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„Es lohnt sich, den Euro als Währung zu stabilisieren.“

by Dr. Karlies Abmeier
Bericht zur Tagung „Überwindung der EU-Schuldenkrise zwischen Solidarität und Subsidiarität“ in Kooperation mit den Katholischen Akademien Münster und Essen und der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 24. bis 25. September 2012 in Münster

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„Es lohnt sich, den Euro als Währung zu stabilisieren.“ Dieses Fazit zog der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes öffentlicher Banken Deutschlands, Dr. Hans Reckers, bei der Podiumsdiskussion zum Insolvenzrecht für Staaten. Der Euro sei ein wichtiger Baustein, damit Europa in der Welt noch eine Rolle spielen könne angesichts der Verschiebungen der Gewichte im Zuge der Globalisierung. Dieser Einschätzung voraus gegangen waren Überlegungen, ob es geregelte Insolvenz-Verfahren für Staaten geben könne, wie man sie von Wirtschaftsunternehmen her kenne. Obwohl eine solche Diskussion derzeit Unruhe auf den Märkten hervorrufen würde, wurde allgemein eingeräumt, dass langfristig ein Insolvenzrecht ein wichtiger Bestandteil in einer stabilen Währungsunion sein könnte. Markus Pieper MdEP erklärte, dass die CDU/CSU-Gruppe, die im Europäischen Parlament eine Minderheit sei, für ein Insolvenzrecht werbe. Die Aussichten seien aber ungewiss. Doch gelte es über zusätzliche Elemente nachzudenken, um Vertrauen aufzubauen. Wichtig sei, die Zweifel, die es in Europa gebe, ernst zu nehmen. Deswegen müsse man besser erklären, wofür die europäischen Abgeordneten einträten. Die Entscheidungen auf europäischer Ebene seien noch besser demokratisch zu legitimieren. Es gehe um Transparenz und wirksame Kontrolle, auf dass mehr Identifikation mit Europa geschaffen werden könne.

Die Diskussion war eingebettet in vier Gesprächsrunden, bei denen Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen ihre Sicht auf die europäische Schuldenkrise darlegten. Die Grundlage legte Prof. Dr. Wim Kösters von Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Ökonomisch sei die weitverbreitete These von Marktversagen als Hauptursache der EU-Schuldenkrise nicht zu halten, sondern die Probleme seien auf ein Politikversagen zurückzuführen: Die Nationalstaaten seien unter falschen Vorzeichen den Maastricht-Vertrag eingegangen, weil nicht alle bereit gewesen seien, die Vertragsbestimmungen einzuhalten. Nicht nur Griechenland sei unter falschen Voraussetzungen aufgenommen worden, auch Frankreich lehne Regeln als zu technokratisch ab. Zur Überwindung der Krise sei es notwendig, dass die Regeln befolgt würden, um den Akteuren auf den Finanzmärkten wirtschaftpolitische Orientierung zu geben.

Zur Vertiefung dieser Thesen hob die Koordinatorin für Arbeitsmarkt und Sozialpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, Eva Rindfleisch, auf die Verantwortung der Regelsetzer und auf die Verantwortung der Institutionen zur Durchsetzung der Regeln hin. Es gehe um politische Strukturen und Konzepte, die die verantwortlichen Eliten durchsetzen müssten, um die Konvergenzkriterien zu erfüllen. Für die EZB sei ein Umfeld zu schaffen, in der sie unabhängig sein könne.

Auch Eric Meyer, Geschäftsführer des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, bestätigte die Notwendigkeit der Regelbeachtung. Für das Funktionieren der Währungsunion sah er Probleme in den durch die zu schnelle Einführung des Euro verzerrten Zinssätze, die in den GIIPS zu niedrig seien und daher Leistungsbilanzdefizite hervorriefen und nachhaltiges Wachstum behinderten.

In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass zu beachten sei, unter welchen Konditionen Europa entstanden sei. Trotz des hohen Gewichts der ökonomischen Fragen dürfte das Wertefundament und die kulturellen Unterschiede nicht außer Acht gelassen werden.

Dr. Jan Voßwinkel vom Centrum für Europäische Politik beschäftigte sich mit den langfristigen Regelungen zur Verhinderung zukünftiger Schuldenkrisen. Die „ökonomische Verfassung“ in Europa unterliege einem ständigen Wandel. Die Regelverstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt hätten gezeigt, dass die Kommission bereit sei, sich über das Regelwerk hinwegzusetzen. Es müsse aber ein Regelwerk geschaffen werden, das Anreize zu einer regelkonformen Übernahme von Verantwortung ermögliche. Deswegen dürften diese Regeln nicht zu eng sein. Der Ausgleich in den europäischen Staaten durch Rettungsschirme könne nur vorübergehend sein. Entscheidend sei der politische Wille, die Regelbefolgung einzufordern. Notfalls seien Änderungen im Primärrecht anzustreben, um die Stabilitätskultur des Euro zu retten. Um die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten zu stärken und eine klaren Zusammenhang zwischen den politischen Entscheidungen und den entsprechenden Konsequenzen aufrechtzuerhalten, sei der Weg der verbindlichen Defizitkriterien und die Ansage einer klaren Strategie unumgänglich.

Bei grundsätzlicher Zustimmung zu den Thesen Voßwinkels betonte der Leiter des KAS-Europa-Büros in Brüssel Dr. Stefan Gehrold die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung. Es gehe um die Rückführung der Schuldenstände und die Wiederbelebung des Wettbewerbs. Schwachstelle des Fiskalpakts sei die mangelnde Durchsetzungsmöglichkeit. Vielfach blieben Verstöße ohne jegliche Sanktion. Das habe zur Folge, dass es zu Marktversagen komme aufgrund antizipierter Regelbrüche. Mit dem van Rompuy-Bericht befinde man sich auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, nicht zuletzt durch den Willen zu einer demokratischen Legitimation durch das Europäische und die nationalen Parlamente. Gleichwohl müsse man realistisch feststellen, dass die Stabilitätspolitik in die Defensive gerate. Im zweiten Korreferat konstatierte Dr. Hans Reckers, dass der Euro sowohl eine Geldwert- als auch eine Wechselkursstabilität aufweise. In den weltweiten offenen Märkten seien die Verbraucherpreise stabil, Probleme steckten in der sogenannten „Krönungstheorie“, dem Ziel der politischen Union als Krönung der Währungsunion. Europa sei ein „Club“, in dem eine jeweils landesinterne Finanzierung anzustreben sei. Es gehe darum, Ansteckungsgefahren und damit Kettenreaktionen zu vermeiden. Ziel sei ein starkes Europa, aber kein vollständiger europäischer Bundesstaat.

Prof. Dr. Michael Schramm (Lehrstuhl für Katholische Theologie und Wirtschaftethik, Universität Stuttgart) stellte die provozierende These auf, dass die Vertreter der christlichen Sozialethik nichts spezifisch Eigenes zur Schuldenkrise zu sagen hätten, denn die Sozialprinzipien seien beliebig interpretierbar. Pragmatisch richte man sich lieber an dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog aus. Er hatte sich erkundigt, was die billigere Lösung sei und sich dann für diese entschieden.

Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP (Professur für Sozialethik und Sozialwissenschaften der Phil. Theol. Hochschule Münster) erklärte, dass vage Begriffe nicht automatisch nutzlos seien. Solidarität verfüge über einen quasi moralischen Charakter, Subsidiarität habe einen moralischen Charakter, denn bei der Hilfe zur Selbsthilfe sei ein impliziter eigener Vorteil nicht erkennbar. Er schlug den Traditionswert Gemeinwohl als „normatives Ideal“ (Herfried Münkler) vor, das sage, wie viel Gemeinsinn wir aufbringen müssen, um die im Gemeinwohl beschriebenen Resultate zu erzielen. Man könne zu konkreten Deutungen kommen, wenn man kläre, was im spezifischen Fall auf der Suche nach einem für alle gerechten Wegen zu tun sei. Gemeinwohl als normatives Ideal sei vage, aber nicht obsolet. Prof. Dr. Aloys Prinz, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Finanzwissenschaften in Münster, sah weniger in der Finanzierungsform als in der Mittelverwendung Probleme. Er stellte die Frage, wer eigentlich für die aufgeschobenen Staatsbankrotte aufkomme und bezeichnete die Rettungsschirme und solidarischen Wohltaten als eine Form der „organisierten Verantwortungslosigkeit“. Ein falsches Verständnis von Solidarität könne nicht gegen finanzpolitische Solidität ausgespielt werden.

Im letzten Block befasste sich Prof. Dr. Joachim Wiemeyer, Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Gesellschaftslehre in Bochum, mit dem Verhältnis von Politik und Wirtschaft. Von der Dominanz der Politik nach der Weltwirtschaftskrise 1929 sei die Finanzwelt seit der Jahrtausendwende zur „fünften Gewalt“ aufgestiegen, die auf den Devisen- und Anleihemärkten das Handeln der Politik beurteile. Für die Bewertung dieser Entwicklung stellte er aus Sicht der Katholischen Soziallehre Politik als Agent des Gemeinwohls dar, der das Subsidiaritätsprinzip und die Kontrolle von wirtschaftlicher Macht befördere. Diese Auffassung lasse sich auch mit den säkularen Thesen etwa von John Rawls stützen. Um den normativ erforderlichen Vorrang der Politik vor den Finanzmärkten wieder zu erreichen, bedürfe es politischer Reformen. So müsse etwa die Reichweite der Märkte mit der Reichweite des politischen Ordnungsrahmens übereinstimmen.

Prof. Dr. Christoph Giersch (Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW) sah in den sozialethischen Prinzipien einen durchaus anwendbaren Nutzen, nicht zuletzt auch im innerkirchlichen Bereich. Die Gemeinwohlorientierung müsse von den politischen Funktionseinheiten ausgehen und nicht nur ökonomischen Sachverstand folgen. Auch plädierte er für lokale Begrenzung der Handlungsräume.

Dr. Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft sah in der Finanzstabilität ein globales öffentliches Gut, das nur begrenzt reguliert worden sei. Es seien zentrale ordoliberale Prinzipien durch die vielfältige Verletzung des Haftungsprinzips durchbrochen worden. Finanzaufsicht sei zu schwach gewesen. Die Reformen im Rahmen der G20 begrüßte er, aber sie seien teilweise zu langsam. Sein Appell, dass der Primat der Politik zur Disziplinierung des Finanzmarkts aufrecht erhalten werden müsse, lässt sich wie eine Zusammenfassung der Tagung lesen.

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