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Politik und Sprache

Die Politiker waren es!?

Die gesellschaftlichen Eliten haben sich von der Wirklichkeit der Bevölkerung entfernt. Sie haben den Kontakt verloren und verstehen das Volk nicht mehr, dessen Bestes sie doch wollen. Davon profitieren die Medien, was ihnen auf Dauer schadet.

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Sprache kann uns vor lauter Lachen zu Tränen rühren, sie kann uns aber auch traurig oder wütend machen. Sie kann uns motivieren, aktiv zu werden, oder in Passivität zu verfallen. Das hängt ganz davon ab, ob die Worte unsere Wirklichkeit treffen oder nicht. Der Sänger und Lyriker Leonard Cohen berührte die Emotionen seiner Zuhörer, ebenso wie die Literaturnobelpreisträger Bob Dylan oder Herta Müller.

Was aber wäre Sprache ohne Zuhörer? Eine Luftschwingung in den unendlichen Weiten des Kosmos? Was mag die amerikanische Flugpionierin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart, die auf einer einsamen Insel im pazifischen Ozean verschollen ist, noch gedacht oder gesprochen haben, bevor sie starb? Wir wissen es nicht! Sprechen ohne Zuhörer ist sinnlos, Sprache ohne Resonanzraum leer.

Der Tabubruch - Eine Entgegnung von Georg Diez, Autor und Journalist

Meine Sprache ist also niemals nur meine Welt oder die Welt schlechthin, sondern unsere Welt. Indem wir uns über die alltäglichen Dinge unterhalten, bewerten und gewichten wir sie und bilden so gemeinsam Sinn aus. Gesellschaftliche Diskurse führen zu Narrationen, die in Übereinstimmung mit den Fakten der Wirklichkeit für uns sinnvoll sind. Im gesellschaftlichen Dauergespräch bilden wir so eine gemeinsame Haltung aus, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und die Zukunft konstruktiv gestalten zu können. Wenn Sprache und Welt nicht mehr aufeinanderpassen, kommt es zur Verstimmung und Eskalation.

Guter Journalismus unterscheidet zwischen dem Referieren der Fakten und deren Interpretation, denn jede Rede enthält informative und performative Anteile. Letztere machen die Intention, die mit dem Statement verfolgt wird, sichtbar. Sie bezeugen die Sprechhaltung des Schreibenden. Wenn diese in die Erwartungen der Zuhörer passt, erzeugen sie Zustimmung, sonst Ablehnung. Populistisches Reden ist also der Versuch des beständigen Austarierens der Sprechhaltung des Volkes, ist ein Taxieren seiner Narrationen, ein Anschmiegen an die vermutete Haltung der Bürger und der aktive Versuch ihrer Manipulation. Populisten verstehen sich als Volksvertreter, ohne Repräsentanten des Volkes zu sein, bauen auf Ängste, die die aktuelle Politik den Bürgern nicht genommen hat. Für den Politikwissenschaftler Guillermo Aveledo Coll sind die Linkspopulisten Lateinamerikas Profiteure, die die Schwachstellen im politischen System nutzen. Sie tauchen auf, wenn der Maschinenraum der Demokratie schlecht gewartet ist. Man sollte also Populisten nicht ihr Geschäft vorwerfen, sondern versuchen, ihnen den Resonanzraum zu nehmen. Für die Demokratie sind wir alle verantwortlich.

Gesellschaften sind keine bloßen Echokammern, die die eigene Meinung reflektieren, ganz nach dem Motto. „Wie es in den Wald hineinruft, so ruft es wieder heraus!“ Nein, sie gleichen eher Resonanzräumen, die kleinste Schwingungen so weit verstärken, dass sie bis zum Einsturz von Brücken führen, oder die wie eine Tsunamiwelle über ganze Landstriche hinwegfegt und alles unter sich begraben kann. Besonders sichtbar wird dieses Aufbauschen der Meinungen und das Aufbäumen des Halbwissens gegenwärtig in sozialen Netzwerken, die kein Wirklichkeitskorrektiv besitzen. Waren denn den Briten die Folgen des Brexit bewusst? Der Wert und die Friedfertigkeit der Europäischen Union bestehen doch in ihrer Einheit und Einigkeit und nicht in Spaltung und Separierung. Für die Einheit aber braucht es Kräfte, die sie immer wieder herstellen. Haben wir wirklich alle Energie dafür aufgewendet, die Gemeinschaft zu erhalten? Mitnichten souffliert die Politik den Medien. Für die Inhalte sind diese schon selbst verantwortlich. Niemand hat z.B. die Zeitschrift „Stern“ genötigt, die Dresdner Semperoper auf ihrem Titelcover in brennenden Farben darzustellen und in dem dazugehörigen Artikel Fakten auf unzulässige Art und Weise zu verdichten. Das war nicht mehr bloße Berichterstattung über die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Rechtsextremismus in Sachsen, das war Spaltung. Es ging nicht mehr um eine medienkritische Begleitung und um das Ringen um Einheit und Friedfertigkeit.

Ein Funken macht noch kein Feuer. Dazu bedarf es vieler Zutaten, des Brennmaterials, jemanden, der es aufschichtet, des Sauerstoffs und des Funkens zum Anzünden. Populistisches Reden allein bringt nicht die Demokratie zum Brennen. Wenn sie aber brennt, braucht es Leute, die die Gefahr erkennen, Verantwortung übernehmen und das Feuer wieder löschen, statt Öl hineinzugießen.

Ist es nicht populistisch, wenn Politikern immer wieder ihr Versagen vorgeworfen wird, man sich selbst aber über die Gesellschaft stellt und glaubt, nichts mit den Entwicklungen zu tun zu haben? Muss man nicht davon ausgehen, dass, wer sich in den Dienst des Bonum Commune stellt, versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, und gerade nicht auf seine eigenen Vorteile bedacht ist?

Und ist es nicht auch populistisch, wenn man wider besseres Wissens die Verantwortung eines Politikers mit der eines Bürgers vertauscht? Aufgabe der Politik ist es, sich um die Zukunftsfestigkeit unseres Landes, unserer Städte und Dörfer kümmern. Dabei treffen Politiker strukturpolitische Entscheidungen und handeln Kompromisse aus. Bezüglich der Zuwanderung betrifft dies die Ausarbeitung klarer Regeln. Aufgabe des Einzelnen hingegen ist es, sein Gegenüber als Menschen und Mitbürger zu achten, Empathie auszubilden und ihn solidarisch zu unterstützen. Es ist nicht Aufgabe des Einzelnen über die Rechtmäßigkeit der Aufenthalte von Bedürftigen und Verfolgten in Deutschland zu entscheiden. Wir benötigen ein Klima des Miteinanders und gesellschaftlichen Zusammenhalts, um Zukunftsaufgaben gemeinsam lösen zu können. Wir sind dafür verantwortlich, die Gefahren der Demokratie zu erkennen und zu beheben.

Bemüht sich die bürgerliche Mitte vergebens um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn sie vor dem Auseinanderdriften der Gesellschaft nach links und rechts warnt? Wird sie dafür nicht wie Kierkegaards Clown ausgelacht? Ein Reisezirkus war in Brand geraten. Der Clown, der sich schon für die Aufführung vorbereitet hatte, eilte ins Dorf, um Hilfe zu holen und zu warnen, dass das Feuer auch auf das Dorf übergreifen könne. Aber die Bauern hielten sein Bemühen für einen ausgezeichneten Werbetrick, um in die Vorstellung zu kommen. Sie applaudierten ihm, lachten Tränen, folgten ihm aber nicht. Dem Clown standen die Tränen in den Augen, er versuchte vergebens klar zu machen, dass dies keine Vorstellung sei, sondern bitterer Ernst. Aber je mehr er sich bemühte, desto mehr steigerte sich das Gelächter, bis schließlich das Feuer Dorf und Zirkus gleichermaßen verschlang.

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Berlin Deutschland