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Event Reports

„Economic Peace – The Only Game in Town”: Neue Impulse für den israelisch-palästinensischen Friedensprozess

In einer Situation, in der der Friedensprozess ins Stocken geraten ist, setzte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Israel/Palestine Center for Research and Information (IPCRI) mit einer zweitägigen Konferenz neue Impulse für die israelisch-palästinensische Kooperation. Am 19. und 20. Februar 2010 trafen sich politische Berater, Akademiker und Unternehmer aus Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten in zwei Arbeitsgruppen, um Vorschläge für den Friedensprozess und die wirtschaftliche Kooperation zu erarbeiten.

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Die politische Arbeitsgruppe stieg mit einer Analyse der gegenwärtigen Situation ein: „Momentan befindet sich der Friedensprozess in einer dreifachen Sackgasse”, so ein israelischer Vertreter. Erstens aufgrund der Forderungen vonseiten der palästinensischen Autonomieverwaltung nach einem Siedlungsstopp als Voraussetzung für Verhandlungen. Zweitens, weil die israelische Seite aufgrund der guten wirtschaftlichen Situation und der relativ entspannten Sicherheitslage keinen Handlungsbedarf sehe. Momentan scheine ein wirtschaftlicher Frieden erreichbarer und attraktiver als eine politische Lösung zu sein. Außerdem sei aus israelischer Sicht die Hamas kein legitimer Verhandlungspartner, sodass eine Einigung, die den Gazastreifen einschließen würde, momentan nicht absehbar sei. Drittens habe auch die Initiative des US-Sondervermittlers George Mitchell bisher nicht die erhofften Erfolge erzielt.

Ein möglicher Ausweg könnten die von den USA angestrebten indirekte Verhandlungen (Proximity Talks) sein, in denen über Bedingungen und Modalitäten direkter Verhandlungen gesprochen werden soll. Auch wenn dies nach 18 Jahren Friedensprozess wie ein Rückschritt scheinen mag, so ist es doch die einzige Möglichkeit, überhaupt voranzukommen. In der zweiten Sitzung, die sich eben diesem Vorschlag widmete, wurde von beiden Seiten betont, dass es nur unter amerikanischer Führung zu einer Einigung kommen könne. Besonders die israelische Seite stellte heraus, dass es nur eine Lösung, nämlich die Zwei-Staaten-Lösung, gebe; die Alternative eines gemeinsamen Staates, die zunehmend unter Palästinensern diskutiert wird, sei keine Lösung, sondern allenfalls eine Option, in der der Konflikt schon aufgrund des demographischen Patts weitergehen würde. Einig waren sich beide Seiten darin, dass ein Abkommen auf den Grenzen von ’67 beruhen müsse, wobei ein Landtausch der sich seitdem veränderten Realität gerecht werden müsse.

Bei folgenden bereits bekannten Ideen wurden erneut diskutiert, ob sie realisierbar und erfolgversprechend seien: Einerseits die Möglichkeit einer Initiative des jordanischen Königs Abdullah II, der seine Reputation in der Region nutzen könnte, um den Friedensprozess voranzubringen. Andererseits der Versuch, einen Friedensschluss zwischen Syrien und Israel zu erreichen, der die Situation in der Region entspannen würde und so auf lange Sicht auch einen Frieden zwischen Israel und den Palästinenser wahrscheinlicher machen würde.

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Eine weitere Sitzung beschäftigte sich mit der konkreten Verbesserung der Situation insbesondere in der Westbank, indem nach Möglichkeiten gesucht wurde, Zuständigkeiten von israelischen Autoritäten zu palästinensischen Institutionen zu transferieren. Um die Sicherheitsinteressen Israels mit dem Entwicklungswillen in den palästinensischen Autonomiegebieten zu verbinden, wurde diskutiert, einen gemeinsamen Masterplan zur Erschließung der Westbank (Infrastruktur, Industriezonen, politische Institutionen) zu erarbeiten. Ein Vertreter der Verwaltung der palästinensischen Stadt Jenin stellte Entwicklungsmöglichkeiten seiner Region vor, israelische Vertreter wollen nun dabei helfen, noch bestehende Probleme zu lösen.

Die zuletzt geschilderten Fragen wurden intensiver in der Wirtschaftsgruppe diskutiert. Die jetzige israelische Regierung konzentriere sich auf einen sogenannten „Economic Peace”, um die Grundlagen für einen späteren Friedensvertrag und einen unabhängigen palästinensischen Staat zu schaffen. Wie ein Teilnehmer bemerkte, sei dies „the only game in town”. Hierzu hielt eine Vertreterin des Außenministeriums einen Vortrag, in dem sie auf die Einzelheiten dieses Plans und auf bisherige Erfolge einging. Mit der neuen Regierung sei beispielsweise das Ministerium für regionale Kooperation unter Minister Silvan Shalom, den sie als sehr dynamisch und engagiert lobte, wieder eingerichtet worden. Desweiteren sei ein Komitee auf Ministerialebene unter Führung des Premierministers eingerichtet worden, welches sich darauf konzentriere, Hindernisse für Wirtschaftswachstum in der Westbank zu beseitigen. Israel arbeite auch mit der internationalen Gemeinschaft zur wirtschaftlichen Unterstützung der Westbank zusammen und setze konkrete Maßnahmen beispielsweise an den Grenzübergängen durch.

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Im Gespräch: Die Economic Group

Aus Gaza konnten jeweils ein führender Geschäftsmann und ein Wirtschaftsberater an dem Seminar teilnehmen. Beide schilderten sehr eindringlich die dortige Situation. Insbesondere wurde das Problem der Tunnel diskutiert und konkrete Preise für einzelne Güter angeführt. Die von den Ägyptern im Bau befindliche Stahlmauer, die bis 20 m unter die Erde gehen soll, sei keine effektive Lösung zur Beseitigung des Schmuggels zwischen Ägypten und dem Gazastreifen, da die Tunnel dann einfach entsprechend tiefer gegraben werden würden. Die Tunnelwirtschaft versorge Gaza mit allen Konsumgütern, wovon die Hamas finanziell profitiere und wodurch ihr Ansehen bei der Bevölkerung wachse. Leidtragende seien diejenigen Geschäftsleute, die nicht Teil der Hamasstrukturen sind. Der israelische Boykott spiele diesen mafiaähnlichen Strukturen in die Hände, so ein palästinensischer Unternehmer. Besonders problematisch sei der Rohstoffmangel in Gaza, der die Produktion und den Wiederaufbau verhindere und damit auch Arbeitsplätze vernichte. Wirtschaftliche und soziale Strukturen würden sich verändern und auch alle wichtigen Stellen im Sicherheitsbereich und im Rechtssystem seien jetzt von Hamasleuten besetzt.

Dieses Regime der Hamas führe jedoch nach Einschätzung beider Teilnehmer auch dazu, dass die Hamas bei freien Wahlen im Gazastreifen nicht mit einem Sieg rechnen könne. Gerade deswegen wehre sich die Hamas gegen eine Versöhnung mit der Fatah.

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Der stellvertretende palästinensische Wirtschaftsminister, der ebenfalls an der Konferenz teilnehmen konnte, berichtete, dass er ein Komitee leite, welches einen strategischen Plan für wirtschaftliche Entwicklung erstelle, um den Fayyad-Plan zu unterstützen. Er betonte, dass Israel nach wie vor der wichtigste Handelspartner für die Palästinenser sei; zwischen israelischen und palästinensischen Geschäftsleuten bestünden bessere Abkommen als zwischen den Regierungen.

Ebenfalls anwesend war ein leitender Berater des israelischen Ministers Silvan Shalom, der federführend an den Gemeinschaftsprojekten mit Palästinensern mitwirkt. Diese beiden Teilnehmer fanden einen guten direkten Draht zueinander und planen, nach der Konferenz gemeinsame Strategien auszuarbeiten. Das Ministerium für regionale Kooperation hat Gelder speziell für israelisch-palästinensische Gemeinschaftsprojekte zugewiesen bekommen und sucht nach unterstützenswerten Initiativen.

Abschließend wurden in der Wirtschaftsgruppe zwei palästinensische Vorträge eingehend diskutiert: Einer zum Thema alternativer Exportwege für Westbank und Gaza und ein Vortrag zu israelisch-palästinensischen Partnerschaften im ICT (Information Communication Technology)-Bereich. Gerade für High-Tech-Firmen bieten die palästinensische Mitarbeiter eine attraktive Alternative zu Outsourcing nach Indien und China (Vorteile: gleiche Zeitzone, vergleichbar günstige Tagessätze, kulturelle Nähe, qualifiziertes Personal). Die Palästinenser wiederum können davon profitieren, dass sie über das Internet arbeiten können und physisch nicht vor Ort sein müssen.

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Viele der diskutierten Vorschläge werden nun an politische Entscheidungsträger weitergeleitet bzw. in kleineren Arbeitsgruppen ausgearbeitet, um so neue Impulse zu setzen.

Auch wenn der Friedensprozess momentan zu stocken scheint, so blieben die Konferenzteilnehmer doch optimistisch. Beide Seiten betonten immer wieder, dass es für jedes Problem eine Lösung gebe und dass sie weiterhin alle Energie darauf verwenden würden, um Zustimmung für diese Lösungen zu werben.

Erfreulich sind die Fortschritte in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten sowie der Aufschwung in der Westbank. Von Konferenzteilnehmern wurde das Beispiel der europäischen Integration bemüht, die ebenfalls mit einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit begann. So besteht die Hoffnung, dass wirtschaftliche Kontakte zu gegenseitiger Akzeptanz führen und die Bereitschaft auch zur politischen Zusammenarbeit stärken.

Katja Tsafrir und Katharina Stichling

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