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Event Reports

“Gewalt in der jordanischen Gesellschaft – Gründe und Lösungsansätze”

Während der letzten Jahre erlebte Jordanien einen signifikanten Anstieg gesellschaftlicher Gewalt, welche von Vandalismus über Schießereien bis hin zu Mord reicht. Um diesem gefährlichen Missstand zu begegnen organisierte die KAS Amman zusammen mit der Non-Profit-Organisation Action on Societal Violenc – KAFA am 28. September 2013 ein Seminar, welches die Ursachen dieser Gewalt aus unterschiedlichen Perspektiven diskutierte und anschließend praktische Lösungsansätze erarbeitete.

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Event: Training Workshop

Datum, Ort: 28. September 2013, Geneva Hotel, Amman - Jordanien

Organisation: KAS Amman Office, Action on Societal Vio-lence - KAFA

Programm

Samstag, 28. September 2013

Eröffnungsreden

Ms. Lina Abu Nuwar Ghazi

Leiterin der Action on Societal Violence - KAFA

Amman – Jordanien

Ms. Nidaa Al Shraideh

Projekt Manager

Konrad-Adenauer-Stiftung

Auslandsbüro Jordanien

Amman - Jordanien

Im Namen des Leiters des Auslandsbüros Jordanien Dr. Otmar Oehring

Session 1: Gewalt in der jordanischen Gesellschaft: Die politische Perspektive

SE Ing. Musa Al Maaitah

Ehemaliger Minister für Politische Entwicklung

Amman - Jordanien

Diskussion

Session 2: Gewalt in der jordanischen Gesellschaft: Die wirtschaftliche Perspektive

Dr. Khalid Al-Wazani

Wirtschaftsberater

Isnaad Consulting

Amman - Jordanien

Diskussion

Session 3: Gewalt in der jordanischen Gesellschaft: Die soziale Perspektive

Dr. Jihad Al-Muheisen

Leiter des Al-Mashreq Al-Jadeed Research Center

Amman - Jordanien

Diskussion

Session 4: Die Rolle des Innenministeriums bei der Bekämpfung von Gewalt in der jordanischen Gesellschaft

Dr. Safwan Mobideen

Abteilung Sicherheitspolitik

Innenministerium

Zuständiger für den Bereich Societal Violence

Amman - Jordanien

Diskussion

Ms. Lina Abu Nuwar Ghazi

Schlussbemerkungen und Empfehlungen

Leiterin der Action on Societal Violence – KAFA

Amman - Jordanien

Einleitung

Während der letzten Jahre erlebte Jordanien einen signifikanten Anstieg gesellschaftlicher Gewalt, welche von Vandalismus über Schießereien bis hin zu Mord reicht. Um diesem gefährlichen Missstand zu begegnen organisierte die KAS Amman zusammen mit der Non-Profit-Organisation Action on Societal Violenc – KAFA ein Seminar, welches die Ursachen dieser Gewalt aus unterschiedlichen Perspektiven diskutierte und anschließend praktische Lösungsansätze erarbeitete.

Veranstaltung

In ihrer Eröffnungsrede sprach Frau Lina Abu Nuwar, KAFA, über die zunehmende Gewalt in Jordanien, die in Schießereien, sexuellen Übergriffen auf Schüler und Studenten, Schlägereien, Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums, Gewalt an Universitäten und tribalen Kämpfen ihren Ausdruck findet. Statistiken aus dem Jahr 2011 belegen, dass derzeit etwa 1 Mio. unlizenzierte Schusswaffen in Jordanien im Umlauf sind. Die steigende Gewalt äußert sich jedoch nicht nur in physischen Gewaltakten, sondern auch in verbalen Auseinandersetzungen und Beleidigungen, die speziell in sozialen Medien zunehmen. Frau Abu Nuwar stellte daraufhin die Frage in den Raum, wie es zu diesem Anstieg von Gewalt kommen konnte und was dabei die Rolle des Staates, der Gesellschaft und des Individuums sei.

Auch Frau Nidaa Al-Shraideh, Projektmanagerin der KAS Amman, betonte in ihrer Eröffnungsrede im Namen von Herrn Dr. Otmar Oehring, Leiter des KAS Büros Amman, die Bedeutung des Themas der Gewalt in der jordanischen Gesellschaft und hob in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit KAFA hervor. Der jüngste Anstieg von gewalttätigen Ereignissen in Jordanien markiere die Dringlichkeit, mit der man sowohl die Gründe der Gewalt, als auch Lösungsansätze diskutieren müsse.

Der ehemalige Minister für politische Entwicklung Musa Al Maaitah führte in seinem Vortrag v.a. sozio-ökonomische und politische Gründe für den Anstieg der Gewalt an. So sei die steigende Privatisierung seit den 90er-Jahren und der damit einhergehende Rückzug des Staates für eine schlechtere wirtschaftliche Situation vieler Jordanier verantwortlich. Dies führe vermehrt zu Spannungen, welche nicht von politischen Reformen aufgefangen würden. Stattdessen habe sich ein umfangreiches Netz von Vetternwirtschaft entwickelt, in dessen Rahmen die Menschen versuchten, ihre Probleme selbst zu lösen. Damit verbunden sei auch die Entstehung von Subidentitäten auf tribaler, konfessioneller und regionaler Ebene. Um eine pluralistische Demokratie zu entwickeln sei es darum erforderlich, politische Parteien und bürgerliche Partizipationsmöglichkeiten zu fördern.

Einen weiteren Grund für die steigende Gewalt auf regionaler Ebene sah SE Al Maaitah auch im Arabischen Frühling, in dem Individuen versuchten, ihrer Frustration durch Gewalt Ausdruck zu verleihen. SE Al Maaitah forderte daher politische Reformen, welche die Bürger zur Zusammenarbeit aufrufen, damit das Kollektiv wieder die Einheit des sozialen Gefüges darstellt.

Dr. Khalid Al-Wazani, Ökonom und Wirtschaftsberater, ging in seinem anschließenden Vortrag zunächst auf die wirtschaftliche Lage in Jordanien ein. Er betonte, dass Jordanien eine kleine, stabile und offene Volkswirtschaft mit einer sehr jungen Bevölkerung hat. Die Privatwirtschaft spielt seiner Meinung nach eine sehr wichtige Rolle für die Entwicklung des Landes.

Laut Al-Wazani sind die grundlegenden Komponenten der Gewalt die soziale Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Einkommen, Arbeitslosigkeit, Armut sowie finanzielle und administrative Korruption. Jordanien besitze zwar keine natürlichen Ressourcen, dafür jedoch eine große Menge an ungenutztem Humankapital, allen voran der schwache Beitrag von Frauen zur Volkswirtschaft. Um dem entgegenzuwirken plädierte Dr. Al-Wazani für den Ausbau und die Förderung von Bildung sowie für mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität. Die aktuelle Situation erfordert laut ihm gemeinsame Anstrengungen zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor sowie Institutionen der Zivilgesellschaft, um einen Wertewandel herbeizuführen.

Dr. Jihad Al-Muheisen, Direktor des Forschungszentrums Al-Mashreq Al-Jadeed, sprach anschließend über die soziale Perspektive gesellschaftlicher Gewalt. In seinem Vortrag ging er zunächst auf verschiedene wissenschaftliche Definitionen von Gewalt ein, wobei er hervorhob, dass genaue Statistiken und Studien über gesellschaftliche Gewalt in Jordanien bisher fehlen. Er betonte die sozialen, demografischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Jordanien und hob dabei v.a. die Auswirkungen der irakischen und syrischen Flüchtlinge auf das Land hervor; die Kluft zwischen arm und reich werde immer größer. Das Fehlen der sozialen Gerechtigkeit führe zur Verbreitung von Korruption, Vetternwirtschaft und schwacher Rechtsstaatlichkeit sowie einem Wertewandel. Vor allem den einzelnen Stämmen und ihren jeweiligen Werten käme dabei besondere Bedeutung zu.

Die wichtigsten sozialen Faktoren für gesellschaftliche Gewalt liegen laut Dr. Al-Muheisen in der Verbreitung von Alkohol und Drogen, der Schwächung des religiösen Glaubens und im Zerfall der Familie. Wirtschaftliche Einflussfaktoren seien vor allem Arbeitslosigkeit, die Instabilität der Preise und eine wachsende Zahl von Armut. Dr. Al-Muheisen plädierte daher für eine stärkere Beteiligung junger Menschen an verschiedenen politischen und sozialen Aktivitäten und Projekten. Außerdem betonte er die entscheidende Rolle von Bildungseinrichtungen, die dementsprechend gestärkt werden müssten.

Dr. Safwan Mobideen, Verantwortlicher für gesellschaftliche Gewalt im jordanischen Innenministerium, betonte in seinem Vortrag die Auswirkungen der sozialen Gewalt auf die internationale Positionierung Jordaniens, welche sich v.a. in Tourismus und Investitionen zeigen. Er sieht das Phänomen der Gewalt, die alle Segmente der Gesellschaft betrifft, als natürliche Folge der wirtschaftlichen Entwicklung, welche wiederum eng mit der Sicherheit und Stabilität des Landes verbunden sei. Um einen angemessenen Umgang mit der gesellschaftlichen Gewalt zu finden, gründete das Innenministerium mehrere Ausschüsse, aus deren Arbeit Empfehlungen und Strategien hervorgingen.

Fazit

Zusammenfassend lassen sich folgende Empfehlungen festhalten:

•Gesetzesreform, v.a. des Wahlge-setzes, zur Entwicklung einer funktionierenden Demokratie, basierend auf Pluralismus und politischen Parteien

•Schaffen einer Grundlage von Transparenz, Verantwortlichkeit und Integrität

•Anpassung von Konjunkturprogrammen der Regierung zur Schaf-fung von nachhaltigen neuen Arbeitsplätzen

•Entwicklung von Programmen zur Armutsreduzierung

•Förderung qualitativer Investitionen in Humankapital

•Stärkung von Frauen als wesentli-ches Element in der Entwicklung des Landes

•Schaffen von Synergien zwischen öffentlichem und privatem Sektor sowie Institutionen der Zivilgesellschaft zur Schaffung eines neuen Wertesystems

•Durchführung weiterer sozialer Studien, z.B. über den Einfluss der Medien auf soziale Gewalt, die Rolle der Behörden etc.

•Bewusstseinsbildung über Gefahren durch Alkohol- / Drogenmiss-brauch, Risiken der Internetnutzung etc. durch Medien

•Programme zur Stärkung des Dialogs innerhalb von Familien

•Bildungsreform

•Hinzufügen von Themen über kommunale Gewalt und ihre Auswirkungen in Lehrpläne

•Schulungen für Lehrer und Berater für die Themenbereiche Kommuni-kation, kultureller Pluralismus etc.

•Einbindung junger Menschen in verschiedene politische und soziale Aktivitäten und Projekte

•Verschärfte Anwendung des Waffengesetzes

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