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Event Reports

„Politiker sind weder Helden noch Heilige"

by Jan Kleinheinrich, Fabian Fascher

Jens Spahn im Gespräch mit Prof. Dr. Norbert Lammert im Rahmen der 12. Ahauser Schloßrunde am 4.9.2014

Auftrag Demokratie! Welcher Referent wäre geeigneter zu diesem Thema als Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestags und stellvertretender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung zu referieren?

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Gleich zu Beginn gelingt es den Bundestagsabgeordneten eine angenehme Atmosphäre herzustellen. Auf die Frage Spahns „Schalke oder Dortmund?“ entgegnet der gebürtige Bochumer, es gäbe im Ruhrgebiet zwei Religionen, aber nur einen Fußballverein – nämlich den VFL.

Demokratie ohne Lobbyismus nicht vorstellbar

Ob Schalke, Dortmund oder Bochum, im Folgenden konnten über 300 Gäste einem interessanten, mitreißenden Gespräch folgen. Zum Thema Lobbyismus äußert sich Lammert auffallend entschieden: Eine Demokratie sei ohne Lobbyismus nicht vorstellbar, da eine Interessenvertretung der Logik der Demokratie entspreche. Dabei wird Lobbyismus so lange negativ gesehen, bis die eigenen Interessen vertreten werden. Mit anderen Worten: „Jeder kümmert sich um seinen eigenen Vorgarten“.

Talkshows als Fluch oder Segen?

Auf die Frage, was sich in der jüngeren Vergangenheit am meisten in der Politik verändert habe, nennt Lammert die Arbeit der Medien, welche „nicht besser geworden“ sei. Besonders Talkshows banalisieren die Politik und man bekommt teilweise das Gefühl, der Moderator würde bewusst unterbrechen, wenn die Debatte interessant wird.

Herr Spahn, selbst häufiger Gast in Talkshows, sieht in diesen Gesprächsrunden die Chance, auch jüngere Zielgruppen zu erreichen. Prof. Dr. Norbert Lammert dagegen betont, dass der Schwerpunkt zu häufig weniger auf „Talk“, sondern in erster Linie auf „Show“ läge. Gleichzeitig bedauert der Bundestagspräsident eine Reduzierung von politisch relevanten Themen bei inflationärer Vermehrung der Unterhaltung im deutschen Fernsehen. Zudem kritisiert er, dass öffentlich-rechtliche Sender ihr Programm an die privaten Sender anpassen, was durch die Gebührenfinanzierung nicht notwendig sei, da öffentlich-rechtliche Sender nicht abhängig vom Wettbewerbsmechanismus sind.

Der sonderbare Imageschaden der Institutionen

Anschließend spricht Jens Spahn den zunehmenden Imageschaden der Institutionen in Deutschland an. Lammert berichtet, dass die Wahrnehmung von Persönlichkeiten und Institutionen weit auseinander geht. Der Politiker genießt zwar allgemein kein besonders hohes Ansehen, würde man aber beispielsweise in der Ahauser Innenstadt nach der Arbeit Jens Spahns fragen, wäre die Resonanz vermutlich positiv.

In Deutschland lege man viel Wert auf Überzeugungen und habe auch ein großes Vertrauen in die Demokratie, jedoch bedeutet dies für viele Menschen keine zwangsläufige Bindung an Institutionen.

Menschenrechte trotz Annahme eines Mandats?

Weiterhin stellt Lammert eine Diskrepanz zwischen Erwartungen und Möglichkeiten in der Politik fest. Politiker seien weder Helden noch Heilige und die extrem hohen Erwartungen der Bevölkerung sind zum Teil nicht zu erfüllen. Man habe teilweise das Gefühl, durch die Annahme eines Mandats verliere man in Deutschland Grund- und Menschenrechte. Dies dürfe nicht der Fall sein.

„Die EU war nie in einer besseren Situation als heute“

Zum Ende des Gesprächs wird das Thema Europa behandelt. Lammert ist der Meinung, die „EU war nie in einer besseren Situation als heute“ bezüglich ökologischer, ökonomischer und sozialer Gebiete. Darüber hinaus stellt er klar, dass die Begeisterung für die EU in jenen Ländern am größten sei, die nicht Mitglied sind.

Auch für Deutschland sei die EU von höchster Bedeutung. Da Europa momentan sehr mächtig und Deutschland die stärkste Kraft in dieser Gruppe sei, kann Deutschland seine Interessen allgemein besser vertreten.

Dabei nehme sich die EU keine Kompetenzen heraus, sondern sie werden von den Mitgliedsstaaten übertragen.

Im Anschluss an das Gespräch beantwortete Herr Lammert ausführlich vorrangig außenpolitische Fragen aus dem Plenum. Die Nato müsse, so Lammert, auch im Ernstfall zusammenhalten. Sollten Verträge der Nato nicht eingehalten werden, wäre das Bündnis gescheitert.

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Dortmund Deutschland