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Virtuelle Demokratie - Goiânia

Am 20. November 2014 organisierte die KAS zusammen mit der Universität des Bundestaates von Goias (UFG) die Veranstaltung aus der Seminarreihe „Virtuelle Demokratie” in Goiânia, der Hauptstadt des Bundesstaates Goiás. Die anwesenden Spezialisten und Akademiker beschäftigten sich in den zwei Panels hauptsächlich mit der Frage, wie man die Distanz zwischen Staat und Gesellschaft durch die Nutzung digitaler Techniken verringern könne.

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Am ersten Panel zum Thema „Virtuelle Demokratie und Politische Kultur“ nahmen der Professor für Digitale Demokratie an der Universität Jorge Amado (UNIJorge), Herr Camilo Aggio sowie Herr Thales Castro, maltesischer Honorarkonsul in Recife und Professor an der Katholischen Universität von Pernambuco (Unicap) teil. Moderiert wurde die Debatte von KAS-Mitarbeiter Diogo Rigaud.

Herr Camilo Aggio, der als erster Redner die Diskussion anstoß, stellte gleich zu Beginn seines Beitrags die Hypothese in Frage, wonach linksgerichtete Regierungen die soziale Beteiligung demokratischer Entscheidungsprozesse mehr fördern würden als rechtsgerichtete. Seiner Meinung nach gäbe es keinen Staat auf der Welt, in dem die digitale Partizipation eine Priorität sei. Des Weiteren widersprach Camilo Aggio der These einer politischen Repräsentationskrise und verwies vielmehr auf die generelle Politikverdrossenheit der Bevölkerungen. Um diese zu überwinden, sei gerade das Internet ein ideales Instrument, da es in der Lage sei die Distanz zwischen Staat und Zivilgesellschaft zu verringern. In diesem Kontext ließ er von vornherein auch nicht die Kritik einer Ausgrenzung von sozial Schwächeren gelten: den Statistiken in Brasilien nach würde die Anschaffung digitaler Apparate in allen Gesellschaftsschichten exponentiell steigen. Nach Camilo Aggio läge das zentrale Problem der brasilianischen Demokratie darin, dass der Bürger die Auswirkung seiner Partizipation am demokratischen Prozess nicht erkennen könne. Seiner Meinung nach müsse der Staat hier Abhilfe schaffen und durch eine Erhöhung der Transparenz wieder mehr Vertrauen zwischen Staat und Gesellschaft schaffen.

Den zweiten Beitrag zur Runde lieferte der maltesische Konsul in Recife, Herr Thales Castro. Nachdem er darauf verwiesen hatte, dass die Form der Demokratie nicht einheitlich sei und diese Aussage durch verschiedene Beispiele der Geschichte untermauerte, erläuterte er zwei Theorien, die seiner Meinung nach eine Demokratie definieren könnten. Auf der einen Seite gebe es eine minimalistische Form der Demokratie, die sich nur auf Elemente der Wahlbeteiligung beziehe. Dem gegenüber stehe die maximalistische Theorie, die neben dem Element der Wahlbeteiligung noch weitere Anforderungen wie Pressefreiheit, Schutz von Minderheiten usw. voraussetze. Grundsätzlich stellte er fest, dass es heute auf der Welt keine Demokratie gebe, die dem Modell der griechischen direkten Demokratie entspreche.

Kern der darauffolgenden Publikumsdiskussion war die Frage, ob eine digitale Form der Demokratie die repräsentative Demokratie auf Dauer ablösen könne. Diese Vorstellung wurde von beiden Rednern verneint, da es ihrer Meinung nach eine Virtuelle Demokratie überhaupt nicht gebe, sondern lediglich Initiativen zur Digitalisierung der Demokratie.

Die zweite Runde, die von Camilo Aggio moderiert wurde, fand unter dem Titel „Virtuelle Demokratie und Zivilgesellschaft“ statt. Nachdem das erste Panel vor allem theoretische Fragen und Modelle der digitalen Demokratie besprochen hatte, ging es den Redner Diego Cunha und Camila Braga in dieser zweiten Runde darum, ihre Praxiserfahrungen mit Initiativen zur Digitalisierung der Demokratie vorzustellen.

Als erstes ergriff Herr Cunha das Wort und stellte das „Hackerlabor“ der Brasilianischen Abgeordnetenkammer vor, in welchem er seit dessen Gründung im Januar 2014 beschäftigt ist. Zu allererst befasste er sich mit dem Begriff des „Hackers“, den er in das rechte Licht rücken wollte. Anders als allgemein angenommen, seien Hacker keine Kriminellen, denen es nur darum gehe „digitalen Schaden“ anzurichten, sondern Computerspezialisten, die sich darum bemühen Lücken und Fehler in den digitalen Systemen offenzulegen. Ziel der Initiative des Hackerlabors sei es daher, die Fehler und Lücken der brasilianischen Demokratie durch mehr Transparenz im politischen Geschehen aufzudecken und so zur Verbesserung des Systems beizutragen. In der Tat habe das Hackerlabor für die Brasilianische Abgeordnetenkammer eine Website erstellt, auf der sämtliche Daten über die Abgeordneten und deren Arbeit verfügbar sind. Auch die Entwicklung von Programmen und Applikationen für PC und Smartphones sollten die Demokratie dem Bürger näherbringen. Die Idee dahinter ist einfach: Cunha nach führe mehr Transparenz zu mehr Vertrauen der Bürger in das System und dadurch zu mehr Beteiligung am demokratischen Geschehen. Ein Medium dafür stelle das Hackerlabor mittels der Facebook-Seite „e-democracia“ zur Verfügung.

Camila Braga, die für die Kommunikation der Stadtverwaltung Curitibas in den Sozialen Medien verantwortlich ist, begann ihren Vortrag mit der Frage an das Publikum, wer die Sozialen Medien Facebook, Twitter und Instagram nutze. Erwartungsgemäß bejahte der Großteil der Anwesenden die Frage. Als Camilia Braga jedoch fragte, wer eine Lokalverwaltung oder eine Regierung in diesen Medien folgte, schwieg der Saal. Die Rednerin wollte damit zeigen, dass sich die Legislative und die Exekutive generell damit schwer tun die Menschen in den Sozialen Medien mit ihren vermeintlich bürokratischen und schwerfälligen Themen zu erreichen. Genau dort verbringen aber immer mehr Bürger immer mehr Zeit. Dementsprechend müsse es das Ziel der Verwaltungen sein, dort präsenter zu sein, um dieses Potenzial für sich zu nutzen. In der Tat sei die Echtzeitkommunikation gerade für lokale Verwaltungsbehörden vorteilhaft, da dies eine rasche Kommunikation mit den Bürgern in Gefahrensituationen oder anderen besonderen Situationen sicherstelle. Im zweiten Teil des Seminars stellte Camila Braga ihre tägliche Arbeit als Kommunikationsexpertin der Stadt Curitiba vor. Anhand von verschiedenen Beiträgen der Stadtverwaltung, die auf Facebook und Twitter veröffentlicht wurden, erklärte sie, wie die moderne Kommunikation mit den Bürgern funktioniert. Das von ihr entwickelte Konzept ist dabei immer dasselbe: Anstatt eine Information auf klassischer bürokratischer Art und Weise zu übermitteln, soll die Aufmerksamkeit der Internetnutzer zuerst durch einen auf den ersten Blick scherzhaften Beitrag in den sozialen Medien gewonnen werden. Sobald dies erreicht ist, fügt die Stadtverwaltung auf subtile Art und Weise die eigentliche Information ein. Als Beleg für den Erfolg dieser Methode verwies Camila Braga auf die außergewöhnlich hohe Anzahl an „Likes“ für Beiträge der Stadtverwaltung Curitibas.

Die Seminarreihe „Virtuelle Demokratie“ wurde nach den Protesten von 2013 zahlreichen Großstädten Brasiliens ins Leben gerufen. Durch Konferenzen, die in allen Teilen Brasiliens abgehalten werden, sollen Modelle und Initiativen diskutiert werden, die das Vertrauen zwischen Staat und Zivilgesellschaft fördern sollen. Unter den Hashtags #kas und #democraciavirtual können Interessierte die Debatten rund um die Digitale Regierungsführung und Bürgerbeteiligung verfolgen und zu eben dieser durch eigene Ideen und Anregungen beitragen.

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