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Reportajes internacionales

“Hört uns denn niemand?”

de Dr. Hubert Gehring

Ein Stimmungsbild aus Caracas

Studentenproteste in den Universitätsstädten Caracas, Valencia, Mérida und Maracaibo, brennende Autoreifen, Tränengas, Wasserwerfer, Gummigeschosse, zwei Tote und mehrere Verletzte. Das ist in wenigen Worten die Bilanz vom Dienstag, dem 29. Mai 2007 – zwei Tage nach dem Lizenzentzug des privaten Fernsehsenders RCTV.

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Irgendwie sind viele Venezolaner von diesen Protesten überrascht worden, seien es Anhänger der Regierung oder der Opposition. Zu viel war bisher seit den Präsidentschaftswahlen am 3. Dezember 2006 passiert, bzw. vom Präsidenten Chávez angekündigt worden, ohne dass sich Protest rührte.

Ob es ein Ermächtigungsgesetz oder die Ankündigung einer Verfassungsänderung war, die Verstaatlichung der Telefongesellschaft, der Verlust der Unabhängigkeit der Zentralbank oder die Ankündigung der Abschaffung der „bourgeoisen“ Erziehung – alles wurde von den Venezolanern mit beinahe stoischer Ruhe ertragen.

Warum also die Proteste nach dem Lizenzentzug für RCTV? Zunächst einige Informationen zu RCTV. Der private Sender wurde 1953 gegründet und entwickelte sich mit dem Aufstieg von Hugo Chávez zu dessen größten Widersacher. Chávez wirft Marcel Granier, dem Besitzer von RCTV vor, beim gescheiterten Staatsstreich 2002 gegen ihn gemeinsame Sache mit den Putschisten gemacht zu haben. RCTV sowie andere Privatsender hatten während des Putsches eine eindeutige Haltung contra Chávez eingenommen. Am 27. Mai 2007 lief nunmehr die Lizenz für RCTV aus; sie wurde nicht mehr verlängert, sondern einem weiteren Staatssender zur Verfügung gestellt. Chávez begründete dies mit „Missbrauch“, Granier sprach von „Totalitarismus“.

Aber warum die Studentenproteste? Letztendlich spielen wohl mehrere Faktoren mit – eine Kombination von Herz und Verstand. Zum einen existiert jetzt nur noch ein privater Sender „Globovisión“. Die politische Einseitigkeit der Fernsehlandschaft wird immer mehr „erlebbar“ und die Studenten haben wohl am deutlichsten realisiert, dass in Venezuela immer mehr Grundrechte langsam aber stetig abgeschafft werden. Zum anderen empfinden viele Venezolaner aus allen Klassen den Verzicht auf „Telenovelas“ („Seifenopern“) als Angriff auf ihr persönliche Freiheit.

An was es aber letztendlich auch immer gelegen haben mag, die Kommentare und Bilder in Caracas verdeutlichen einmal mehr wie gespalten die venezolanische Gesellschaft ist. Während Erzbischof Balthasar Porras Hugo Chávez mit Fidel Castro, Adolf Hitler und Benito Mussolini vergleicht, bewertet Pedro Carreño, Innen- und Justizminister, die aktuelle Situation als Ergebnis eines „Destabilisierungsplans“ seitens des „US-amerikanischen Imperiums“. Oppositionspolitiker Julio Borges bemerkt, dass die Venezolaner Chávez nicht gewählt haben, um RCTV zu schließen, sondern um die Unsicherheit zu bekämpfen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Am krassesten sind jedoch die Unterschiede bei den Bildern. Während die regierungsnahen Sender junge Männer (offenbar Studenten) mit Steinen in den Händen groß im Bild zeigen, konzentriert sich der einzig noch verbleibende oppositionsnahe Sender Globovisión auf den Wasserwerfer, der offensichtlich friedlich demonstrierende Menschen verfolgt. Wie lange Globovisión noch unabhängig sein wird, muβ abgewartet werden. Kommunikationsminister William Lara verlangte Montagabend Ermittlungen gegen den Sender als auch gegen CNN. Globovisión habe dazu aufgerufen, Attentate gegen Chávez zu verüben. Hintergrund: in einem Beitrag von Globovisión zum Attentat auf Papst Johannes Paul II. war ein Lied mit den Worten zu hören: “...das endet hier nicht...“. Lara schlussfolgert offenbar daraus, dass dieser Ausschnitt zu einem Attentat auf den Präsidenten Chávez anstiften soll.

Die Proteste gehen auch am heutigen Dienstag weiter. Hupkonzerte und Menschengruppen, die Kochtopfgetrommel aus Protest gegen die Schließung von RCTV veranstalten, prägen das Bild und die Stimmung in der Stadt. Weitere Proteste der Studenten der wichtigsten und größten Universitäten des Landes sind angekündigt. In Caracas gibt es einen Demonstrationszug der die Botschaft der OEA zum Ziel hat. Es gibt Gerüchte, dass sich die Fahrer des öffentlichen Nahverkehrs den Protesten anschließen wollen; die Stimmung ist angespannt zumal immer öfter auch das Wort „Generalstreik“ zu hören ist.

Die vor allem jugendlichen Demonstranten der Opposition, aber zunehmend auch Frauen schwanken letztendlich jedoch zwischen dem Mut der Verzweiflung und Resignation. „Hört uns denn niemand?“ fragte mich gestern Nacht eine Venezolanerin. Offensichtlich bekommen viele Menschen schon gar nicht mehr mit, dass in den Medien in Europa, aber auch in Südamerika zunehmend kritisch über die Situation in Venezuela und vor allem über die eingeschränkte Meinungsvielfalt in Venezuela berichtet wird. Und so wissen viele auch nicht, dass am Anfang dieser Woche die Deutsche Ratspräsidentschaft im Namen der Europäischen Union eine Resolution herausgegeben hat. Zum ersten Mal wird darin „erwartet, dass die Bolivarische Republik Venezuela diese Freiheiten (gemeint sind Meinung- und Pressefreiheit) gewährleistet und Pluralismus bei der Verbreitung von Informationen unterstützt“.

Bleibt zu hoffen, dass die Proteste der Opposition als auch die Reaktion der in großer Überzahl angetretenen Guardia Nacional nicht zunehmend gewalttätig verlaufen. Provokateure sind in beiden Lagern zu beobachten. Soeben hat auch das Chávezlager zu einer „Marcha“, einem Protestmarsch, aufgerufen. Der Graben zwischen Chávez-Anhängern und Chávez-Gegnern wird jeden Tag tiefer, die Hupkonzerte auf den Strassen immer ohrenbetäubender. Und der Präsident Chávez? Nach dem zwei Tage von ihm weder etwas zu sehen noch zu hören war erschien er heute auf allen Kanälen. Der Höhepunkt seiner Ansprache mit Anspielung auf die Demonstranten: „Ich bin bereit für mein Land zu sterben. Die Frage ist: Seid Ihr es auch? “.

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