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Flexibler Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild

by Eva Rindfleisch
Wir werden alle immer älter – wie fit wir jedoch im Alter noch sind, variiert erheblich. Starre Renteneintrittsgrenzen verlieren deshalb zunehmend an Legitimation und sollten Modellen weichen, die den Menschen einen individuellen und flexiblen Austritt aus dem Erwerbsleben ermöglichen. Auch auf dem Arbeitsmarkt macht sich der demographische Wandel bemerkbar: die erwerbsfähige Bevölkerung wird bis 2025 um rund 6,5 Millionen Menschen zurückgehen. Entscheidend wird deswegen sein, Anreize für einen möglichst späten Erwerbsaustritt zu setzen.

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Als internationale Vorbilder in Bezug auf ein spätes Erwerbsaustrittsalter und eine hohe Erwerbsbeteiligung Älterer gelten die skandinavischen Länder: Sie haben in den letzten 15 Jahren ihre Systeme grundlegend reformiert. Im Rahmen eines gemeinsamen Expertenworkshops der Bertelsmann Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden die Erfahrungen aus dem schwedischen, finnischen und norwegischen Rentensystem für die Weiterentwicklung der deutschen „Flexi-Rente“ diskutiert.

Interview mit Dr. Annika Sundén

Interview mit Dr. Tarmo Valkonen

Rentenkorridor statt fixem Renteneintrittsalter

Schweden übernahm durch eine richtungsweisende Rentenreform im Jahre 1999 eine Vorreiterrolle für die Ausgestaltung des skandinavischen Rentensystems. Kernelement war die Einführung eines Rentenkorridors, berichtete Dr. Annika Sundén, Chefökonomin der Swedish International Development Cooperation Agency. Statt eines festgeschriebenen Renteneintrittsalters ermögliche dieser den Menschen seither ihren Renteneintritt ab 61 Jahren individuell frei wählen zu können. Die Höhe der Rente sei dabei an die bis dahin gezahlten Beiträgen und die durchschnittliche Lebenserwartung des Versicherten gekoppelt. Steigt die Lebenserwartung in Zukunft an, führe diese Kopplung automatisch dazu, dass Erwerbstätige länger arbeiten müssen, um ein bestimmtes Rentenniveau zu erreichen. Ein vergleichbarer Rentenkorridor wurde 2011 auch in Norwegen eingeführt, berichtete Tove Midstundstad, Leiterin der Forschungsgruppe Rente am Fafo Institute for Labour and Social Research in Oslo.

Später in Rente durch mehr Flexibilität?

Seit der Reform 1999 hat sich das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Schweden deutlich erhöht und auch die Erwerbsbeteiligung Älterer ist gestiegen. Allerdings seien die Wirkungen der Reform nicht eindeutig, so Sundén. So würden seit Einführung des Rentenkorridors zwar deutlich mehr Menschen über 65 Jahren arbeiten, gleichzeitig nähmen aber auch deutlich mehr Menschen den nun möglichen früheren Renteneintritt ab 61 Jahren in Anspruch, auch wenn dieser mit einer geringen Rente verbunden sei. „Unsere Forschung hat gezeigt, dass Arbeitnehmer dazu neigen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente zu gehen, auch wenn die Rentenhöhe sehr gering ist zu diesem Zeitpunkt.“, analysierte Sundén. Die Rentenbezüge seien dabei vielfach so gering, dass der schwedische Staat mit Zusatzleistungen wie zum Beispiel Wohnzuschüssen unterstützen müsse. Dies sei auch der Grund, warum in Schweden derzeit eine Debatte geführt würde, ob auch die Untergrenze des Rentenkorridors automatisch an die Entwicklung der Lebenserwartung angepasst werden sollte, so Sundén. Diese Erfahrung bestätigte auch Dr. Tarmo Valkonen, Forschungsdirektor am ETLA Research Institute of the Finnish Economy. In Finnland habe man daher nun Reformen verabschiedet: Ab 2017 werden sowohl die Unter- als auch die Obergrenze des Rentenkorridors schrittweise um zwei Jahre angehoben. Ab 2030 würden dann beide Grenzen an die Entwicklung der Lebenserwartung gekoppelt, so Valkonen.

Mehr Flexibilität erfordert mehr Transparenz

Die Kopplung der Rentenhöhe an die durchschnittliche Lebenserwartung ermöglicht den Versicherten einerseits mehr Flexibilität, andererseits erschwert sie den Arbeitnehmer jedoch auch die Planung ihres Übergangs in die Rente. Für sie ist nicht eindeutig ersichtlich, wie lange sie arbeiten müssen, um ein bestimmtes Rentenniveau zu erreichen. Im Rahmen der Reform 1999 sei deswegen ein besonderer Schwerpunkt auf die Transparenz für die Arbeitnehmer gelegt worden, so Sundén. Kernelement sei der sogenannte „Orange Envelope“, der die Versicherten jährlich über ihre eingezahlten Rentenansprüche informiere. Nach 5 Beitragsjahren würden zusätzlich Szenarien über die Rentenhöhe bei unterschiedlichen Renteneintrittsaltern errechnet. Zusätzlich gäbe es eine Website mit individuellen Simulationen und einer Übersicht über den akkumulierten Rentenanspruch. Unter den Teilnehmern bestand dabei Einigkeit, dass diese Transparenz über die prognostizierte individuelle Rente bei Renteneintritt gerade für junge Rentenzahler ein wichtiger Anreiz sein könnte, mehr und besser vorzusorgen. Dr. Reinhold Thiede, Leiter des Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung der Deutsche Rentenversicherung Bund, erläuterte dabei, dass es auch in Deutschland eine jährliche Renteninformation gäbe. Auch eine Webseite mit Simulationen stehe den Versicherten zur Verfügung – allerdings ohne personengebundene Daten, so Thiede.

Vom Ausland lernen

Zum Ende des Workshops unterstrich Thiede, dass das deutsche Rentensystem seit den Reformen von 1992 bereits einige flexible Elemente enthalte. So sei es ohne weiteres möglich, unter Abschlägen früher, bzw. unter Zuschlägen später in Rente zu gehen. Dennoch sei es gut, dass nun über eine Weiterentwicklung der Flexi-Rente diskutiert werde. Um in Zukunft den Anforderungen einer alternden Bevölkerung im Rentensystem gerecht zu werden, lohne durchaus ein Blick Richtung Norden.

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Berlin Deutschland

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