Asset Publisher

Event Reports

Follow up of Female Bedouin Students at Ben-Gurion University of the Negev

Die Stärkung der demokratischen Strukturen ist ein Schwerpunkt der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel. Hierbei geht es vor allem um Probleme, die sich aus der Konfliktsituation ergeben wie die politische und wirtschaftliche Integration der arabischen Minderheit, aber auch ganz allgemein um die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen in Politik und Gesellschaft. So unterstützt die KAS zum Beispiel zusammen mit dem 1997 gegründeten „Robert H. Arnow Center for Bedouin Studies and Development” den Zugang der Beduinen zur höheren Bildung.

Asset Publisher

Um das Programm „Integration durch Qualifizierung” verbessern zu können, ist nun eine Studie erschienen, die untersucht, warum ein Teil der Studentinnen ihr Studium abgebrochen haben.

http://farm5.static.flickr.com/4001/4208577650_d4e90fe012.jpg

In der Negevwüste im Süden Israels leben ca. 130.000–170.000 Beduinen (von arabisch badawi „nicht sesshaft”), ursprünglich ein in den Wüsten des Nahen und Mittleren Ostens umherziehender Nomadenstamm, der von der Zucht von Kamelen, Schafen und Ziegen lebte und bis heute Wert auf seine kulturelle Eigenständigkeit legt. Nach der Staatsgründung versuchte die israelische Regierung, wie andere Staaten auch, die Beduinen sesshaft zu machen, wogegen sich aber viele Beduinen wehren. Heute lebt schätzungsweise ein Drittel in vom Staat nicht anerkannten Dörfern und Siedlungen notdürftig in Zelten aus Plastikplanen und Zinkgerüsten ohne fließendes Wasser, Abwasserleitungen, Strom, medizinische Versorgung oder ausreichenden Zugang zu schulischer bzw. höherer Bildung. Der Rest ist – freiwillig oder durch Abriss der Behausung dazu gezwungen – in eine der sieben von der Regierung konstruierten neuen Planstädte gezogen, in denen die Infrastruktur zwar deutlich besser, die wirtschaftliche und soziale Situation aber weiterhin Anlass zu großer Sorge ist. Zu Armut, mangelnder Bildung und hoher Arbeitslosigkeit (30% der Männer und 85% der Frauen) kommen hier Kriminalität, Drogenprobleme und Feindseligkeit gegenüber Israel hinzu. Auch die Situation der Frauen ist weit entfernt von modernen Maßstäben: Die meisten haben nur wenig persönlichen Freiraum und Entwicklungsmöglichkeiten, ihr Leben wird vielmehr bestimmt von den männlichen Familienmitgliedern wie Vater oder Ehemann. Zumeist werden sie nach einer dürftigen Schulbildung als junge Mädchen innerhalb der Sippe verheiratet und sind fortan für den Haushalt und die Kindererziehung zuständig. Nach wie vor lebt ca. 40% der Beduinen polygam, jede Frau bekommt im Durchschnitt zehn Kinder, so dass ein Mann mit vier Ehefrauen und 30 Kindern kein Einzelfall ist. Insgesamt spiegelt die Situation der beduinischen Minderheit in Israel einen schwierigen Wandlungsprozess, der von vielen gleichsam als „Absturz in die Moderne” erlebt wird.

http://farm3.static.flickr.com/2581/4207835851_ee541e8e6f.jpg
Beduinische Studentin an der Ben-Gurion-Universität

Das Beduinen-Zentrum und die KAS setzen deshalb auf Bildung, um die sozial und wirtschaftlich marginalisierte Situation der Beduinen zu ändern und ihnen eine erfolgreiche Integration in die israelische Gesellschaft zu ermöglichen. Hierfür werden unter anderem auf ein Studium vorbereitende Kurse an den Schulen angeboten sowie Stipendien für ein Studium an der Ben-Gurion-Universität in Beer-Sheva – insbesondere auch an Frauen – vergeben. Um herauszufinden, warum viele Beduinen ihr Studium trotz dieser Unterstützung abgebrochen haben, wurden nun 36 Frauen interviewt, um herauszufinden, welche Rolle Faktoren wie Alter, Wohnort (Stadt oder nicht anerkannte Siedlung), persönlicher Status (verheiratet/ledig, Anzahl der Kinder), Status und Beruf des Ehemanns sowie die allgemeine wirtschaftliche Situation für den Studienabbruch gespielt haben. Ergebnis der Untersuchung ist zunächst, dass die Stipendien einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, die Beduinenfrauen zum Studium zu ermutigen und ihnen so eine höhere Bildung zu ermöglichen. Fast 40% der Frauen gab an, dennoch vor allem aus finanziellen Gründen ihr Studium abgebrochen zu haben. Schwierigkeiten bei der Bewältigung der akademischen Anforderungen waren für rund 30% ausschlaggebend und knapp 20% gaben Heirat bzw. die Geburt von Kindern an. Probleme mit ihren traditionellen Familien sowie die Angst der Männer vor Statusverlust, insbesondere wenn diese selbst über keine höhere Bildung verfügen, hätten auch eine Rolle gespielt. Deshalb wollen die KAS und das Beduinen-Zentrum in Zukunft die Förderung besser an den individuellen finanziellen Bedarf anpassen und noch mehr fachliche Unterstützung in Form von Tutorien, Sprachunterricht in Hebräisch und Englisch anbieten. In der Diskussion steht auch eine psychologische Begleitung, um es den Frauen zu erleichtern, mit den Problemen umzugehen, die mit einem Wandel ihrer Identität einhergehen.

Ein überraschendes Ergebnis der Studie war demgegenüber, dass rund 70% der Studentinnen ihr Studium später wieder aufgegriffen – wenn auch nicht an der Ben-Gurion-Universität, so doch aber an lokalen Colleges und Lehrer-Seminaren – und zum Abschluss geführt haben. Zum Zeitpunkt der Interviews gab rund die Hälfte der Frauen an, als Lehrerinnen, Sekretärinnen oder Buchhalterinnen zu arbeiten. Sie sind zu einem Vorbild geworden für viele junge Beduinen. Insofern belegt die Studie, welche Bedeutung höhere Bildung für eine Integration der Beduinen in den israelischen Arbeitsmarkt und eine Neufindung ihrer Identität spielt. Eine Alternative hierzu gibt es nicht – sonst droht nicht nur Verelendung, sondern damit verbunden auch eine Radikalisierung. Denn selbst wenn sich die Beduinen bislang als loyal gezeigt und auch in der israelischen Armee durch ihre Kenntnis der Negevwüste bei der Suche nach Terroristen geholfen haben, so nimmt die Abneigung gegen Israel mit dem Grad der sozialen Probleme zu. Immer mehr fühlen sich angesprochen von extremistischen Islamisten, die in den Planstädten mit Vorschulen und Anti-Drogen-Kampagnen um die Gunst der Menschen werben. Vor diesem Hintergrund ist das Bildungsprogramm der KAS und des Beduinen-Zentrums auch als Beitrag zu sehen, ein friedliches und von gemeinsamen Werten getragenes Zusammenleben der unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Gruppen in Israel zu ermöglichen.

Anna Bernhardt

Asset Publisher

comment-portlet

Asset Publisher