferenz zwei Zukunftsthemen, die nach Ansicht der Konferenzteilnehmer die weitere Debatte mittel- und langfristig prägen werden. Dies sei zum einen der Klimawandel und die damit einhergehende Zunahme von Klimaflüchtlingen (Thema: Nahrungsmittelsicherheit) und zum anderen die „tickende Zeitbombe“ Jugend. In Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels rechnen Experten mittlerweile mit ca. 200 Millionen Klimaflüchtlingen weltweit , ein großer Anteil derer wird vor allem aufgrund zunehmender Dürren und des demografischen Wandels auf den afrikanischen Kontinent entfallen. In Bezug auf das zweite Zukunftsthema der Jugend wurde auf Vorschlag des zuständigen Jugendministers aus Burkina Faso ein „Marshallplan Youth“ gefordert, was große Zustimmung unter den Teilnehmern fand.

Als Hauptursachen von Migration in Afrika machten die Konferenzteilnehmer Konflikte und unsichere Zustände aus. Hierbei wurde in der Folgediskussion deutlich zwischen kontinentaler Binnenmigration und Migration nach Übersee (v.a. Europa) unterschieden. Zwar befinde sich derzeit der Großteil der afrikanischen Migranten noch auf Flucht innerhalb Afrikas, dies könne sich aber in Zukunft schnell ändern, falls mehrere Länder politisch instabiler werden. Als Gründe für die zunehmenden Migrationsströme auch in Richtung Europa wurden vor allem die zunehmende Gefahr von Terror, Fundamentalismus und Krieg genannt. Laut Vertretern der Weltbank müsse in Zukunft der Fokus stärker auf Prävention, statt wie zuletzt auf Reaktion liegen. Weiterhin erwähnten Vertreter von Weltbank und AU, wie komplex die Beziehung zwischen Flüchtlingsströmen und Entwicklung sei. Die angesprochenen Rücküberweisungen, der „brain drain“ bzw. „brain gain“ sowie der Einfluss der Migranten auf die Sozialstruktur der Gastländer seien nur einige der abzuwägenden Einflüsse. Die von der AU beschlossene Agenda 2063 mit ihrem ersten 10-Jahres Implementierungsplan sowie die von der UN verabschiedete SDG-Agenda würden hier ansetzen und die Notwendigkeit von Frieden und Sicherheit für nachhaltige Entwicklung betonen. Beide Agenden würden den Fokus auf das Vorhandensein von inklusiven, friedlichen und sicheren Gesellschaften als Vorbedingung für eine Entwicklung legen, bei der der Mensch im Fokus steht. Diese Forderungen seien der Schlüssel um die strukturellen Ursachen von Migration zu beseitigen. Zuletzt seien jedoch vergleichbare Agenden oder Zeitpläne meist an Problemen bei der Implementierung gescheitert, deshalb solle in Zukunft verstärkt auf diesen Bereich fokussiert werden.

Fazit

Zwischen der EU und Afrika wurden nicht erst seit des Migrationsgipfels von Malta, sondern schon seit 2007 Abkommen und Prozesse vereinbart, um gemeinsam effektivere Lösungen in der Flüchtlingsfrage zu finden (Stichwort: „Marokko-Prozess“ bzw. „Sudan-Prozess“). Alle Prozesse werden jedoch dominiert von unterschiedlichen Auffassungen und Wahrnehmungen in der Flüchtlingsthematik. Diese Unterschiede existieren nicht nur zwischen den beiden Kontinenten, sondern auch zwischen afrikanischen Herkunfts- und Aufnahmeländern. So wurde z.B. Südafrika von anderen afrikanischen Ländern während der Konferenz aufgefordert, solidarisch vorzugehen und alle Grenzen für afrikanische Flüchtlinge im Rahmen eines Panafrikanismus zu öffnen.

Die Veranstaltung in Durban hat insgesamt interessante Einblicke gegeben, die Gründe dieser Unterschiedlichkeiten in der europäischen und afrikanischen Diskussion besser zu verstehen. Die Ergebnisse der Konferenz sollen zunächst maßgeblich in den Bericht des UN-Untergeneralsekretärs zu „Causes of Conflict and the Promotion of Durable Peace and Sustainable Development in Africa“ einfließen. Zudem sollen Kooperationen und Partnerschaften sowohl zwischen den betroffenen afrikanischen Ländern als auch mit der EU proaktiv gefördert werden. Die während der Konferenz angesprochenen Themen Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht von Regierungen sowie aktive Zivilgesellschaft sind Arbeitsfelder, die im Rahmen der Auslandsarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgenommen werden.

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Henning Suhr

Henning Suhr bild

Leiter der Abteilung Inlandsprogramme

henning.suhr@kas.de +49 30 26996-1013
+27 (11) 214 2900-201
Der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und UN-Special Adviser on Africa, Mr. Maged Abdelaziz, eröffnet die Konferenz. Eigene Aufnahme
Gruppenfoto aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer Eigene Aufnahme
Der Jugendminister Burkina Fasos fordert einen "Marshallplan Youth" für Afrika. Eigene Aufnahme
Eric Apelgren, Head of International and Governance Relations in eThekwini Municipality/Durban, referiert über die rassistischen Ausschreitungen gegenüber Flüchtlingen in Durban Mitte 2015. Eigene Aufnahme

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