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Einzeltitel

Politische Bildung in Afrika

von Elke Erlecke, Maria Zandt

Der Beitrag der politischen Stiftungen zur Demokratieförderung

Politische Stiftungen stellen in Afrika einen wesentlichen Bestandteil der deutschen Entwicklungszusammenarbeitund westlichen Außenpolitik dar. Sie unterstützen durch politische Zusammenarbeit und Bildung die demokratische Transformation undKonsolidierung nicht nur in Nordafrika, sondern in vielen Staaten südlich der Sahara. Externe Demokratieförderungorientiert sich an internationalen Leitlinien und nationalen Interessen. Sie folgt dem Grundsatz „Keine Demokratie ohne Demokraten“und richtet daran ihre nach Nachhaltigkeit strebende Etablierung von demokratischen Eliten aus.

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Von Südafrika bis Tunesien – ein Abriss der Demokratieentwicklung in Afrika

Das Afrikabild in der Öffentlichkeit ist vielerorts

von Bildern von Armut, Krieg und Elend geprägt.

Afrika gilt in den Augen vieler immer noch als ein

Kontinent, der von Diktatoren regiert und von blutigen

ethnischen Auseinandersetzungen dominiert

ist. Dennoch hat sich seit den Unabhängigkeitserklärungen

der afrikanischen Staaten Anfang der

60er Jahre vieles geändert. Obwohl die meisten

afrikanischen Staaten demokratische Fortschritte gemacht haben, weist die Demokratieentwicklung

erhebliche Unterschiede zwischen den Staaten des

Kontinents auf. Während Länder wie Mauritius

und Botswana seit ihrer Unabhängigkeit als Demokratien

gelten können, hat in den meisten afrikanischen

Ländern erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs

ein Demokratisierungsprozess eingesetzt.

Parallel zu den Geschehnissen auf dem europäischen

Kontinent führten die desaströse wirtschaftliche

Lage und die Folgen der Strukturanpassungsprogramme

Ende der achtziger Jahre zu

vermehrten Protesten, die nach und nach auch mit

politischen Forderungen verbunden waren. Die

„afrikanische Perestroika“ forderte in vielen afrikanischen

Staaten ein Ende der autoritären Herrschaftsführung

und demokratische Reformen. Das

Ende der Apartheid in Südafrika 1990 wurde zum

Symbol des demokratischen Transformationsprozesses

in Afrika. Doch während in Benin Präsident

Kérékou in eine Nationalkonferenz und eine Übergangsregierung

einwilligte, waren die Zugeständnisse

in anderen Staaten geringer. Dennoch stand –

Malawi und Sudan ausgenommen – eine demokratische

Transition in allen afrikanischen Staaten

zumindest zur Debatte, nicht alle haben sie allerdings

vollzogen.

Die Demokratieentwicklung in Afrika ist noch jung

und bedarf dementsprechend in vielen Staaten

einer Konsolidierung. Viele der vermeintlichen

Demokratien sind lediglich

elektorale Demokratien,

die zwar regelmäßig

Wahlen durchführen, diese

aber nur dazu dienen,

die herrschende Partei

oder herrschende Präsidenten

im Amt zu bestätigen.

Laut dem Freiheitsindex

von Freedom House ist die Zahl der freien

Demokratien zwischen 1990 bis 2011 von vier auf

neun der 52 afrikanischen Staaten gestiegen, während

die Zahl der teilweise freien Staaten von 15

auf 23 stieg und 1990 28 Staaten im Gegensatz zu

20 Staaten im Jahr 2011 unfrei waren. Zu den Demokratien

zählen Benin, Botswana, Ghana, Kap Verde, Mali, Mauritius, Namibia, São Tomé und Príncipe

und Südafrika.2 Dennoch: vorbildhafte Demokratien

gibt es in Afrika bislang nicht. Die wenigen

Demokratien zeichnen sich vielmehr durch politischen

Elitismus und ein hohes Maß an sozialer

Ungerechtigkeit aus.

Während zur Jahrtausendwende der Optimismus

der 90er Jahre durch stagnierende Demokratisierungsprozesse

und Rückfälle in blutige Kriege, wie

in Rwanda, der Demokratischen Republik Kongo,

Liberia und Sierra Leone, nachgelassen hatte,

scheinen die Ereignisse in Nordafrika Anfang 2011

uns eines Besseren zu belehren. Die Jasmin-Revolution

in Tunesien und die Flucht des tunesischen

Staatsoberhaupts Zine el-Abidine Ben Ali haben

eine neue Welle von Demokratiebewegungen in

Nordafrika und im Nahen Osten losgetreten. Die

autoritären Regime, die vorher als undurchdringbar

und fest verankert galten, wurden entweder

wie in Tunesien und Ägypten von den Demonstranten

der Straße vertrieben, oder wie in anderen

Staaten der Region doch zumindest in ihren Fugen

schwer erschüttert. Mit der Nutzung moderner

Kommunikationsmittel

und sozialen Netzwerken

haben die Demokratiebewegungen

in

Nordafrika und dem Nahen

Osten eine neue Dimension

erreicht. Der

Ausgang dieser epochalen

Umwälzungen ist

allerdings noch nicht abzusehen,

und es wird

abzuwarten bleiben, wo sie erfolgreich sein werden,

und wo die derzeitigen Herrscher die Oberhand

behalten werden. Auch ist Vorsicht geboten,

denn wie die Erfahrung anderer afrikanischer Staaten

zeigt, kann der Demokratisierungsprozess

auch schnell ins Stocken geraten und autoritäre

oder extremistische Kräfte können erneut die

Oberhand gewinnen.

Externe Demokratieförderung – ohne Good Governance keine Entwicklung

Der Transformationsprozess der 90er Jahre führte

bei den internationalen Gebern zu einer verstärkten

Auseinandersetzung mit dem Thema Demokratieförderung

und Good Governance. War man

doch optimistisch, dass mit den eingeleiteten politischen

Transformationsprozessen Demokratie und

eine freie Marktordnung triumphieren würden.

Ohne Gute Regierungsführung keine Entwicklung,

so die These. Ohne den Aufbau rechtsstaatlicher

Strukturen und demokratisch legitimierter Institutionen,

ohne die Partizipation der Bevölkerung

und effektive Ausübung der Kontrollfunktion des

Parlaments ist eine nachhaltige Entwicklung nicht

möglich. Deren Aufbau zu unterstützen ist Aufgabe

externer Demokratieförderung.

Eines steht allerdings fest:

die Festigung der Demokratie

muss von innen

kommen. Ohne den politischen

Willen der Partnerregierungen,

Eigenverantwortung

zu übernehmen

und notwendige

Reformen durchzuführen,

wird die externe Demokratieförderung nicht von

Erfolg gekrönt sein. Der entscheidende Wandel

muss von innen kommen und kann von der internationalen

Gemeinschaft lediglich unterstützt,

aber nicht erzwungen werden.

Dennoch können internationale Geber den Demokratisierungsprozess

fördern. Im Vordergrund stehen

dabei die Unterstützung beim Aufbau demokratischer

Strukturen, unabhängiger Rechtsprechung,

bei einem funktionierenden Mehrparteiensystem

und einer aktiven Bürgergesellschaft. Hierbei gilt

es besonders die Führungseliten entsprechend

weiterzubilden, seien es Vertreter der politischen

Parteien, der Parlamente, der Regierungen oder

der Gerichte. Sie können dazu beitragen, demokratische

institutionelle Strukturen aufzubauen

und Rechtsstaatlichkeit zu schaffen. Eine Demokratie

lebt aber nicht nur von ihren Institutionen und

politischen Eliten, sondern auch von einer effektiven

Partizipation und Kontrolle der Zivilgesellschaft.

Hier gilt es sowohl Nichtregierungsorganisationen

als auch die Medien zu stärken.

Zunehmend verbreitet sich auch die Erkenntnis,

dass nicht nur einzelne Institutionen und Akteure

unterstützt werden müssen, sondern besonders

der politische Dialog zwischen der politischen und

der zivilgesellschaftlichen Sphäre gefördert werden

muss. Strategien der Armutsbekämpfung können

nur nachhaltig sein, wenn von Anfang an alle

Akteure einbezogen sind und es bei ihrer Umsetzung

kontinuierliche Kontrollmechanismen durch

die Parlamente, Gerichte, die Zivilgesellschaft und

die Medien gibt.

Externe Demokratieförderung

darf dabei aber

nicht in die Versuchung

geraten, festgeschriebene

Demokratiemodelle

zu vermarkten. Vielmehr

geht es darum, universelle Werte von Freiheit,

Transparenz, Rechtssicherheit und Respekt vor

politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten

zu vermitteln. Demokratieförderung sollte dabei

als Querschnittsaufgabe in der Entwicklungszusammenarbeit,

zum Beispiel bei der Unterstützung

des Aufbaus von funktionierenden Bildungsund

Gesundheitssystemen oder Infrastrukturmaßnahmen,

verstanden werden.

Die Rolle der politischen Stiftungen in der Demokratieförderung

Die deutschen politischen Stiftungen gehören zu den

ältesten und erfahrensten Akteuren im Bereich der

internationalen Demokratieförderung. Sie komplettieren

damit die offizielle Entwicklungszusammenarbeit.

Im Gegensatz zu dem erst in den 90er

Jahren wachsenden Interesse der internationalen

Geber an Demokratieförderung blicken die deutschen

Stiftungen auf nahezu 50 Jahre Erfahrung in

diesem Bereich zurück. Die beiden großen politischen

Stiftungen, die Friedrich-Ebert-Stiftung und

die Konrad-Adenauer-Stiftung, sind bereits seit den

60er Jahren neben ihren Aktivitäten in Deutschland

auch im Bereich der internationalen Demokratieförderung tätig. Die Unterstützung von politischen

Transformationsprozessen und der Konsolidierung

repräsentativer Demokratien und rechtsstaatlichen

Prinzipien konzentrierte sich in den frühen Jahren

besonders auf Lateinamerika und weitete sich dann

sukzessive auf die anderen Kontinente aus. Die

Konrad-Adenauer-Stiftung ist heute mit 80 Büros

in über 100 Ländern rund um die Welt aktiv. Neben

den deutschen Stiftungen ist eine Vielzahl anderer

internationaler politischer Stiftungen, wie zum

Beispiel das amerikanische National Democratic

Institute oder das niederländische Institute for

Multiparty Democracy, im Bereich Demokratieund

Parteienförderung aktiv.

Schwerpunkt der Stiftungsarbeit im demokratischen

Transformationsprozess ist die Fortbildung von

politischen und gesellschaftlichen

Führungseliten

und die Unterstützung

beim Aufbau

demokratischer Strukturen.

Dabei arbeiten

die Stiftungen schwerpunktmäßig

auf der

Basis einer werteorientierten

Partnerschaft mit

Parteien, aber auch mit

Parlamenten, Organisationen

der Zivilgesellschaft und den Medien

zusammen. Durch ihre relative Unabhängigkeit

von Regierungsverhandlungen mit den Partnerländern

können die politischen Stiftungen neben

den staatlichen Autoritäten

auch mit Oppositionsparteien,

zivilgesellschaftlichen

Gruppen und kritischen

Medien kooperieren. Dieses

Alleinstellungsmerkmal

ermöglicht es ihnen, prodemokratische

Strömungen

auch in autoritären und

sensiblen politischen Rahmenbedingungen

bereits

an der Wurzel zu fördern.

Durch ihre langjährige Tätigkeit

pflegen die politischen

Stiftungen in vielen

Ländern über Jahrzehnte

gewachsene enge Verbindungen

zu ihren Partnern

und können sich so auf ein

solides Netzwerk politischer

und gesellschaftlicher

Kräfte stützen. Das dadurch Aufgaentstandene

Vertrauensverhältnis ermöglicht es den

Stiftungen, auch in politisch schwierigen Situationen

den politischen Dialog aufrechtzuerhalten,

besonders wenn sich bilaterale Geber zurückziehen

müssen.

Die Umwälzungen in der arabischen Welt zeigen,

dass sich der langjährige Einsatz dort gelohnt hat.

So können sich die Stiftungen auf die jahrelang

gepflegten Kontakte zu oppositionellen Gruppen

stützen und daran nun gezielt anknüpfen. Allerdings

zeigt sich hier auch das Dilemma der klaren

Identifikation von pro-demokratischen Kräften.

Die ideologische Verortung der neuen politischen

Kräfte lässt sich noch längst nicht ausmachen. Dies

ist nicht nur eine Herausforderung für die Stiftungen

in Nordafrika, sondern in Afrika generell.

Angesichts von strukturell und programmatisch

schwachen Parteiensystemen gibt es oftmals keine

direkten ideologisch und wertegleichen Schwesterparteien

für die Stiftungen. Hier gilt es zunächst

breiter angelegt reformwillige politische und gesellschaftliche

Kräfte weiterzubilden und besonders

den politischen Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft

zu fördern.

Politische Bildung in Afrika: Ansätze der Konrad-Adenauer-Stiftung in Westafrika

Den Bürgern Wissen über Politik und Wirtschaft zu

vermitteln, sie als Mitglieder der Zivilgesellschaft

zu (politischem) Engagement zu motivieren – dies

ist der kleinste gemeinsame Nenner aller politischen

Bildungsmaßnahmen. Im afrikanischen Umfeld treten

Bedingungen und Hindernisse, Fortschritte

und Erfolge politischer

Bildung mit besonderer

Schärfe hervor. Politische

Bildung findet hier

im Kontext politischer

Zusammenarbeit statt.

Ziel ist die Kooperation

auf Augenhöhe mit den

Partnern vor Ort, die Verantwortung für ihr politisches

Handeln übernehmen und souverän über das

Schicksal ihres Landes bestimmen. Gemeinsame

Interessen und Werte bestimmen Ausmaß, Methoden

und Zielsetzungen der politischen Bildungsmaßnahmen.

Beispielhaft soll dies im Folgenden

an Hand des Regionalprojektes Politischer Dialog Westafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung

(KAS) gezeigt werden.

Im Jahr 2012 werden es zwanzig Jahre her sein,

dass die Konrad-Adenauer-Stiftung für die Staaten

Benin, Togo, Côte d’Ivoire, Burkina Faso, Niger und

Mali ein Programm auflegte, das sich nach mehreren

Umstrukturierungen heute drei Hauptziele

setzt: Zusammenarbeit mit Parteien und Parlamenten,

Sicherheitsdialog in der Region, Dialog über

Soziale Marktwirtschaft. Grundsätzlich hatte und

hat die Arbeit zum Ziel, mit Eliten zusammenzuarbeiten

und langfristig Strukturen zu ändern.

Stabil statt labil: Eliten fördern – Strukturen verändern

In den Jahren nach den demokratischen Revolutionen

von 1990 kam es zunächst darauf an, in einer

Region von der Größe Westeuropas die Zivilgesellschaft

aufzubauen und damit Nichtregierungsorganisationen

(NGOs) eine verstärkte Rolle im

Dialog mit der Politik zu geben. Ein Beispiel: der

dreijährige Ausbildungslehrgang Contrôle Social.

Sechs Generationen lang bildete die Konrad-Adenauer-

Stiftung junge Freiwillige zivilgesellschaftlicher

Organisationen in einer dreijährigen Ausbildung

aus. Sie kommen aus NGOs, die in den

Bereichen Demokratieförderung und Menschenrechtsschutz

arbeiten. Am Ende des Lehrgangs sind

sie Animateure der Erwachsenenbildung, das heißt,

sie werden ihr Wissen an die Bevölkerung als Multiplikatoren

weitergeben. Die langjährige Zusammenarbeit

mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zielte

langfristig auf deren selbständiges Agieren ab.

Schulungen in Projektmanagement und -förderung

machten die zivilgesellschaftlichen Gruppen wettbewerbsfähig

auf dem freien Markt. Sie sind nunmehr

fähig, Projekte in Eigeninitiative zu akquirieren,

sie definieren Zielsetzungen und entwerfen

Projekte für demokratisches Lobbying.

Zivilgesellschaft aufbauen heißt auch Wissen für

die Bevölkerung bereitstellen. Studenten aus der

Programmregion stehen zum Beispiel Studiengänge

am UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte an

der Universität Cotonou offen, der 1995 gegründet

wurde, um die demokratische Entwicklung in Benin

und in der Region zu unterstützen. Daneben wendet

sich der Lehrstuhl mit Seminaren und Konferenzen

an die interessierte Öffentlichkeit.

Parteien in Afrika erfüllen ihre Rolle, die ihnen

eigentlich in der Demokratie zugedacht ist, nur

unvollständig. Politischen Parteien kommt in einer

Demokratie die Aufgabe zu, gesellschaftliche

Interessen zu vertreten, sich selbst für diese Aufgaben zu organisieren und programmatisch aufzustellen

sowie Personal für politische Führungsaufgaben

eines Staates bereitzustellen. Alles dies

geschieht in einem ständigen Wettbewerb der

verschiedenen politischen Anbieter. Afrikanische

Parteien haben in der

Regel einen weiten Weg

vor sich, um diesem Bild

zu entsprechen. Strukturelle

Schwächen, wie

fehlende Finanzierungsquellen,

Konzentration

auf wenige Führungspersönlichkeiten

und eine

unzulängliche Innenund

Außenkommunikation,

verbinden sich mit

mangelnder Programmatik.

Junge Politiker haben

große Schwierigkeiten, angesichts des herrschenden

Anciennitätsprinzips Führungs- und Entscheidungspositionen

innerhalb der Parteien zu erhalten,

bei Frauen kommt der Kampf gegen das

Patriarchat hinzu. Entsprechend agiert politische

Bildung im Parteienbereich: Coaching von Einzelpersönlichkeiten,

Aufbauhilfe für Parteistruktur

und -organisation, Vermittlung von Inhalten und Methoden, die sich mit Leadership verbinden, sowie

Argumentations- und Programmtrainings erhöhen

die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Parteien.

Das Mandat als Mission verstehen: Zusammenarbeit mit Parlamenten

Parlamente sind Ausdruck der Volkssouveränität.

Ihre Abgeordneten sind eine der Hauptzielgruppen

der politischen Bildungsarbeit des Regionalprogramms

in Westafrika. In den (semi-)präsidentiellen

Regierungssystemen des Projektgebietes

vermittelt die KAS den Parlamentariern Kenntnisse

über Haushaltsrecht, über den Gesetzgebungsprozess

sowie über ihre Funktion, die Exekutive zu

kontrollieren. In der Praxis sieht dies zum Beispiel

im Sahelstaat Niger so aus: Nach der Parlamentswahl

Anfang 2011, die die Rückkehr von der Militärjunta

zur Demokratie einleitete, waren 80 %

der Abgeordneten neu gewählt. Weniger als ein

Viertel konnte Erfahrungen in der parlamentarischen

Arbeit vorweisen. In diesem Fall konnte das

Regionalprogramm direkt mit der Schulung der

Parlamentarier beginnen, da der Chef der Militärjunta

die Konrad-Adenauer-Stiftung nach den

Wahlen bereits um Unterstützung gebeten hatte.

Ein seltener Glücksfall – im Niger hatte das Militär

seine Verantwortung für stabile staatliche Strukturen ernst genommen. Weniger positiv waren die

Ausgangsvoraussetzungen für die Schulung: Die

Mehrzahl der neuen Abgeordneten hatte weder

ein klares Bild von ihren Aufgaben noch von der

Rolle von Fraktionen oder Ausschüssen. Was die

Tätigkeiten eines Parlamentariers ausmacht, war

unklar. Was zu seiner Rolle bei Gesetzgebung und

Regierungskontrolle gehört, ist nicht bekannt. Die

Folge für Methode und Inhalt der Schulung war

ein dichtes Informationsangebot mit genügend

Freiraum zu vertiefender Diskussion und Nachfragen,

um die politische Situation im eigenen Land

zu reflektieren. Die kognitive Ebene war aber nur

eine Seite der Medaille bei dieser Schulung. Immer

wieder wurde bei allen Diskussionen deutlich, dass

die alten Grabenkämpfe aus der Zeit des Militärputsches

im Jahr 2010 und aus den anschließend

heftig geführten Wahlkämpfen noch längst nicht

beigelegt waren. Der

endgültige Schritt zu einer

politischen Kultur,

die den Wechsel zwischen

Oppositions- und

Regierungsrolle als normal

akzeptiert, ist noch

lange nicht getan. Was

ebenfalls völlig fehlte:

das Bewusstsein für einen permanenten Dialog der

Gewählten mit ihren Wählern – auch außerhalb

von Wahlkampfzeiten. Erste Schritte in dieses

demokratische Neuland wurden getan: Die Abgeordneten

entwickelten nach dem Prinzip „Erfahrungen

teilen“ Überlegungen zu einem Parlamentarierhandbuch,

zu Besuchen der Bevölkerung im

Parlament sowie zur Einrichtung von Abgeordne tenbüros, die den Kontakt mit der Bevölkerung

verstetigen sollen.

Regionaler Sicherheitsdialog: Militär, Politik und Zivilgesellschaft

Militär und Sicherheitskräfte halten sich in Westafrika

in der Regel nicht an die in der Verfassung

verankerten Aufgaben wie dem Schutz der Außengrenzen

und der Bevölkerung. Das Parlament bzw.

die Regierung kontrollieren das Militär nur in den

seltensten Fällen. Dabei sind die Sicherheitskräfte

zumeist der einzig stabile

und berechenbare

Faktor eines Landes. Um

diesen auch zu einem

Faktor der Demokratie

zu machen, leitete die

Konrad-Adenauer-Stiftung in Westafrika daher

frühzeitig demokratische Bildungsmaßnahmen für

Sicherheitskräfte ein. Soldatinnen und Soldaten

lernen, dass sie „Bürger in Uniform“ sind und nicht

eine privilegierte Sondergliederung der Gesellschaft,

die ermächtigt ist, Menschenrechtsverletzungen

zu begehen und sich willkürlich jenseits

des Rechtsstaates zu begeben. Demokratische

Grundwerte und Spielregeln stehen im Zentrum

der Maßnahmen. Daneben treffen sich Angehörige

des Offizierskorps mit zivilen Politikern und tauschen

sich über generelle Fragestellungen der Demokratie

wie auch über aktuelle politische Fragen aus.

Dieser Dialog sorgt für Verständnis und Vertrauen

zwischen den beiden Gruppen.5 In innenpolitisch

instabilen Situationen, in Kriegs- oder Putschszenarien,

wie 2010 im Niger oder in der Elfenbeinküste,

können solche langjährig durchgeführten Maßnahmen

einen wichtigen Beitrag dazu leisten, um die Stabilität in der Region

wieder zu etablieren.

Die Revolution in Nordafrika war zu großen Teilen

ein Produkt moderner Kommunikation und sozialer

Netzwerke. Vier Flugstunden weiter südlich, in

den Staaten der Atlantikküste, hatte die politische

Bildung bereits schon vor

den Umwälzungen im

Norden begonnen, der

rasanten Entwicklung der

Medien Rechnung zu

tragen. So ergänzen oder

ersetzen virtuelle Maßnahmen

die traditionellen

Konferenzen und Seminare. Sie geben Raum

für Diskussion und für die Erweiterung von Kenntnissen

zu ausgewählten politischen und gesellschaftlichen

Fragestellungen. Das Angebot richtet

sich sowohl an junge Nachwuchspolitiker als auch

an Vertreter der Zivilgesellschaft. Die Virtuelle

Akademie benutzt das soziale Netzwerk NING als

Plattform, auf der jeder Teilnehmer ein eigenes

Profil anlegt, auf der Dokumente, Videos und Fotos

hinterlegt werden können, und bei der eine Chatfunktion

den direkten Austausch ermöglicht. Die

beiden Zielgruppen werden bei Präsenzseminaren

im Umgang mit der Virtuellen Akademie geschult.

Um sie als aktive Mitgestalter einzubinden, konnten

sie von Anfang an eigene Ideen zur Gestaltung

des Forums einbringen. Debatten zwischen jungen

Politikern über das Thema Soziale Marktwirtschaft

finden so seit einiger Zeit nicht nur an Wochenenden

in Abomey, Kpalime oder Niamey vor Ort statt.

Der intensiven Diskussion steht allerdings die in

der Region mangelhafte Internetverbindung entgegen.

Die Lösung: Virtuelle Seminare werden

stets über einen Zeitraum von bis zu vier Wochen

angeboten, dazu wird auf Direktnachrichten verzichtet.

Was bleibt? Nachhaltige Demokratieförderung in Afrika

Wie erreicht man Nachhaltigkeit in einer Region,

in der defekte Demokratien vorherrschen, in der

politische Führung weniger durch verbale als durch

materielle Argumente erreicht wird und europäische

Kategorien von Kommunikation und Zeit

eher fehlschlagen? Der Schlüssel liegt wohl in einer

konsequenten Anwendung aller uns bekannten

Faktoren, die Nachhaltigkeit bewirken können.

Aber davor stehen Faktoren, die nicht auf der rationalen

Sachebene liegen, nämlich der langfristige

Aufbau von Vertrauen, die Bereitschaft, Erfahrungen

zu teilen und die klare Vereinbarung von Wertegrundlagen.

Politische Bildung soll das Vertrauen in die Demokratie

stärken. Dazu gehört zunächst das Vertrauen der

Partner in die Institutionen der Politischen Bildung,

der Glaube daran, dass unsere Maßnahmen (im

Gegensatz zu in Afrika vielfach erlebtem staatlichen

oder parteilichen Handeln) uneigennützig sind. Vertrauen

im Verlauf der Politischen Bildung entsteht

aber nur durch den Dialog der unterschiedlichen Gesprächspartner,

welche die Programme in Beziehung

setzen, seien es nun Parlamentarier eines Verteidigungsausschusses

und Generalstabsoffiziere oder Unternehmer

und Regionalräte. Nachhaltigkeit kann

weiterhin erreicht werden, wenn im Rahmen der Veranstaltungen

Diskussionen zugelassen und Gleichberechtigung

erlebt werden. Nachhaltig werden die

Maßnahmen, wenn sie vor Ort stattfinden. Denn ernst

nehme ich meine Partnerorganisation nur, wenn ich

als Veranstalter/-in bereit bin, mich in dezentralen

Maßnahmen an ihren Wohnort oder den ihrer politischen

Tätigkeit zu begeben und zu sehen, in welchem

Umfeld ihr Denken gewachsen ist. Um wie viel

mehr trifft dies zu, wenn es sich z. B. um so unterschiedliche

Regionen wie Benin an der Atlantikküste

oder Niger in der Sahel-Sahara-Zone handelt, das die

Auswirkungen der nordafrikanischen Verwerfungen

unmittelbar zu spüren bekommt.

Soziale Marktwirtschaft: Ein Thema – viele Wege

Am Beispiel der Sozialen Marktwirtschaft lässt sich

aufzeigen, wie ein Querschnittsthema mit methodischer

Vielfalt und multiperspektivisch über mehrere

Zielgruppen und Partner langfristig in die gesellschaftliche

und politische Diskussion in den afrikanischen

Kontext implementiert werden kann. Es

gibt nicht das Modell für die afrikanische Soziale

Marktwirtschaft, es gibt

auch keine internationale

Soziale Marktwirtschaft.

Europäer/-innen

können lediglich in Afrika

ihre Erfahrungen mitteilen,

mit Afrika in den

Dialog eintreten und die

Verantwortlichen in Afrika

aus vielen internationalen Quellen letztendlich

selbst das adäquate Modell für afrikanische Verhältnisse

finden lassen. Die Folge für die Arbeit politischer Stiftungen vor Ort: Diskussion über

Soziale Marktwirtschaft findet zum einen im universitären

Kontext statt, zum anderen ist die ordnungspolitische

Variante auch Top-Thema, wenn

junge Politiker/-innen über Programme für die

nächsten Wahlen diskutieren oder Unternehmerinnen

eine verbandliche Agenda neu formulieren.

Das Institut des Artisans de la Paix et de la Justice in

Cotonou wiederum fügt mit seinen monatlichen

Beiträgen den unerlässlichen Aspekt der christlichen

Soziallehre hinzu. Vorträge und Diskussionen

auf Expertenniveau allein haben aber noch

nicht die angestrebte Breitenwirkung. Diese wird

seit Jahren durch TV-Sendungen in vier westafrikanischen

Staaten erreicht.

Anstoß von außen, Wandel von innen kann die

grundsätzliche Methode politischer Bildung in

Afrika zusammenfassen. Was jedoch ihre Nachhaltigkeit

ausmacht, ist die Verankerung demokratischer

Grundsätze in der Bevölkerung: Es gibt keine

Demokratie ohne Demokraten – das gilt auch zwischen

Tunis und Cotonou.

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Arbeitskreis Deutscher Bildungsstätten e.V.

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Berlin Deutschland