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Expert conference

Dritter israelisch-palästinensischer Journalisten - Workshop

der KAS, IPCC und dem Peres Center for Peace

.

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>>Journalisten aus feindlichen Lagern

von Ulrich W. Sahm, z.Z. Antalya, Türkei, 17. August 2003

"Wenn wir uns gegenseitig besser kennen, könnten wir vielleicht eines Tages

die Wahrheit veröffentlichen." Die Worte der palästinensischen Journalistin

Roula Amin bei einem Treffen israelischer und palästinensischer Reporter im

neutralen Antalya in der Türkei, stand wie ein Motto im Raum. Die Konrad

Adenauer Stiftung hatte jeweils neun Presseleute beider Seiten eingeladen.

Illan, ein ehemaliger Oberstleutnant bei der Eliteeinheit "Sajeret Matkal"

war mit "Terror-Bekämpfung" betraut, ehe er als Zivilist Militärreporter

beim israelischen Soldatensender wurde. Seine palästinensischen Kollegen

reagierten brüskiert, als er von "Terroristen" erzählte, deren Versteck in

einem Flüchtlingslager in "Judäa und Samarien" von einer "unschuldigen"

Familie gedeckt wurde. Die verwendeten Begriffe stießen auf Widerspruch,

nicht seine Beteiligung an einer Militäraktion als "eingebetteter

Journalist". Abdel Raouf konterte: "Für uns sind das Freiheitskämpfer. Wir

haben ein legitimes Recht, uns gegen einmarschierende fremde

Besatzungstruppen zu wehren."

Ayman, Direktor eines Fernsehsenders in Ramallah, brüskierte schon bei

seiner Vorstellung: "Ich bin in Gaza geboren, stamme von einer aus Jaffo

geflüchteten Familie und lebe in Ramallah." Der Maariv-Reporter für

"palästinensische Angelegenheiten", ein junger Israeli mit irakischen

Vorfahren, war verärgert: "Die Betonung auf der Flucht aus Jaffo beweist,

dass die Palästinenser auf ihrem Recht auf Rückkehr bestehen. Niemand redet

darüber, dass mein Großvater einer der reichsten Männer des Irak war. Bei

seiner Flucht aus Irak wurde alles beschlagnahmt. Er startete in Israel in

einem Flüchtlingslager."

Golan, der Redakteur des Soldatensenders, irritierte mit einem T-Shirt mit

der hebräischen Aufschrift "Tel Aviv". Seine Präsentation über die

israelischen Presse trug er auf Hebräisch vor, obwohl er leidlich gut

Englisch sprach. Eine arabische Kollegin hatte als Halsschmuck ein Kettchen

mit einer Landkarte von "Groß-Palästina" und dem palästinensischen Wappen

gewählt.

Diese kleinen "Sticheleien" betrachtete der Konferenz-Leiter, Johannes

Gerster, als "unerzogen". Die Feindseligkeit des Konflikts war nicht nur

Thema des Treffens: " Medien in Krisenzeiten". Sie war auch im Gepäck

mitgebracht worden, als Zeitungsartikel, Bilderserien und Filmausschnitte.

Was eine Seite als "Spiegel der Wirklichkeit" sah, empfand die andere als

"Propaganda" und "Beleidigung", wie Abdel Raouf der Zeitung El Ayam sagte.

Gleichwohl entstand während der drei Tage in Antalya eine bemerkenswerte

Dynamik. Die Journalisten waren professionell genug, um sich über die Dinge

zu stellen und nicht nur "Patrioten" zu sein. Israelis wie Palästinenser

haben ihre liebe Not, bei den Sprechern zwischen Wahrheit und Propaganda zu

unterscheiden, Zugang zu Informationen zu erhalten oder dem Druck ihrer

Regierungen zu widerstehen.

Die wichtigsten Gespräche fanden nach dem "offiziellen" Teil statt, beim

Abendessen oder an der Bar. Raed aus Bethlehem erzählte, wie sein Onkel von

"tausend Kugeln" durchsiebt wurde, obgleich er mit Genehmigung des

israelischen Kommandeurs zum Hospital fuhr. Illan sagte: "Ich kenne den

Zwischenfall. Ich war dabei. Das war ein Missverständnis wegen mangelnder

Kommunikation." Dennoch kam keine schlechte Stimmung auf. Raed lud die

Teilnehmer zu einer Eselstour nahe Bethlehem ein, "um die Probleme der

palästinensischen Bauern aus eigener Anschauung kennen zu lernen." Drori von

Maariv erzählte, dass seine Tochter im Laniado Hospital von Natanja in jener

Nacht zur Welt kam, als ein Selbstmordattentäter im Park Hotel 29 Menschen

tötete.

Die Fotografin Gali gestand, "Nachts nicht schlafen zu können". Sie hatte

gruselige Bilder von Toten mitgebracht, noch in zerfetzten Bussen liegend.

"Der Busfahrer sitzt am Steuer und sieht ganz lebendig aus", kommentierte

sie ein Bild. "Aber er war tot". Ihre Bilder von Begräbnissen und trauernden

Menschen wirkten genauso wie Fotos, die ihr palästinensischer Kollege Awad

"geschossen" hatte, auf muslimischen Friedhöfen. In Dschenin waren die Toten

in weißen Plastiksäcken aufgereiht, in Jerusalem in schwarzen.

Der berufstypische Zynismus der Journalisten ließ keine persönliche

Animositäten aufkommen und sorgte selbst bei schmerzhaften Themen für

erlösende Witze und Lachen. Die Israelis boten Ayman vom Fernsehsender in

Ramallah an, seine von der israelischen Armee beschlagnahmten Computer zu

suchen. "Sechs Jahre Arbeit sind in ihnen gespeichert", klagte Ayman ohne

erkennbare Schuldzuweisungen. Raed versprach den Militärreportern Illan und

Felix ein Interview mit gesuchten "Terroristen im Untergrund". Ungläubig

meinte Illan: "Die Frage ist nicht, ob Du mir das Interview organisieren

kannst, sondern ob ich da auch wieder lebendig rauskomme." Raed versicherte,

dass "noch keinem Journalisten ein Haar gekrümmt wurde". Das war in der

Pause. Der nächste Vortrag galt jenen Journalisten, die während der Intifada

erschossen, von Soldaten bedroht oder von Palästinensern zusammengeschlagen

worden waren.

Zufrieden verbuchte Gerster von der Adenauerstiftung einen winzigen Erfolg

bei seinen Bemühungen, Israelis und Palästinenser dem Frieden einen kleinen

Schritt näher zu bringen: Alle tauschten Visitenkarten aus und trennten sich

von ihren "neuen Freunden" mit dem Gefühl, "dazugelernt" zu haben. "Wann

haben wir schon die Gelegenheit, mit unseren palästinensischen Kollegen zu

reden, ohne dass uns Kugeln um die Ohren fliegen", meinte Illan. "Wenn was

passiert, weiß ich jetzt, wen ich anrufen kann", sagte Raed.

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Venue

Antalya

Contact

Amos Helms

Amos Helms

Desk Officer for Asia in the Department International Dialogue Programs

amos.helms@kas.de +49 30 26996-3440 +49 30 26996-3558

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