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Reportajes internacionales

Angola wählt!

de Dr. Dr. Anton Bösl

Erste Parlamentswahlen seit 16 Jahren

Am 5. September 2008 sollen in Angola die ersten Parlamentswahlen seit 16 Jahren und die zweiten Wahlen in der Geschichte des Landes stattfinden. Nach mehrfachem Verschieben der Parlamentswahlen hat die Regierung des Landes die notwendigen legislativen und administrativen Voraussetzungen geschaffen, formal und politisch korrekte Wahlen durchzuführen. Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen vor, während bzw. nach den Wahlen in Kenia und Simbabwe und den äußerst schwierigen Regierungsbildungen blicken viele sehr skeptisch auf die Parlamentswahlen in Angola, einem Land, das über sehr wenig demokratische Tradition verfügt und dessen erster und bisher einziger Urnengang 1992 es in einem blutigen Bürgerkrieg versinken ließ.

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Vor nur sechs Jahren (2002) endete in Angola ein 27 Jahre dauernder Bürgerkrieg mit mehr als 1 Mio. Toten bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 14 Mio. Einwohnern. Er hatte Angola, das 1975 völlig unvorbereitet in die Unabhängigkeit von Portugal entlassen wurde, in ein humanitäres, soziales und wirtschaftliches Chaos gestürzt, welches das Land bis heute prägt. Inzwischen sind die meisten der 4,5 Millionen intern vertriebenen Personen wieder in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt und mehr als 300.000 Personen, die sich vor allem in den Nachbarländern aufhielten, wurden repatriiert. Die Post-Konflikt-Situation mit einer zerstörten Infrastruktur prägt das Land bis heute, die höchste Konzentration von Landminen weltweit fordert immer noch ihre Opfer. Eine ganze Generation in Angola wuchs in einem von beiden Seiten äußerst brutal geführten Krieg auf, was auch die soziale Kohäsion in Angola beschädigt hat und den Prozess der nationalen Versöhnung zu einer großen Herausforderung macht. Ein Großteil derer, die im September 2008 ein neues Parlament in Angola wählen sollen, assoziiert mit Wahlen eine Rückkehr in Bürgerkrieg und Chaos. Schließlich führte der Wahlausgang und für viele überraschende Sieg der seither regierenden MPLA (Volksbewegung zur Befreiung Angolas) dazu, dass die UNITA (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas), die sich um den Wahlsieg betrogen fühlte, diesen mit Waffengewalt erzwingen wollte. Erst der Tod von deren Führer Jonas Savimbi 2002 ermöglichte eine Rückkehr zum Friedensprozess, der bereits 1994 in Lusaka ausgehandelt worden ist und welcher eine Regierung der nationalen Einheit unter Einbindung der UNITA vorsieht.

Wiederaufbau seit Kriegsende

Seit dem Ende des Krieges 2002 lässt sich in Angola eine starke Dynamik in vielen Bereichen feststellen. Aufgrund der erheblichen Einnahmen vor allem aus dem Bereich der natürlichen Ressourcen (Öl, Diamanten) kommt es zu zahlreichen Maßnahmen zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur. Straßen und Brücken sowie ein neuer Flughafen werden gebaut. In Luanda wird an allen Ecken und Enden gebaut, im Süden der ca. 6 Mio. Einwohner zählenden Stadt entsteht derzeit ein eigener Stadtteil für einige Hunderttausend Menschen.

Von den erheblichen staatlichen Einnahmen profitiert aber nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung. Der Großteil lebt unter schwierigsten Bedingungen und ist abgeschnitten von der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Deshalb nimmt Angola, das zur Gruppe der „least developed countries“ (LDC) gehört, im Human Development Index (HDI) von den 177 bewerteten Ländern regelmäßig einen der letzten Plätze ein. Trotz des enormen Wirtschaftswachstums fiel Angola in den letzten Jahren sogar von Platz 160 auf Platz 162 (HDI Report 2007). Etwa 2/3 der Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Tag, die Lebenserwartung liegt bei 40 Jahren, die Kindersterblichkeitsrate ist mit 250 Toten bei 1000 Kindern (unter fünf Jahren) weltweit unter den höchsten. Alle drei Minuten stirbt ein Kind in Angola. Die eingeschränkte Bewegungsfreiheit während des Krieges hat dazu geführt, dass die HIV/Aids-Rate geringer als in den Nachbarländern ist. Offiziell liegt die sie bei 2,1 %, inoffiziell ist sie deutlich höher, Tendenz steigend.

Armut trotz Reichtum

Auch wenn das Land an natürlichen Ressourcen außerordentlich reich ist, profitiert die breite Bevölkerung kaum davon. Die Regierung und ihr kleptokratisches Patronagenetzwerk privatisieren große Teile der Öleinnahmen. Der IWF hat den Mangel an interner Kontrolle und Transparenz der Regierung und der Zentralbank als Schlüsselproblem identifiziert. Da sich die Regierung stark aus den Erlösen aus dem Verkauf der Ressourcen finanziert (50 % des GDP stammt aus dem Ölgeschäft), ist sie nicht von Steuereinnahmen und einer diversifizierten Wirtschaft bzw. Industrie abhängig. Dieses „paradox of plenty“ scheint ein Grund für die Schwäche des Staates und seine Unfähigkeit zu sein, der Bevölkerung öffentliche Güter und Dienstleistungen zu gewähren. Der hohe Ölpreis und eine gestiegene Ölproduktion haben zu hohen Einnahmen des Landes geführt und Angola mehrere Wiederaufbaukredite, v.a. aus China, beschert. 50 % der Ölproduktion von täglich 2 Mio. Barrel gehen dafür nach China, 40 % in die USA.

Eine relativ niedrige Inflationsrate von derzeit ca. 12 % und eine seit drei Jahren stabile Währung (Kwanza) haben zu Wachstumsraten in den letzten Jahren von 11,2 % (2004), 20,6 % (2005), 18,6 % (2006) und 20,7 % (2007) geführt. Dies darf aber nicht über die problematischen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer zerstörten Infrastruktur, einer inadäquaten Wirtschaftspolitik und exorbitanter Korruption hinwegtäuschen, weshalb die Wirtschaft sich nur unterhalb ihres eigentlichen Potentials entwickelt. Aufgrund seiner Ressourcen konnte Angola in den letzten Jahren die höchsten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in Afrika gewinnen, inzwischen doppelt so viel wie Südafrika.

Armutsbekämpfung

Wegen des gestiegenen internationalen Interesses an Angola und angesichts der bevorstehenden Wahlen bemüht sich die Regierung inzwischen stärker um Armutsbekämpfung, den Wiederaufbau des Landes und um nationale Versöhnungsinitiativen. Diese positiven Bemühungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das politische System mit einem starken Exekutivpräsidenten dem Parlament nur eine marginale Rolle zugesteht. Von den 220 Abgeordneten (aus 10 Parteien) stellt die regierende MPLA 129, die UNITA 70. Aufgrund der Uneinigkeit innerhalb der neun Oppositionsparteien kann die Legislative ihr parlamentarisches Mandat als Korrektiv der Exekutive nicht effektiv ausüben. Die wenigen Abgeordneten der Opposition, die Mitglieder in der Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung sind, welche seit 1997 im Amt ist, haben nur sehr begrenzten Einfluss und politische Macht. Bereits 2006, also 14 Jahre nach den letzten demokratischen Wahlen und nach mehrfachem Verschieben der überfälligen Parlamentswahlen, hatte der Präsident Angolas, dos Santos, den Prozess der Wählerregistrierung eingeleitet.

Nachdem dieser abgeschlossen ist, steht dem Urnengang eigentlich nichts mehr im Wege. Ferner wurde schon 2005 ein Paket von Gesetzen vom Parlament verabschiedet, welches die Wahlen vorbereiten sollte. Es handelt sich dabei um ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz, ein Gesetz für politische Parteien, ein Gesetz zur Wählerregistrierung, ein Gesetz zur Wahlbeobachtung, ein Wahlgesetz und ein Verhaltenskodex für die Wahlen. Die Gesetze wurden in einem partizipativen Prozess unter Einbeziehung von Parteien und Zivilgesellschaft verfasst und stellen einen sinnvollen Rahmen für die Wahlen dar. Eine nationale Wahlkommission wurde geschaffen, die auch Wahlbeobachter ausgebildet hat. Die Regierung hat mit großem Aufwand ein technisch gesehen eindrucksvolles Wählerregister erstellt, das als das modernste in Afrika gelten darf. Acht Millionen Wähler wurden zwischen November 2006 und Mai 2008 in mobilen Zentren in allen 18 Provinzen des Landes registriert, für entlegene Gebiete wurden Helikopter eingesetzt. Die mobilen Teams nahmen biometrische Daten der Wahlberechtigten, die zusammen mit einem digitalen Bild auf eine Scheckkarte gedruckt wurde. Diese Informationen wurden in einem nationalen Datenzentrum gespeichert, um mehrfache Registrierung zu vermeiden. Bedenklich ist allerdings, dass die Kommission den Zugang zu diesem Wählerregister und eine externe Prüfung verweigert. Die acht Millionen registrierten Wähler dürfen nunmehr in 220 Wahlkreisen insgesamt 5.200 Kandidaten von zehn Einzelparteien und vier Koalitionen wählen. Da die Wahl zwar in Wahlkreisen, aber nach dem Verhältniswahlrecht und mittels einer Parteiliste stattfindet, entscheiden sich die Wähler im Grunde für Parteien, weniger für Akteure. Dass es trotz des technisch weit entwickelten Wählerregisters zu einem freien und fairen Wahlprozess kommen wird, muss jedoch angesichts der derzeitigen Situation bezweifelt werden.

Politische Gewalt

Präsident dos Santos und seine regierende MPLA haben in den letzten Jahren die wichtigsten Ämter in Politik und Wirtschaft, entscheidende Posten in Justiz und Gesellschaft mit Familienangehörigen, Mitgliedern oder Sympathisanten seiner Partei besetzt. Der Staat und die MPLA werden von vielen als Einheit wahrgenommen, zumal die Partei staatliche Ressourcen für ihre Wahlkampfzwecke einsetzt. Während der Wahlkampf auf die 31 Tage vor dem Wahltag beschränkt ist, führt die MPLA seit Monaten Wahlkampf und nutzt dazu neben Musikkonzerten und Paraden auch Geschenke, die aus staatlichen Mitteln finanziert wurden. Die Oppositionsparteien klagen über Einschüchterungsmanöver und Schikanen bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Wahlveranstaltungen. Obwohl Angola als Mitglied der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) die Richtlinien für freie und faire Wahlen unterzeichnet hat, ist die Regierung bzw. die MPLA offensichtlich nicht bereit, diese auch umzusetzen. In diesen von afrikanischen Regierungen und Parlamenten entwickelten und verabschiedeten Richtlinien werden Kriterien für freie und faire Wahlen benannt, u.a. Versammlungs- und Meinungsfreiheit, freier Zugang zu den Medien, der Aufbau einer unabhängigen Wahlkommission und angemessene Sicherheitsvorkehrungen für politische Parteien sowie die Gewährleistung eines Umfeldes für Toleranz und freie Partizipation der Wähler. Internationale und unabhängige Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch stellen dagegen fest, dass politische Gewalt insbesondere von Sympathisanten der MPLA ausgeht, gerade in ländlichen Gebieten vorkommt und die Polizei nicht dagegen einschreitet, was zu einem weiteren Vertrauensverlust in die Polizei des Landes führt. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen sind von dieser Gewalt betroffen. Die Katholische Kommission „Justitia et Pax“ verweist darauf, dass die in den ländlichen Gebieten Angolas sehr einflussreichen traditionellen Autoritäten von der MPLA unter Druck gesetzt und instrumentalisiert werden.

Der Zugang zu den Medien, insbesondere den elektronischen Medien, ist Oppositionsparteien nur sehr eingeschränkt möglich. Kürzlich wollte die Regierung der UNITA-nahen Station „Radio Despertar“ die Sendelizenz entziehen, weil diese angeblich jenseits ihrer bewilligten Lizenz sendete. Aufgrund eines Verfahrensfehlers der Regierung darf die wohl populärste Radiostation des Landes trotzdem weiter senden. Printmedien spielen außerhalb der Hauptstadt Luanda keine Rolle. Die zerstörte Infrastruktur, die nach wie vor große Teile des Landes von der Außenwelt abschneidet, führt zu einem Informationsdefizit, das die MPLA mittels der staatlichen Medienanstalten, insbesondere der nationalen Radiostation, zu ihren Gunsten beeinflusst.

In der angolanischen Exklave Cabinda findet seit vielen Jahren ein gewalttätiger Konflikt zwischen dem Militär und einer separatistischen Guerillabewegung statt. Trotz eines Abkommens vom Januar 2008 kommt es dort zu unrechtmäßigen Verhaftungen und Verurteilungen.

Anfang Juli 2008 hat die Regierung ein Dekret erneuert, das Diplomaten und Vertretern internationaler Organisationen vorschreibt, bei Reisen von Luanda ins Landesinnere mindestens drei Tage vorher das Außenministerium zu informieren. Verbunden ist diese Restriktion mit dem Hinweis auf die Wiener Konvention, die Diplomaten vor der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Gastlandes warnt.

Während die Oppositionsparteien die Verlängerung des Wahlvorganges von einem auf zwei Tage und die damit einhergehende Gefahr der Manipulation der Stimmenauszählung rückgängig machen konnten, bleiben Zweifel an der Tatsache, dass der Wahlvorgang von zwei unterschiedlichen Kommissionen koordiniert wird, die überwiegend mit Mitgliedern der regierenden MPLA besetzt sind. Es bleibt zu hoffen, dass die internationalen Wahlbeobachter (die EU hat durch hartnäckiges Insistieren schließlich eine Einladung zur Wahlbeobachtung erhalten) nicht nur den Wahlvorgang am 5. September selbst, sondern gerade auch die Auszählung der Stimmzettel beobachten. Bei den letzten Wahlen in Angola 1992 fand dies nachts statt, ohne internationale Wahlbeobachter. Diese waren nach Schließung der Wahllokale bereits in ihre Hotels zurückgekehrt. Das Ergebnis der Auszählung hat schließlich viele Beobachter verwundert. Die Konsequenzen, die zweite und blutigste Phase des Bürgerkrieges, sind hinlänglich bekannt.

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Sankt Augustin Deutschland