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Event Reports

„Damals, dann und danach“

by Michael Mertes

Deutsch-jüdischer Dialog mit Barbara Honigmann

Rund 130 Gäste kamen am Abend des 24. Oktober 2011 ins Jerusalemer Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum, um an einer Dialogveranstaltung mit der Schriftstellerin Barbara Honigmann teilzunehmen. Sie waren einer Einladung der KAS Israel und des Franz-Rosenzweig-Zentrums für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem gefolgt. Barbara Honigmann begeisterte das Publikum durch ihre erfrischend offene Art des Umgangs mit so komplexen Fragen wie jener nach ihrer jüdischen Identität im Dreieck zwischen Europa, Deutschland und Israel.

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Die Verbindungen der KAS zu Barbara Honigmann gehen in die Neunzigerjahre zurück. Damals hielt sie eine Lesung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin, und später wirkte sie an der KAS-Autorenwerkstatt in Cadenabbia mit. In seiner Begrüßung wies der Leiter der KAS Israel, Michael Mertes, auf die politische Dimension der Veranstaltung hin. Seit bald dreißig Jahren engagiere sich die KAS in Jerusalem für die Vertiefung der deutsch-israelischen Beziehungen. Dazu gehöre immer auch das Nachdenken über das deutsch-jüdische Verhältnis und – ganz allgemein gesprochen – die Zukunft der Erinnerung. „Damals, dann und danach“ – dieser programmatische Titel eines Buchs von Barbara Honigmann sei ein besonders passendes Leitmotiv für diesen Abend.

Professor Reuven Amitai, Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der Hebräischen Universität Jerusalem, und Professor Yfaat Weiss, Direktorin des Franz-Rosenzweig-Forschungszentrums daselbst, würdigten die Bedeutung von Barbara Honigmann als Schriftstellerin von europäischem Rang, die, wie sie selber einmal schrieb, „den dreifachen Todessprung ohne Netz“ gewagt habe: „vom Osten in den Westen, von Deutschland nach Frankreich, und aus der Assimilation mitten in das Thora-Judentum hinein“. Barbara Honigmann, 1949 geboren, zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autorinnen und Autoren der „zweiten Generation“, also der Kinder von Überlebenden der Shoah.

Mit einem Abschnitt aus ihrem Buch „Ein Kapitel aus meinem Leben“ gewährte sie dem Publikum Einblicke in das Leben einer Tochter deutsch-jüdischer „Remigranten“ im Ost-Berlin der Nachkriegszeit. In einem ausführlichen Gespräch mit Professor Amir Eshel von der Stanford University beantwortete sie dann Fragen nach ihrem Weg aus einem nichtreligiösen kommunistischen Elternhaus erst in die Ost-Berliner und später in die Straßburger Jüdische Gemeinde. Zunehmende Entfremdung von der DDR ließ sie 1984 in den Westen ausreisen. Das Schreiben, mit dem sie in den Siebzigerjahren begann, ist für sie ein Akt der Freiheit – und damit immer auch ein eminent politischer Vorgang. Unter den Autoren, die sie besonders beeindruckt und beeinflusst haben, nannte sie Heinrich von Kleist und Max Frisch.

Über ihr Leben in Straßburg berichtete sie, dass der dort herrschende intellektuelle Zugang zum Judentum sie besonders inspiriere. Ihr Verhältnis zum Staat Israel beschrieb Barbara Honigmann mit den Worten: „Ich fühle mich Israel verbunden, aber nicht verpflichtet; ich fühle mich nicht sehr zionistisch“. Ganz offen bekannte sie, dass sie in Israel die Einteilung des Judentums in verschiedene klar voneinander abgegrenzte und sich abgrenzende Gruppierungen als störend empfinde. In Straßburg könne sie ihr orthodoxes Judentum leben, ohne sich in bestimmte Kategorien einordnen zu müssen.

Mehrere Fragen aus dem Publikum und viele Gespräche nach der zweistündigen Veranstaltung zeigten, dass es Barbara Honigmann gelungen war, ihr Publikum zum vertieften Nachdenken und zu intensiven Debatten anzuregen.

Michael Mertes / Julia Remy

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