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Event Reports

Volle zivile Partnerschaft oder „ausgehöhlte Staatsangehörigkeit”?

by Palina Kedem, Dr. Lars Hänsel

Die Politik der israelische Regierungen gegenüber den arabischen Bürgern Israels in Theorie und Praxis

Der Status der arabischen Bürger Israels ist heute zu einer der größten Herausforderungen des Staates geworden. Seit der Gründung Israels gingen die israelischen Regierungen davon aus, dass die israelischen Araber ein untrennbarer Teil des israelisch-palästinensischen Konfliktes seien, so dass dessen Lösung auch deren nationalen Bestrebungen dienen würde. Mittlerweile ist jedoch klar geworden, dass diese Einstellung irrig war.

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Die jüdisch-arabischen Beziehungen in Israel müssen unabhängig vom Gang des Konfliktes behandelt werden, da die arabischen Bürger Israels eine eigene kollektive Identität besitzen, die nicht nur national-palästinensisch ist, sondern vor allem auch durch kulturelle und wirtschaftliche Faktoren bestimmt wird. Selbst wenn es in der Zukunft einen palästinensischen Staat geben sollte, haben die meisten israelischen Araber doch vor, in Israel zu bleiben. Wie aber würden die israelischen Araber dem Staat als jüdisch-demokratischem Staat gegenüberstehen und wie Israel als solcher mit seiner arabischen Minderheit umgehen?

Mit diesen drängenden Fragen beschäftigte sich die jährliche Konferenz des Programms für jüdisch-arabische Zusammenarbeit der Konrad- Adenauer-Stiftung (KAS) Israel an der Tel Aviv Universität. Vor breitem Publikum wurden in diesem Zusammenhang verschiedene Aspekte der israelischen Politik analysiert und neue Ideen für die Zukunft entworfen. Die Konferenz kulminierte mit der Rede des Ministers für Minderheitsangelegenheiten, Prof. Avishai Braverman (Labor-Partei), der sich bei seinem Amtsantritt nur wenig über seine Visionen und Pläne geäußert hatte, so dass die Konferenz besondere Beachtung von den wichtigsten israelischen Medien fand und live im Internet des israelischen Channel 2 übertragen wurde.

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Avishai Braverman, Minister für Minderheitenangelegenheiten

Die Konferenz gab zunächst einen historischen Überblick über die Haltung der verschiedener Regierungen Israels gegenüber der arabischen Minderheit. Besonders interessant war der Hinweis von Prof. Yoav Gelber von der Haifa Universität, dass die Politik des Staates Israels gegenüber den Arabern in den ersten Jahren geprägt worden sei vom Modell der rechtlichen Gleichstellung in gesellschaftlichen Integration wie sie die Juden in Europa im 19. und 20. Jahrhundert erlebt hatten. Ganz allgemein fiel es den damaligen Politikern schwer zu verstehen, dass die arabische Minderheit sich nie als „Minderheit” gesehen hatte, sondern als geborene Besitzer des Landes und als Mehrheit in der Region.

Die größte Kritik kam von der Seite Dr. Amal Jamals von der Tel Aviv Universität, der den Status der Araber in Israel als „ausgehöhlte Staatsangehörigkeit” bezeichnete. Keiner habe Zweifel über die Existenz dieser Staatsangehörigkeit, aber alle Regierungen Israels trügen absichtlich dazu bei, dass sie ohne Inhalt bliebe, so Jamal.

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V.l.n.r.: Mr. Ramiz Jaraysee, Mr. Issam Makhoul, Masoud Ganaim, Haneen Zuabi

Auch die Repräsentanten der verschiedenen arabischen Parteien im Israelischen Parlament unterstützten diese These und forderten eine Akzeptierung der arabischen Identität als einziger Möglichkeit der Gleichberechtigung. Hanin Zuabi von der „Balad” Partei, die erste weibliche Knessetabgeordnete einer arabischen Partei, sprach sich gegen den jüdischen Charakter des Staates Israels aus. Sie betonte, ein moderner Staat müsse neutral und nicht ideologisch sein, was große Reaktionen im Publikum auslöste.

Besonders wurde auf der Konferenz der Regierungszeit des ermordeten Premierministers Itzhak Rabin (1992-1995) gedacht. Die arabische Führung in Israel bezeichnete diese Jahre als "goldenes Zeitalter”. Wenn dies auch aus pragmatischen Gründen erfolgt sein könnte, so ist doch zu beachten, dass die arabischen Kommunalverwaltungen zu dieser Zeit ein wesentlich größeres Budget erhielten und eine sehr positive Behandlung in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu spüren war.

Ramiz Jaraysee, der langjähriger Oberbürgermeister der Stadt Nazareth und Mitglied der jüdisch-arabischen Partei „Hadash”, sprach ebenso nostalgisch von den Jahren Rabins: „Die Kraft etwas zu ändern ist in den Händen von denen, die die politische und wirtschaftlichen Macht haben, und das ist an der erste Stelle die Regierung — die Zeiten von Rabin haben das bewiesen", sagte Jaraysee. Er meinte damit auch, dass der Staat die Araber so anerkennen müsse, wie sie sich selbst begreifen, das heißt als nationale Minderheit mit kollektiven Rechten.

Auch der Minister Braverman betonte bei seiner die Konferenz abschließenden Rede, dass er ein Anhänger des „Erbes von Rabin” sei und damit eine Zwei-Staaten-Lösung und parallel eine volle zivile Partnerschaft mit den arabischen Bürgern Israels vertrete: „Wenn Israel den Weg von Rabin nicht weiter folgt,” mahnte Braverman, „heißt dies das Ende für das jüdischen demokratischen Staat”. Als Kind von Holocaustüberlebenden ist Braverman davon überzeugt, dass Israel als Heimat für das jüdische Volk gegründet worden sei und unbedingt ein jüdischer Staat bleiben müsse. Die arabische Minderheit in Israel solle jedoch mit vollem Respekt und gleichberechtigt behandelt werden: „Das ist nicht nur gegenüber den Arabern moralisch richtig, sondern auch für Israel als jüdischen Staat klug”.

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Als Wirtschaftsprofessor betonte Braverman in seiner Rede die wirtschaftliche Bedeutung einer erfolgreichen Integration der israelischen Araber in die israelische Gesellschaft. Er bezog sich damit auch auf die Aussage des israelischen Finanzministers Dr. Yuval Steinitz, dass sich die Araber und die orthodoxen Juden — beide wirtschaftlich schwache Gruppen in der israelischen Gesellschaft — selbst stärker um sich kümmern müssten. Braverman betonte dagegen, dass es grundsätzlich falsch sei, diese beiden Gruppen in einem Atemzug zu erwähnen. Während die Orthodoxen bewusst nicht arbeiteten, sei der Anteil der arabischen Männer, die arbeiteten, ähnlich dem der gesamten jüdischen Bevölkerung. Unterschiede seien auf grundlegende Bedingungen wie Infrastruktur, Kultur, Tradition und Ausbildung zurückzuführen, aber auch auf das Zurückschrecken jüdischer Unternehmer, arabische Arbeitnehmer einzustellen. Braverman versprach, der Regierung so schnell wie möglich einen Plan vorzulegen, der die Faktoren nenne, die Hindernisse für eine Integration der israelischen Araber darstellten wie Erwerbstätigkeit, Wohnbedingungen, Ausbildung oder zivile Beteiligung. Wegen der heterogenen Regierung Netanjahus sei es zwar schwierig, eine klare Linie in der Minderheitsfrage beizubehalten, Braverman versprach jedoch, sein möglichstes zu tun, dass die Regierung seine Ideen zu einer besseren wirtschaftlichen Integration der arabischen Bevölkerung akzeptieren und umsetzen werde.

Zum Schluss wiederholte Braverman noch einmal, dass das wichtigste in den jüdisch-arabischen Beziehungen ein respektvoller Dialog sei: „Das Zuhören ist meistens sinnvoller als Sprechen, und hier muss mehr zugehört werden”. Dies war nicht zuletzt das Ziel der Konferenz. Sie gab allen Beteiligten die Gelegenheit, ihre Meinungen und Ideen vorzutragen, um gemeinsam zukunftsfähige Strategien zu entwickeln.

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