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Country Reports

„Hey Russia, hands off Georgia!”

Reaktionen aus den Baltischen Ländern auf den Krieg in Georgien

Einhellig und eindeutig verurteilen Politiker und Presse in den Baltischen Ländern den Einmarsch russischer Truppen in Georgien als Aggression Moskaus. Die englischsprachige Baltic Times fasst die Stimmung in den Baltischen Ländern in einem Satz zusammen: „Hey Russia, hands off Georgia!“.

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Nach Ausbruch der Kampfhandlungen sind die Staatspräsidenten Estlands und Litauens, Toomas Hendrik Ilves und Valdas Adamkus, mit ihrem polnischen Amtskollegen sowie dem lettischen Premierminister Ivars Godmanis am 12./13. August zu einem eintägigen Solidaritätsbesuch nach Tiflis aufgebrochen. In einer gemeinsamen Deklaration forderten sie einen sofortigen Waffenstillstand sowie die Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens. Um die Grenzen Georgiens für die Zukunft zu schützen, solle dem Land darüber hinaus über den Membership Action Plan (MAP) eine NATO-Perspektive eröffnet werden.

Scharfe Verurteilung des russischen Vorgehens im Kaukasus

Öffentlichkeit und Politik fühlen sich durch den Einmarsch russischer Truppen in Georgien an das letzte Aufbegehren der auseinander fallenden Sowjetunion zu Beginn der 1990er Jahre erinnert, als letztmalig russische Panzer in Riga und Vilnius auffuhren, um dem Unabhängigkeitsstreben der Baltischen Staaten Einhalt zu gebieten. Dementsprechend stark sind nun die Forderungen der Staats- und Regierungschefs der Baltischen Länder an EU und NATO, rasch und konsequent im Kaukasus zu handeln: “War has broken out in Europe, a European nation has fallen victim to the aggression of its neighbor, an the European Union cannot remain a helpless bystander.“ (Toomas Hendrik Ilves, Staatspräsident Estlands am 12. August 2008)

“The Latvian parliament believes that Russia has breached sovereignty and state inviolability of Georgia by launching military attacks against Georgia’s civil and military objects. This action arouses concern for the security, territorial inviolability and independence of every neighbor state of Russia.” (Statement des Lettischen Parlaments vom 14. August 2008)

“We cannot allow recurrence of the second Munich. The Hitler was indulged and this led to World War II.” (Valdas Adamkus, Staats-präsident Litauens am 12. August 2008)

Sorge um Energiesicherheit

Wenngleich die Vergleiche mit München 1938 und der Situation in den Baltischen Ländern 1990/91 hinken, zeigen die scharfen Reaktionen aus Estland, Lettland und Litauen die bestehende Unsicherheit und Skepsis in diesen Ländern gegenüber dem russischen Nachbarn. Insbesondere die Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen, um den Energiekonsum zu decken, bereiten den drei Baltischen Republiken zunehmend Sorgen. Lettland ist zu 100% von Lieferung aus Russland abhängig. Estland und Litauen verfügen dank ihres Ölschiefers bzw. dem Atommeiler Ignalina über weitgehende Energieautonomie. Beide Quellen der Energiegewinnung stehen allerdings aufgrund von Vereinbarungen mit der EU zur Disposition. Die den EU-Normen nicht mehr entsprechenden Ölschiefekraftwerke in Estland müssen bis zum Jahr 2016 geschlossen werden. Das Atomkraftwerk in Ignalina/Litauen soll bis Ende 2009 vom Netz gehen. Für beide Energiequellen gibt es derzeit noch keinen hinreichenden Ersatz, außer der Energiezufuhr aus Russland. Unter den derzeitigen Vorzeichen wird die Diskussion über längere Laufzeiten der Ölschieferkraftwerke sowie des litauischen Atomkraftwerks weiteren Nährboden erhalten.

Warnung vor Cyber-Krieg mit Russland

Die sicherheitspolitische Diskussion ist in allen drei Baltischen Ländern im vollen Gange. Der ehemalige estnische Premierminister Mart Laar, der seit 2005 den georgischen Präsidenten in Wirtschaftsfragen berät, gibt dem Westen eine Mitverantwortung für den Ausbruch des Krieges im Kaukasus. Beim NATO-Gipfel in Bukarest versagte die NATO auf Druck von Frankreich und Deutschland, Georgien eine klare Beitrittsperspektive aufgrund der ungelösten Konflikte in Südossetien und Abchasien. Schon damals habe Laar die entsprechenden Politiker vor den möglichen Konsequenzen gewarnt. Nach Laars Einschätzung ist die georgische Staatsführung von der Lösung des Konfliktes in den beiden Regionen als Voraussetzung für den NATO-Beitritt ausgegangen und wollte nun ein schnelles Ergebnis herbeizwingen.

In Interviews warnt Laar den Westen vor dem Cyberkrieg der Zukunft. Der Konflikt in Georgien habe gezeigt, wie schnell es Russland möglich war, die Informationshoheit im Internet über die georgischen Websites zu gewinnen, die kurzer Hand auf andere Server verschoben wurden. Nach der Verlegung des sowjetischen Kriegerdenkmals in Tallinn im vergangenen Jahr sind Websites estnischer Institutionen regelmäßig sabotiert worden. Die estnische Regierung vermutet nach wie vor hinter den Angriffen staatsgelenkte Hacker aus Russland und forderte NTO und EU auf, die Vorfälle entschlossen zu untersuchen.

In der Zwischenzeit hat das estnische Außenministerium die Entsendung zweier Experten zur Abwehr von Cyber-Angriffen nach Tbilisi bestätigt. Darüber hinaus stellen sich die Baltischen Länder darauf ein, Truppen für eine EU- oder NATO-Friedenstruppe in Georgien bereitzustellen.

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