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Event Reports

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Monatliches IPCRI-STAT Meeting diskutiert die aktuelle Situation im Friedensprozess

In einer Situation der allgemeinen Anspannung fand das regelmäßig stattfindende zweitägige Treffen des Israel/Palestine Center for Research and Information (IPCRI) in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung statt. Am 19. und 20. März 2010 trafen sich politische Berater, Akademiker, Journalisten und Unternehmer aus Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten in zwei Arbeitsgruppen, um Vorschläge für politische und wirtschaftliche Kooperationen zu erarbeiten.

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Die Konferenz fiel in eine Zeit mit einer Reihe für den Friedensprozess wegweisenden Ereignissen: Am 20.03.10 traf sich das Nahost-Quartett in Moskau, am 23.03.10 besuchte der israelische Premierminister Netanjahu während seiner USA-Reise Präsident Obama und Außenministerin Clinton, der Nahost-Sondervermittler Georg Mitchell wird in der nächsten Woche in der Region erwartet und am 27.–28.03.10 findet das 22. Arabische Gipfeltreffen in Libyen statt.

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Die politische und Wirtschaftsgruppe im gemeinsamen Plenum

Ein Professor der Al Quds Universität und führendes Mitglied der jungen Fatah wies auf den zunehmenden Trend der Einstaatenlösung hin. Hieraufhin stellte Dr. Hänsel ein Stimmungsbild beider Seiten vor. Er zitierte von der Anfang März von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Auftrag gegebenen Umfrage unter Israelis und Palästinensern: 71% der Israelis und 57% der Palästinenser unterstützten eine 2-Staaten-Lösung, noch immer die Mehrheit, allerdings sinke diese Zahl seit einiger Zeit. 24% der Israelis und 29% der Palästinenser befürworteten eine 1-Staaten-Lösung, in der beide Völker gleichberechtigt nebeneinander leben. 30% der Israelis und 26% der Palästinenser seien für eine 2-Staaten-Lösung mit gemeinsamen politischen Institutionen, die in einer Konföderation münden solle.

Besorgniserregend sei der Trend, was die Chancen für einen Frieden anbelange. Gefragt nach ihrer Einschätzung, wie wahrscheinlich eine Einigung sei, meinten innerhalb der israelischen Bevölkerung 34%, dass es nie eine Lösung des Konflikts geben werde, 19% erwarteten sie in vielen Generationen, nur 11% in den nächsten Jahren. Bezogen auf das aktuelle Thema des Siedlungsbaus sei es interessant festzustellen, dass 60% der Israelis einen Abbau der Siedlungen als Teil von Friedensvereinbarungen befürworteten. Nur 33% seien gegen einen Abbau der Siedlungen.

Wie üblich gab es eine politische und eine wirtschaftliche Arbeitsgruppe, das Thema der ersteren waren die von den USA vermittelnden indirekten Gespräche, die bald beginnen sollen. Die Wirtschaftsgruppe beschäftigte sich in erster Linie mit Entwicklungsmöglichkeiten im Tourismussektor und einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern.

Die politische Gruppe versuchte mit einem Rollenspiel nachzuempfinden, wo Chancen und Probleme der indirekten Gespräche liegen könnten. Die Ergebnisse dieses Rollenspiels wurden in Form von Empfehlungen an die beteiligten Seiten festgehalten.

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Die politische Gruppe im Rollenspiel

Als Hauptschwierigkeit wurden die Siedlungspläne angesehen. Aus israelischer Sicht gehören die jüdischen Siedlungen in Ostjerusalem unverhandelbar zu Israel, sodass ihr Ausbau einen anderen Stellenwert hat als Bauprojekte in der Westbank. Mahmud Abbas würde jedoch Ansehen und Glaubwürdigkeit verlieren, würde er von seiner Forderung eines totalen Siedlungsstopps als Voraussetzung für Verhandlungen abrücken. Die wichtigste Aufgabe der amerikanischen Vermittler ist also zunächst, nach Auswegen aus dieser Sackgasse zu suchen.

Palästinensische Vertreter betonten zudem immer wieder die Gefahr, dass die Gespräche ohne Ergebnis enden könnten. Aus diesem Grund forderten sie Garantien von amerikanischer Seite, bei einem drohenden Scheitern Druck auszuüben.

Beide Seiten waren sich darin einig, dass der aussichtsreichste Weg momentan der Fayyad-Plan des palästinensischen Ministerpräsidenten sei. Sein Ziel ist es, bis 2011 einen funktionierenden palästinensischen Staat zu schaffen. Diesen Plan von US-amerikanischer Seite zu unterstützen, sei neben den Vermittlungsversuchen ein erfolgversprechender Beitrag der USA. Der Weg des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, zunächst einen ökonomischen Frieden mit den palästinensischen Nachbarn anzustreben, fördert ebenfalls den Fayyad-Plan, sodass hier alle Seiten die gleichen Interessen verfolgen.

Hauptthemen der Wirtschaftsgruppe waren diesmal die Förderung der Tourismusindustrie und der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das Thema Tourismus wurde in zwei verschiedenen Sitzungen diskutiert, einmal bezüglich des Tourismus aus dem Ausland und zum anderen der Inlandstourismus. Diese beiden Zweige teilen sich den Markt zu ca. jeweils der Hälfte. Nach jeweiligen israelischen und palästinensischen Vorträgen liefen die Diskussionen darauf hinaus, dass beide Seiten von kombinierten Packagedeals für Israel und die palästinensischen Gebiete profitieren können. Bei 54% des internationalen Tourismus handelt es sich um religiös motivierte Reisen. Hier empfehle sich, die Touren als Reisen ins Heilige Land zu vermarkten und nicht speziell für Israel oder „Palästina” zu werben. Wichtig sei es außerdem, die Einkünfte aus dem Tourismusverkehr zu erhöhen und nicht die Anzahl der Touristen; an religiösen Feiertagen könne beispielsweise die Altstadt von Jerusalem bereits heute kein größeres Volumen an Besuchern aufnehmen. Besonders empfindlich reagiere der Markt auf die geopolitische Situation. In Krisenzeiten nähmen die Besucherzahlen aus dem Ausland eklatant ab. Daher müsse der lokale Tourismus ausgebaut werden. Für arabisch-israelische Hoteliers könne ein „kosher” Zertifikat ihr Geschäftsvolumen erheblich erhöhen. Sehr begrüßt wurde das Angebot des Präsidenten des israelischen Hotelverbands, der ebenfalls an der Konferenz teilnahm, alle Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten weiterzuleiten und ernsthaft zu bearbeiten.

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Persönliche Kontakte fördern das Vertrauen

Bei einem Vortrag zu palästinensischen kleinen und mittelständischen Unternehmen wurde hervorgehoben, dass in den palästinensischen Gebieten mehr als 70% der Unternehmen Familienbetriebe sind. Deren begrenzten Resourcen und ihrer althergebrachten Gepflogenheiten zur Geschäftsführung hätten einen negativen Einfluss auf ihre Leistungsfähigkeit. Hier bestehe großer Handlungsbedarf seitens der Regierung, insbesondere müssten neue Gesetze erlassen werden, der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten müsste erleichtert werden und bessere Serviceleistungen sowie Weiterbildungsmaßnahmen müssten angeboten werden. Im Dialog mit dem Vorsitzenden des Verbandes für kleine und mittelständische Unternehmen in Israel wurden Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert; es stellte sich heraus, dass die Israelis auf diesem Gebiet viel Unterstützung leisten könnten.

In der abschließenden Feedbackrunde zeigte sich einmal mehr, wie wichtig und vertrauensfördernd diese regelmäßigen Treffen sind. Neue wirtschaftliche Kontakte konnten geknüpft, Meinungen ausgetauscht und auf Probleme hingewiesen werden. Da gerade Multiplikatoren wie Journalisten und Akademiker, politische Berater und gut vernetzte Unternehmer an den Treffen teilnehmen, werden sie ihre positiven Erfahrungen in ihrem jeweiligen Einflussbereich weitergeben können. In einer schwierigen, vielleicht sogar festgefahrenen Situation wie der momentanen, ist es überaus wichtig, neues Vertrauen zu schaffen und den Willen zu Frieden zu fördern. Durch solche Treffen leistet die Konrad-Adenauer-Stiftung einen entscheidenden Beitrag hierzu.

Katharina Stichling, Katja Tsafrir

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