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Event Reports

Innere Sicherheit – Eine Politische Herausforderung für Lateinamerika

Am 26.März 2010 fand in Salvador die Konferenz „Innere Sicherheit–Eine Politische Herausforderung für Lateinamerika“ statt.Experten,Akademiker, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft stellten die Lage in ihrer Region sowie ihre Arbeit vor.

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Dr. Peter Fischer-Bollin (KAS) und José Carlos Aleluia (Stiftung Liberdade e Cidadania) eröffneten die Konferenz. Ziel war die Vorstellung und Erörterung der Sicherheitslage und -politik in den verschiedenen Ländern Lateinamerikas.Vertreter aus zehn Ländern (Peru, Honduras, Kolumbien, Brasilien, Chile, Argentinien, Venezuela, Mexiko, Paraguay, Panama) Lateinamerikas fanden sich hierfür im Hotel Pestana ein und boten dem Publikum ein breites Spektrum der Probleme und verschiedener Lösungsansätze in der Inneren Sicherheit der jeweiligen Länder.

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Von großen Teilen der Bevölkerung des Kontinents wird in Umfragen noch immer die Bedrohung der Sicherheit als eines oder das dringlichste Problem ihres Landes genannt. Das zeigte sich auch bei der Besucherzahl. Mit rund 250 Teilnehmern war das Seminar auf reges Interesse gestoßen. Zu den Rednern gehörten u.a. José Vicente, Ex- Staatssekretär für Innere Sicherheit Brasiliens, Paola Holguin, Beraterin des kolumbianischen Präsidenten, Luiz Ignácio Planas, Parteichef von COPEI in Venezuela, Antonio Ferreira Pinto, Minister für Innere Sicherheit im Bundessstaat São Paulo, sowie Carlos Alberto Carranza, Abgeordneter aus Argentinien. Die einzelnen Seminarpanels wurden von César Maia, Ex-Bürgermeister von Rio de Janeiro, Antônio Imbassahy, Ex-Bürgermeister von Salvador, Paulo Souto, Ex-Ministerpräsident des Bundesstaates Bahia und Antonio Carlos Magalhães Neto, Vize-Präsident der Abgeordnetenkammer Brasiliens, präsidiert.

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Zweck des Seminars war vor allem der Dialog zwischen Experten sowie die Schaffung eines Informationsportals für interessierte Teilnehmer. Eingeteilt in vier einzelne Panels wurde nach der Eröffnung zunächst über konkrete Bedrohungen der Inneren Sicherheit in Mexiko, Brasilien, Kolumbien und Panama berichtet. Ebenfalls stellten die Referenten Konzepte vor, die in den Ländern bereits umgesetzt wurden. Im zweiten Panel des Vormittags stellten dann drei Vertreter aus Paraguay, Venezuela und Brasilien Möglichkeiten zur Beteiligung der Zivilgesellschaft vor. Nach einer einstündigen Mittagspause ging es weiter mit der Vorstellung erfolgreicher politischer Strategien und einem letzten Panel am Nachmittag zu Strategien zur Sicherheit und politischer Kommunikation.

Innere Sicherheit als Grundpfeiler der Demokratie

Etwas anders als in Deutschland und Europa wird Innere Sicherheit in Lateinamerika besonders in Bezug auf Bedrohungen durch Organisiertes Verbrechen, Waffenschmuggel- und Handel, Drogenhandel- und Konsum diskutiert. Mehrere Vorträge wiesen dabei auch auf ein Problem hin, das in der Diskussion in Lateinamerika immer wieder auftaucht: Kann das Militär weiterhin im Inneren zu diesen Zwecken eingesetzt werden, oder läuft ein Land so Gefahr zu nahe an die alten Strukturen der Militärdiktaturen der Vergangenheit zu geraten. Ebrahim Asvat, erster ziviler Polizeichef Panamas, wies dabei auf die Ausbildung und Herkunft der Polizisten hin. Oft seien diese noch aus der Zeit der Militärdiktatur und anderen Umgang mit der Bevölkerung gewohnt, als eine zivile Polizei. Zudem sei die Polizei oft mit der Situation überfordert und noch ungenügend ausgebildet. Die noch junge Polizei des Landes steht zudem oft in der Kritik, da nach der Abschaffung der drakonischen Strafen und des autoritären Umgangs mit der Bevölkerung die Verbrechensstatistiken vorerst erhöhte Zahlen zeigten. So stellt ein Teil der Bevölkerung die Daseinsberechtigung der zivilen Polizei in Frage. Infolgedessen können sich direkte Bedrohungen für die Demokratie des Landes entstehen. Dieses Problem zeigt sich ebenfalls in anderen Ländern Lateinamerikas, in denen die Polizei nicht Herr der Lage zu werden scheint.

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Internationale Zusammenarbeit

Vor allem von den Teilnehmern der Länder, die ein großes Problem in der Inneren Sicherheit als Folge von Anbau und Handel von Drogen haben, riefen zu einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit auf. Rocío San Miguel, Vorsitzende der NRO Asociación Civil Control Ciudadano para la Seguridad, la Defensa y la Fuerza Armada Nacional aus Venezuela erwähnte, dass es seit bereits zehn Jahren keinerlei Kooperation zwischen Kolumbien und Venezuela im gemeinsamen Grenzgebiet gäbe. Auch sog. Transitländer, die vor allem vom Drogenhandel- und Schmuggel betroffen sind, unterstrichen die Wichtigkeit der Zusammenarbeit innerhalb der Region. Konsens gab es hier zwischen allen Beteiligten, dass das Problem längst kein nationales mehr sei, und daher auch mit entsprechenden Maßnahmen angegangen werden müsse.

Appell an den Staat

Immer wieder wurde gefordert, dass der Staat durch langfristige Politik auf die Probleme reagieren solle. Meist handelt es sich jedoch nur um kurzfristig angelegte Programme, die mit der Neubesetzung eines Amtes enden und in oft ähnlicher Weise, aber mit anderem Namen fortgeführt werden. So bleibt jedoch die Unsicherheit über die nächste Amtszeit bestehen. Es kommt zu Planungsunsicherheiten und damit direkt zu Verlusten für die Volkswirtschaft und Schwierigkeiten in der Lebensplanung der betroffnen Bevölkerung.

Weiterhin wurde mehrfach auf die Bedeutung eines funktionierenden Rechtssystems hingewiesen. Der Staat müsse nicht nur dafür sorgen, dass die Kapazitäten des Rechtssystems ausreichend seien, sondern auch durch Prävention erreichen, dass die Zahl der Straftaten sinke und es so gar nicht erst zu einer Überforderung des Systems komme. Bisher kommt in vielen Ländern des Kontinents wegen Überlastung ein äußerst geringer Prozentsatz der Straftäter tatsächlich vor Gericht.

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Finanzielle Mittel als notwenige aber nicht hinreichende Bedingung

Zuletzt wurde neben dem politischen Willen auch immer wieder ein Punkt aufgegriffen: Die Freigabe von finanziellen Mitteln ist und bleibt unabdingbar für gut ausgebildetes Personal auch in der Inneren Sicherheit, für technische Ausstattung, Forschung und Koordination. Weiterhin bleibt die Bildung ein essentielles Instrument zur Prävention. Auch hierfür werden finanzielle Mittel benötigt, die in vielen Ländern ausreichend vorhanden sind. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass ausgerechnet in den reichsten Ländern Lateinamerikas die Lage der Inneren Sicherheit am schlechtesten sei. Das Problem sei also eher in der krassen Ungleichheit als in der Armut zu suchen. Der hohe Grad der Korruption bleibt ebenfalls ein enormes Problem, dessen Erörterung den zeitlichen Rahmen des Seminars gesprengt hätte.

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Positive Signale

Neben der Demonstration von zahlreichen Problemen gab es auch einige Lösungsvorschläge. Ein positives Beispiel stellte Antonio Ferreira Pinto, derzeitiger Minister für Innere Sicherheit im Bundesstat São Paulo, vor. Innerhalb der letzten zehn Jahre habe sich die Statistik der Gewaltverbrechen erheblich verbessert, darunter vor allem auch die Mordrate und die Zahl der sog. Chacinas (Morde mit mindestens drei Opfern). Als Erklärung für diesen Erfolg, wie er in anderen Metropolen der Gegend bisher nicht erreicht werden konnte, führte er unter anderem die Kartierung der Gewalt und eine darauffolgende erhöhte Präsenz des Staates in besonders betroffenen Gegenden an. Dies wurde etwa durch verbesserte Beleuchtung von Straßenzügen, Polizeiposten oder Plätzen für die Freizeitgestaltung erreicht.

Die Stiftung Liberdade e Cidadania plant momentan eine Veröffentlichung zum Seminar. Bei Publikation finden Sie weitere Informationen auf unserer Homepage.

31.03.2010

Kathrin Zeller

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