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Event Reports

Kollektive Rechte als zentraler Bestandteil einer Verfassung

Vierte Or-Kommissions-Vorlesung von Prof. Menachem Ben-Sasson

In Anwesenheit des Kultur- und Wissenschaftsministers, Ghaleb Majadle MK, des Präsidenten der Universität Tel Aviv, Prof. Zwi Galil, des Vorsitzenden der Or-Kommission, Richter a.D. Theodor Or, und vor einem breitem Publikum von Studenten und Interessierten aus allen Bereichen der Gesellschaft, fand in der vergangenen Woche die von Konrad-Adenauer-Stiftung Jerusalem und dem Konrad-Adenauer-Programm für Jüdisch-Arabische Zusammenarbeit an der Universität Tel Aviv (KAP) veranstaltete Or-Kommissions-Vorlesung statt. Es handelte sich um den vierten Vortrag dieser jährlichen Veranstaltungsreihe, welche die Umsetzung der Or-Kommissions-Empfehlungen verfolgt und analysiert. Die Or-Kommission war eingesetzt worden, um die Vorfälle zu untersuchen, die im Oktober 2000 zur Tötung von 13 arabischen Bürgern Israels durch israelische Sicherheitskräfte geführt hatten.

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Dieses Jahr sprach der Vorsitzende des Verfassungs- und Rechtsausschusses der Knesset, Prof. Menachem Ben-Sasson MK (Kadima). Sein Vortrag stellte vor allem deswegen eine Innovation dar, weil zum ersten Mal ein offizieller Repräsentant des israelischen Parlamentes und der Regierung und gleichzeitig eine Schlüsselfigur auf dem Gebiet der israelischen Verfassung sich in der Öffentlichkeit zum Thema kollektiver Rechte der israelischen Minderheiten äußerte und dabei in erster Linie die Situation der arabischen Mitbürger darstellte.

In diesem Sinne, so Ben-Sasson, sei der Report der Or-Kommission ein Durchbruch gewesen, weil er nicht nur die Fehler der Vergangenheit aufgezeigt habe, sondern eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft darstellte, indem er konkrete Lösungsmöglichkeiten bot. Allerdings sei es Ben-Sassons Meinung nach nicht die Aufgabe des Gerichtes, im Nachhinein die Fehler aufzuführen.

Ben-Sasson betonte die Notwendigkeit einer Verfassung für Israel und erklärte, warum die kollektiven Rechte in der Verfassung des Staates verankert sein müssten. Israel dürfe nicht als rein defensive Demokratie wirken, da dies Staat und Gesellschaft nur schwächen könne. Es stelle keine Gefahr für den Staat dar, dass die israelischen Araber ihr eigenes Ausbildungssystem haben, oder dass die arabische Sprache ein offizieller Teil der Kultur Israels sei. Jedoch sollten auch die arabischen Mitbürger die Pflichten des Staates erfüllen, z.B. einen Zivildienst (statt des für die jüdische Bevölkerung verpflichtenden Militärdienstes) leisten. In jedem Fall sollten alle Rechte und Pflichten in einer Verfassung festgesetzt werden. „So lange dies nicht passiert, befinden wir uns immer auf einem schwankenden Schiff“, sagte Ben-Sasson.

Den arabischen Knessetabgeordneten, die absichtlich die Sitzungen des Verfassungsausschusses in der Knesset boykottierten, warf er vor, dass sie ihrer Aufgabe für das Wohl ihrer Wähler nicht nachkämen.

Die Worte von Ben-Sasson sind gerade zum aktuellen Zeitpunkt wichtig, denn sie können als Antwort auf die in den vergangenen Monaten laut gewordenen Stimmen von arabischen Meinungsführern gelten, wie etwa das „Future Vision“-Dokument, in welchem arabische Intellektuelle eine neue Strategie für die zukünftige Agenda der israelischen Araber postulieren und dabei zur Gründung einer arabischen Entität aufrufen, die sich vom israelischen Staatswesen trennt.

Eingangs bedankte sich der Kultur- und Wissenschaftsminister, Ghaleb Majadle MK, der erste und einzige arabische Minister in der israelischen Regierung, bei Richter Or für den Beitrag der Kommission für die arabische Minderheit in Israel. Er äußerte dabei jedoch auch seine Bedenken, dass immer noch nicht genügend für die Umsetzung ihrer Empfehlungen getan werde.

Hoffnung auf eine nachhaltige Änderung der Situation machte die Ankündigung von Prof. Ben-Sasson, er wolle den ersten Entwurf der israelischen Verfassung pünktlich zum sechzigsten Geburtstag Israels im nächsten Jahr einreichen.

Palina Kedem

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