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Event Reports

Aus der Vergangenheit lernen, Gegenwart erkennen, Zukunft gestalten

by Cvetelina Todorova, Caroline Stein, Theresa Sätzler

Wie Europa gestaltet werden kann

Unter dem Leitmotiv „Aus der Vergangenheit lernen, die Gegenwart erkennen, Zukunft gestalten“ haben Herr Dr. Theo Waigel, Bundesminister der Finanzen a. D., und Herr Dr. Carsten Linnemann MdB über die jeweiligen Herausforderungen ihrer Zeit diskutiert.

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Auf die Frage der Moderatorin, Frau Dr. Karen Horn, welche die Stärken Deutschlands nun sind, verwies Dr. Waigel auf die beachtliche Übereinstimmung in der Politik in Deutschland. Diese sorgt, so Herr Dr. Waigel, auch bei ungewissem Ausgang der Bundestagswahlen im September, für Berechenbarkeit in den ganz großen Fragen der europäischen Politik und erlaubt Bürgern und Unternehmen eine gewisse Sicherheit bei der Erwartungsbildung. Die politische Stabilität in Deutschland sieht der ehemalige Finanzminister als eine große Stärke Deutschlands und letzen Endes auch als Grundlage der guten Grundstimmung, die hierzulande, aller Unkenrufe der Medien zum Trotz, herrscht. Die in den Medien verbreiteten Prognosen stünden im „umgekehrt proportionalen Verhältnis“ zu den tatsächlichen Verhältnissen in Deutschland, dem es sehr gut gehe.

Die Sorgen der Bürger muss die Politik jedoch sehr ernst nehmen. Insbesondere in Aufklärung und Kommunikation sieht Waigel eine „Bringschuld“ der Politik. Er sieht den „Traum der Feuilletons“ – die Vereinigten Staaten von Europa - als mittelfristig nicht realisierbar. Stattdessen würde er den Fokus auf die Vereinigten Staaten in Europa legen. Dieses Modell könnte in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten „Step by Step“ umgesetzt werden. Vor allem müsse Europa aber wieder ein „Europa des Rechts“ werden, in dem Verträge wieder eingehalten würden, da sonst die Vertrauenskrise nicht überwunden werden könne.

Deutschland nimmt in Europa eine Führungsrolle ein, aber nicht „am deutschen Modell soll die Welt genesen“. Vielmehr muss Europa das Modell der Sozialen Marktwirtschaft - „Modell der Vernunft“ - künftig als ihr eigenes verstehen. Das geschehe zwar in unterschiedlichen Geschwindigkeiten aber letztlich setzt sich die Erkenntnis seiner Alternativlosigkeit immer mehr durch. So sind nun auch Irland, Portugal und Italien wirtschaftlich auf dem richtigen Weg.

Selbst für Griechenland sieht Waigel die Lage nicht mehr so pessimistisch wie früher, betont aber, dass die Aufnahme Griechenlands nicht in seine Amtszeit als Bundesfinanzminister fiel. Entschieden verwehrt er sich gegen die lange propagierte These, die Einführung des Euro sei der Preis für die Wiedervereinigung Deutschlands gewesen. Im Gegenteil, eine gemeinsame Währung sei schon 1977 von Schmidt und d‘Estaing mit der Gründung des gemeinsamen Währungsverbandes, dann 1988 auf dem Gipfel in Hannover und dann 1989 im de lor Papier verhandelt worden. Der Einführung des Euro gingen über 20 Jahre Verhandlungen vorraus und Deutschland hat sich bis ganz zum Schluss eine Ablehnung vorbehalten. Hätte eins der Länder, die in Maastricht beschlossenen Kriterien nicht erfüllt, bekräftigt Waigel, hätte er niemals zugestimmt.

Es wurden auch schon in den Jahren vor der Einführung des Euro Stützungskäufe zu Gunsten anderer Währungen getätigt, als die unabhängige Zentralbank des Öfteren in großem Stil intervenierte, und Währungen anderer europäischen Staaten stützte. Waigel verweist in diesem Zusammenhang auf Stützungskäufe von über 90 Milliarden DM innerhalb nur eines Monats, zu Gunsten des Franc. Aber für die Zeit nach Bewältigung der Krise regt Waigel ein Nachdenken über ein internationales oder innereuropäisches Staateninsolvenzrecht an.

Dem stimmte Herr Dr. Linnemann zu und forderte gerade jetzt, in der Krise, eine Vision, ein klar beschriebenes Ziel, das den Bürgern erklärt, worauf der Prozess der europäischen Integration hinauslaufen soll. Weitere wichtige Punkte für die Zukunft Deutschlands sind die Energiewende, wo er wieder für mehr marktwirtschaftliche Preissetzung für erneuerbare Energien eintritt, anstatt ihre Festsetzung im Bundestag.

Einig sind sich beide Podiumsteilnehmer, dass die besondere Stärke Deutschlands im Modell der paritätischen Mitbestimmung der Gewerkschaften innerhalb der Betriebe liegt. Die Arbeitsmarktpolitik von morgen aber sollte sich verstärkt den Herausforderungen des Fachkräftemangels widmen. Das hat auch die aktuelle empirische Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung bestätigt. Der Fachkräftemangel hat heute bereits eingesetzt. Deutschland ist, auf den Zuzug ausländischer Fachkräfte angewiesen. Administrative Restriktionen kann Herr Dr. Linnemann keine großen erkennen, sehr wohl aber eine Tabuisierung des Themas. Dabei besteht Handlungsbedarf. Denn der internationale Wettbewerb um Fachkräfte wird sich in Zukunft intensivieren. Heute liegt Deutschland als attraktivstes Land Europas gerade im Vorteil. Diesen Vorteil gilt es nun, zu wahren.

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