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Wunderbar wunderliche Welt

Lesung von KAS und Bonner Stadtbibliothek: Norbert Scheuer präsentiert seinen Eifel-Roman „Peehs Liebe“

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Norbert Scheuer sieht aus wie ein Philosoph. Oder wie ein Schriftsteller. Kein Wunder: Der 62-Jährige ist beides. Wie seine literarischen Werke erfüllt auch er selbst stets mehrere Erwartungen: Zunächst blickt er bei seiner Lesung in Bad Godesberg ernst in die Runde. Sobald jedoch die erste Frage gestellt ist, durchziehen sein markantes Gesicht häufig Lachfalten. Der Literat mit dem schulterlangen, graumelierten Haar trägt Turnschuhe zum Anzug – und stellt sich selbst als dichtenden Kantianer vor.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und die Bonner Stadtbibliothek haben den Autor eingeladen, der im kommenden Jahr die Poetik-Dozentur an der Universität Bonn innehaben wird. Zum zweiten Mal arbeitet die KAS mit der Stadtbibliothek zusammen – im „transparenten Büchertempel“ von Bad Godesberg, wie Professor Michael Braun sagt. Der Leiter des KAS-Literaturreferats führt als Moderator durch den Abend.

Gleich zu Beginn wird eine Gemeinsamkeit zwischen den Scheuer-Lesern deutlich. Stadtbibliotheksleiterin Gabriele Belloff hat die Eifel-Erzählung „Peehs Liebe“ laut eigener Aussage vor allem deshalb so gern gelesen, weil auch sie aus einer ländlichen Gegend stammt. „Es war mein persönlicher Wunsch, dass Norbert Scheuer einmal hier liest“, gibt sie zu. Moderator Braun outet sich sodann als Kind der Eifel – wie der Autor, dessen Heimatlandschaft in seinen lyrischen und prosaischen Texten mehr als nur eine wiederkehrende Kulisse ist.

Dabei wollte Scheuer eigentlich „Philosophie machen“, erzählt er: „Es ist aber schwer, eine eigene Philosophie zu entwickeln.“ Insofern sei die Literatur für ihn, der im Brotberuf als Systemprogrammierer arbeitet, ein Ausweg: „Man kann nichts erkennen, also beschreibt man nur noch“, sagt er. Auf tiefgründige Interpretationen komme er meist selbst erst durch Fragen von Germanisten, merkt der Schriftsteller augenzwinkernd an – um dann doch eine Interpretation von „Peehs Liebe“ anzubieten: „Man kann die Geschichte als Metapher für die Moderne lesen.“ Wer zu viel wisse, wie die autistische Hauptfigur Rosarius, dem falle es schwer, sich zu orientieren.

Dementsprechend traumartig erscheinen die Auszüge, die Scheuer mit seiner sanften Stimme vorträgt. Wunderbar und wunderlich sind die Einblicke in die Gedankenwelt von Rosarius. Wie Scheuer schreibt, so liest er vor: „als bestünde die Welt nur aus ruhiger, fließender Erinnerung“, wie es an einer Stelle von „Peehs Liebe“ heißt.

Der vielschichtige Roman setzt sich aus den Erzählungen und Erinnerungen verschiedener Figuren zusammen. Ob poetische Liebesszene oder morbide Darstellung eines Abschieds, immer verknüpft die Geschichte melancholische mit lichten Momenten, tiefe Trauer mit Heiterkeit, Erfahrungen der provinziellen Heimat mit der Suche nach der eigenen Identität. Wichtig ist Scheuer bei seinen wiederkehrenden Charakteren vor allem eines: „Was jemand äußert, hat einen Sinn – auch, wenn jemand an Demenz oder Autismus leidet.“

Nicht immer ist für den Leser erkennbar, welche Handlungsteile eine Figur erträumt hat, welche aus der Literatur – etwa Hölderlins „Hyperion“ – entlehnt sind. Die Ebenen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Autorschaft und Metaphysik bricht Scheuer während der Lesung erneut auf: „Das erzählt er“, sagt er über seinen Romanhelden und fügt schmunzelnd hinzu: „Ob’s stimmt, wissen die Götter.“

Neben der Präsentation seines komplexen Werks gibt der Romancier auch Einblick in seine Arbeitsweise – etwa in die Orte, die für sein Schreiben wichtig sind. Die Eifel ist für ihn ein „konkreter Ort, der während des Schreibens immer weiter imaginiert wird. Ich glaube nicht, dass jemand ohne so einen festen Bezugspunkt schreiben kann.“

Die Verbindung von Literatur und Leben, von Philosophie und Alltag zeigt sich nicht zuletzt in der klaren, lakonischen Sprache von Norbert Scheuer. So antwortet er salopp und doch mit Bedacht auf die abschließende Frage von Moderator Braun, wie viel von ihm selbst in seinen Figuren stecke: „Früher habe ich immer behauptet, die seien alle frei erfunden. Inzwischen weiß ich: Romane, die nicht autobiografisch sind, kann man in die Tonne treten.“

Die Autorin Paula Konersmann ist Altstipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie war ERASMUS-Stipendiatin an der Sorbonne IV, Paris, und arbeitet derzeit als Redakteurin bei der dreipunktdrei Mediengesellschaft.

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Contact

Prof. Dr. Michael Braun

Prof. Dr

Policy Advisor Literature

michael.braun@kas.de +49 30 26996-2544

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About this series

The Konrad-Adenauer-Stiftung, its educational institutions, centres and foreign offices, offer several thousand events on various subjects each year. We provide up to date and exclusive reports on selected conferences, events and symposia at www.kas.de. In addition to a summary of the contents, you can also find additional material such as pictures, speeches, videos or audio clips.

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Bonn Deutschland

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