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Zehn Jahre nach 9/11: Wie der Angriff Amerika verändert hat

In einem Abendvortrag gab der Washingtoner Korrespondent des "Tagesspiegel" eindrucksvolle Einblicke in die Problematik des Gefangenenlagers Guantanamo

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Internationale Schuldenkrise, Euro-Rettungsschirm, Superwahljahr, da kann schnell dem deutschen Mediennutzer aus den Augen geraten, wie der 11. September 2001 die Welt verändert hat Die Berichterstattung zum Gedenktag selbst war allerdings überwältigend; immer wieder sah man die Türme des World Trade Center fallen, im Fernsehen sah man noch einmal die „Dust Lady“, eine Überlebende, deren Photo damals um die Welt ging. Aber dann brach unser Interesse wieder ab und wendete sich – wie es jetzt so häufig vorkommt – dem nächsten Problem zu.

Christoph von Marschall ist ein anderer Typ von Berichterstatter. Seit vielen Jahren in Washington für den „Tagesspiegel“ tätig, ist er früh in den faszinierenden Dunstkreis der Obamas gekommen, hat den späteren Präsidenten auf Wahlkampfreisen begleitet und daraus eine Biographie gemacht. Später hat er auch über Michelle Obama geschrieben und damit eine weitere Seite des frühen Ruhms der Obama-Präsidentschaft berührt, die selbstbewusste, starke und strahlende First Lady.

Christoph von Marschall bleibt bei seinen Themen und verfolgt sie beharrlich, nur so entsteht allmählich ein rundes Bild. Wie haben sich die USA durch 9/11 verändert? Das war das Thema seines öffentlichen Vortrages im Universitätsclub Bonn, den 220 Teilnehmer verfolgt haben. Man hätte ein breites Spektrum darbieten können, Sicherheitsgesetze, Kriege, Militarisierung der Politik, gigantische Ausgaben, die letztlich die aktuelle Verschuldungskrise mit ausgelöst haben. Aber von Marschall ist einen anderen Weg gegangen: Er hat sich auf ein Reizthema konzentriert: Guantanamo. Wo man auch hinkommt, dieser Name fällt in kürzester Zeit und er reicht, um die USA nach 9/11 zu stigmatisieren. Guantanamo ist für viele der endgültige Beweis, dass die Weltmacht ihren moralischen Anspruch verwirkt habe.

Christoph von Marschall war zweimal dort, was ihn von 80 Millionen Guantanamo-Kennern in Deutschland unterscheidet. Er hat seine Eindrücke in Photos festgehalten, die selbstverständlich genehmigt worden sind; also muss er sie kommentieren und über das berichten, was man nicht auf Photos sieht. Er tut dies in differenzierter Form, ohne die Ungenauigkeiten der USA-Apologeten, aber auch ohne diese moralisierende Häme, die sich immer mehr in USA-Debatten breitmacht. Er beschönigt nicht und stellt gleichzeitig klar, dass Guantanamo eine Wandlung durchgemacht hat, der sich die deutsche Berichterstatung immer noch verweigert. Die für unsere Vorstellungswelt so typischen Käfige mit Gefangenen in orangenen Overalls gibt es schon seit Jahren nicht mehr!

Guantanamo wird jetzt immer mehr ein Gerichtsort, an der die (wenigen) verbleibenden Gefangenen abgeurteilt werden. Und von Marschall konnte zeigen, in welchem Dilemma der Präsident steckt. Niemand, weder seine eigenen 50 Staaten, noch das befreundete Ausland wollen die Gefangenen aufnehmen, die nicht vor Gericht gestellt werden sollen. Obama will das Problem lösen, aber kann es nicht. Und das Lager wird bis zum Ende seiner (ersten?) Amtszeit bestehen bleiben. Liberale demokratische Wähler werden es ihm nicht danken, dass ein weiteres Versprechen nicht eingehalten werden konnte.

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Dr. Johannes Christian Koecke

Dr

Referent Politische Grundsatzfragen und Internationale Politik, Büro Bundesstadt Bonn

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