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Event Reports

Religion als Chance zu Versöhnung und Verständigung

Interreligiöses Seminar zum Thema: "The Moral and Social Implications of Religious Fasting"

Nicht selten benutzen religiöse Führer ihren Einfluss, um extreme politische und gesellschaftliche Positionen zu stärken und zu verbreiten. Gerade in politisch schwierigen Situationen kommt den Religionen daher eine starke Rolle zu. Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan und kurz vor dem höchsten jüdischen Feiertag, dem Yom Kippur Fasten, lud die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel gemeinsam mit ihrem Partner ICCI (The Interreligious Coordination Councel in Israel) daher zu einem gemeinsamen Seminar ein.

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Am 25. August 2010 trafen sich ca. 60 leitende Vertreter aus Judentum, Christentum und Islam im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum in Jerusalem, um gemeinsam über die gesellschaftliche und politische Verantwortung von Religion zu diskutieren. Ziel des Seminars war es, interreligiöses Verständnis zu fördern, die Zusammenhänge von Religion und Gesellschaft besser zu verstehen und als Chance für ein friedliches Zusammenleben zu begreifen.

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Das Seminar wurde von Dr. Lars Hänsel, Leiter der KAS in Israel eröffnet. Jerusalem sei einer der Orte, an denen die verschiedenen Perspektiven und der Reichtum der drei großen monotheistischen Religionen besonders gut beobachtet werden könne. "Religionsvertreter haben große Verantwortung. Sie können zu Ablehnung und Konflikten beitragen, können aber auch eine wichtige Rolle für die Lösung von Konflikten spielen", so Hänsel. Rabbi Dr. Ron Kronish, Direktor des ICCI, betonte die Wichtigkeit dieses Treffens und drückte seinen Wunsch aus, die beiden Traditionen Ramadan und Yom Kippur – Islam und Judentum gemeinsam zu feiern.

Soziale Verantwortung, Einkehr und Solidarität – Unter diesen Vorzeichen sprach Kadi Muhammed Zibdeh, ehemaliger Kadi von Jerusalem und jetziger Kadi von Jaffo über die moralischen und sozialen Auswirkungen des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Er erklärte zunächst, wie das Fasten die Menschen Zurückhaltung, Selbstkontrolle und Selbsterkenntnis lehre. Das Fasten helfe dabei, Hass, Geringschätzung und Verachtung zu überwinden und durch Liebe, Mitgefühl und Solidarität zu ersetzen. Gerade daher sei es im Ramadan besonders wichtig, neben dem Fasten soziale Verantwortung zu übernehmen. So sei es üblich, während des Ramadan 2,5% des Einkommens für soziale Zwecke zu spenden. Darüber hinaus gebe es in Israel die Tradition, für jedes Familienmitglied 15 NIS pro Tag zu spenden. Gerade die Idee von Einkehr, Bescheidenheit und Verantwortung gegenüber den Mitmenschen wirke sich positiv auf das Zusammenleben in der Gesellschaft – auch über die muslimischen Gemeinden hinaus – aus.

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Im Anschluß an den Vortrag von Kadi Zibdeh sprach auch Rabbi Yehuda Gilad, Mitbegründer und Vorsitzender der Yeshiva Maaleh Gilboa, Rabbi des Kibbutz Lavi und ehemaliger Knessetabgeordneter von spiritueller Einkehr und Rückbesinnung auf soziale Werte: Vergebung, Reue und Neubeginn – Dies sei die spirituelle Bedeutung des höchsten jüdischen Feiertags, des Versöhnungstages Yom Kippur. Der gesamte Monat Elul, der dem jüdischen Neujahrsfest vorausgehe, sei von diesen Werte bestimmt. Diese Zeit des spirituellen In-Sich-Gehens, der Reinigung und der Reue erreiche seinen Höhepunkt im Fasten des Yom Kippur. Dieses Konzept von Reue und Vergebung sei sehr positiv, da es den Menschen dazu anhalte, um Vergebung zu bitten und sich im Umgang mit anderen neu zu bewähren. Besonders wichtig sei es, das Fasten und die Gebete in der Synagoge an Yom Kippur nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern als Weg zur inneren Einkehr und Rückbesinnung. Nur wer das Fasten nutze, um von neuem offen auf seine Mitmenschen zuzugehen und wer bereit sei, sowohl die eigenen Verfehlungen zu bereuen, als auch anderen zu verzeihen, habe den Yom Kippur begriffen und seine religiöse Pflicht erfüllt. Dies sei auch in Hinblick auf die schwierige politische Situation in Israel besonders wichtig, da das Einhalten des Yom Kippurs damit sowohl gesellschaftliche als auch politische Auswirkungen haben könne.

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Pater David Neuhaus S.J., Vikar des Lateinischen Patriarchats für die hebräisch sprechenden Katholiken, begann seinen Vortrag, in dem er auf das Gesagte seiner Amtskollegen einging und betonte, wie beeindruckend es sei, wie viel die drei Religionen gemeinsam hätten, gerade auch in der Bedeutung des Fastens. Auch im Christentum sei das Fasten nicht Selbstzweck, sondern erinnere den Menschen an seine eigenen Schwächen und daran, dass der Mensch nicht allmächtig sei. Gerade das Anerkennen der eigenen Unzulänglichkeiten erwecke Solidarität unter den Menschen und führe so zu mehr sozialer Verantwortung. Insbesondere das Gemeinsame der drei Weltreligionen, das in der Bedeutung des Fastens besonders auffällig sei, zeige außerdem, wie wichtig es für religiöse Führungspersönlichkeiten sei, statt Unterschieden die Gemeinsamkeiten und von allen geteilten Werte herauszuarbeiten, um das Verständnis füreinander zu stärken und sich gemeinsam für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Außerdem sollten sich die Religionsvertreter während der Fastenzeit wiederholt vor Augen führen, dass auch sie nicht unfehlbar seien und darauf achten, nicht in die Falle der Selbstgerechtigkeit zu treten, sondern stattdessen als gutes Beispiel voranzugehen, offen auf andere zuzugehen und deren Meinung und Glauben zu respektieren. Es sei ihre Aufgabe als religiöse Führungspersönlichkeiten, ihnen das von den Gemeinden entgegengebrachte Vertrauen und den Respekt zu nutzen, um zu einem besseren Verständnis der Religionen beizutragen und so indirekt oder direkt positiv auf die Politik Einfluss zu nehmen.

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Den drei Präsentationen folgte eine rege Diskussion, an der unter anderem folgende Personen teilnahmen: Imam Khaled Abu Ras, ein extra aus Galiläa angereister Imam, der zusätzlich auch als Lehrer in Nazareth arbeitet, Skeikh Abd El Salam Manasra, Sheikh des Salam Qadereit Ordens und Generalsekretär des Höchsten Islamischen Sufirates in Jerusalem und dem Heiligen Land, Dr. Debbie Weissman, Präsidentin des Internationalen Rates für Christen und Juden (ICCJ), Sheikh Amin Cnaan, ein drusischer religiöser Leiter des Dorfes Zarqa in Nordisrael, Vater Nadeem Chacour aus Obergaliläa und andere religiöse Vertreter aus ganz Israel. Während der ganzen Diskussion herrschte eine sehr positive Atmosphäre, in der sich alle Teilnehmer darüber einig waren, dass sie über ihre Religion hinaus auch eine große gesellschaftliche Verantwortung tragen.

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Im Vorfeld der in Kürze stattfindenden direkten Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern haben religiöse Führer nicht immer zu einer positiven Atmosphäre beigetragen. Erst kürzlich hat der sephardische spirituelle Führer Rabbi Ovadia Yosef die Palästinenser als bittere Feinde Israels bezeichnet und den Wunsch geäußert, dass Gott sie mit schlimmen Plagen strafen solle und dass der Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas von der Erdfläche verschwinden solle. Gerade hinsichtlich solcher Äußerungen ist es besonders wichtig, der Bevölkerung ein differenziertes Bild religiöser Führung zu präsentieren, was mit diesem Seminar gelungen ist, nicht zuletzt auch durch die positive Berichterstattung in den Medien: Neben einem großen Artikel in der englischsprachigen Jerusalem Post gab es auch Radiosendungen über das Seminar auf dem israelischen Radiosender Reshet Bet, die neben der direkten Berichterstattung auch Interviews mit einem Teil der Teilnehmer beinhalteten und die Bedeutung der Religion als Mittel zu Verständigung und friedlichem Miteinander diskutierten.

Annika Khano

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