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Reportajes internacionales

Der Georgienkonflikt und seine Folgen

de Hans Kaiser
Die Sicht ungarischer Medien und der Vertreter politischer und gesellschaftlicher Gruppen

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Die Reaktionen und Einschätzungen in den Medien

Der Georgienkonflikt hat in den ungarischen Medien eine bemerkenswert große Aufmerksamkeit gefunden. Dies gilt für alle Medien bis hin zu den Wochenzeitungen, die den Konflikt sehr ausführlich analysierten. Allenthalben Titelseite und Platz eins. Es überrascht nicht. Das russische Verhalten im Kaukasus weckt in Ungarn bei vielen Bürgern traumatische Erinnerungen.

Die Medien sympathisierten von Anfang an überwiegend mit den Georgiern, wobei allerdings auch kritische Töne mit Blick auf den georgischen Präsidenten Sakashvili angeschlagen wurden; mit der Frage etwa, ob er nicht besser daran getan hätte, trotz aller Nadelstiche seitens der Russen den Konflikt zu vermeiden, statt womöglich im Schatten der Olympischen Spiele fahrlässig mit dem Gedanken eines „Blitzkrieges“ zu spielen. (Einschätzung einer Studie des Ungarischen Instituts für Außenpolitik vom 12. August 2008.)

Tatsächlich führte wohl die Tatsache, dass die Auslösung des aktuellen kriegerischen Konflikts durch den georgischen Präsidenten dazu, dass es durchaus auch „russlandfreundliche“ Kommentierungen gab; Das geschah ungeachtet der Vorgeschichte und ebenso des radikalen und völkerrechtswidrigen Vorgehens Russlands und seiner Armee in Georgien. In einigen Berichten gab es Verweise auf die Intervention der USA 1999 im Kosovo.

In den Medien erschienen zahlreiche Gastkolumnen, um ein möglichst breites Spektrum von Meinungen vorzustellen. Etwa von der Botschafterin der Vereinigten Staaten, die die russische Aggression und Invasion eines souveränen Staates scharf attackierte. Oder von Charles Gati, einem Professor der Hopkins-Universität, der unter der Schlagzeile „Die russische Freundschaft ist lebensgefährlich!“ schrieb. Und in seinem Text heißt es: „Es ist lächerlich, die russische Aggression mit der Verteidigung von Minderheiten in Abchasien oder Ossetien zu erklären.“ Ausdrücklich stimmte Gati dem Vergleich von 56 (Ungarn) und heute (Georgien) durch Viktor Orbán, den Oppositionsführer zu.

Das Verhalten von ungarischer Regierung, Opposition und der Parteien

Die ungarische Regierung hielt sich bemerkenswert deutlich mit Stellungnahmen zum Konflikt und insbesondere zu der russischen Aggression zurück. So kam es zunächst allein zu klaren Verurteilungen durch den ungarischen Staatspräsidenten Lászlo Solyom wie auch durch den Führer der Opposition Viktor Orbán. Orbán ging so weit, einen Vergleich zwischen 1956 und heute zu ziehen mit der Schlussfolgerung, dass es töricht sei zu glauben, dass sich der früher sowjetische und heute russische Macht- und Oberherrschaftsanspruch tatsächlich verändert hätte. Und er erinnerte an die europäische Verantwortung in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Orbán: „Was die Russen jetzt sagen, das unterscheidet sich nicht von dem, was die Sowjets 1956 gesagt haben.“ Der Oppositionsführer bedankte sich schriftlich bei den Regierungen der baltischen Staaten sowie der Ukraine und von Polen für ihr deutlich sichtbares Eintreten für Georgien und dessen Souveränität und territoriale Unversehrtheit bei ihrem Aufenthalt in Tiflis. Der Brief enthält auch die Forderung, Georgien und der Ukraine „so bald wie möglich“ den Beitritt zur NATO zu ermöglichen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im ungarischen Parlament, Szolt Németh, Fidesz, sprach in seinen Kommentierungen von „russischer Aggression“ und vom „Bruch des Völkerrechts“. Die Jugendorganisationen des Fidesz demonstrierten vor der russischen Botschaft in Budapest. Fidesz forderte die Gyurcsány-Regierung dazu auf, ihre Russland-Politik zu überdenken. Die jetzige ungarische Außenpolitik laufe Gefahr, das einheitliche Auftreten der NATO und der EU zu behindern.

Auch Sprecher von SZDSZ, des früheren Koalitionspartners von MSZP, fanden klare Worte der Verurteilung, was auch für KDNP aus dem bürgerlichen Lager gilt: Die Russen seien nicht in der Lage zu begreifen, dass es die Sowjetunion nicht mehr gebe. Der Angriff auf Georgien sei eine offene Aggression.

Die polternde und ausgesprochen derbe Reaktion des russischen Botschafters in Budapest angesichts solcher Verurteilungen des russischen Vorgehens in Georgien lenkte eher ungewollt den Blick zurück in offenkundig nur scheinbar vergangene Zeiten.

Das lange Schweigen des ungarischen Ministerpräsidenten Gyurcsány, der sich erkennbar scheute, neu gewonnene oder gefestigte „Freundschaften“ zu gefährden, wurde nicht nur in den ungarischen Medien, sondern auch in der internationalen Presse kritisiert. Die Times weist dem Ministerpräsidenten mit dessen persönlichen Interessen und seiner politischen Herkunft unmittelbar die Schuld dafür zu, dass ausgerechnet die ungarische Diplomatie in der Frage des Georgienkonflikts so „lau“ sei. Gyurcsány wird im Artikel als „Multimillionär“ und „früherer kommunistischer Jugendführer“ vorgestellt.

Die Anerkennung der abtrünnigen Provinzen, die gestern durch den Entscheid des russischen Präsidenten Medwedev vollzogen wurde, hat in Ungarn keine besondere Überraschung mehr ausgelöst. Ebenso war es wenig überraschend, dass auch hier die Reaktion der ungarischen Regierung auf sich warten ließ. Aus der Gruppe der Visegrad-Staaten waren es die Tschechen, die sich spontan und zugleich sehr hart äußerten.

Die weitere Entwicklung der Beziehungen zu Russland

Vielfach ist Ratlosigkeit und Enttäuschung zu spüren. Angesichts des im Georgienkonflikt absolut nicht beeinflussbaren Verhaltens Russlands mit dem Signal: Es schert uns nicht, was ihr in der EU oder in der NATO oder auch in den einzelnen Staaten wollt oder von uns denkt. Enttäuschung auch darüber, dass nicht einmal der Wille zu erkennen war, in den inzwischen doch zahlreichen Gremien, die der Sicherheitspartnerschaft dienen sollten, den Versuch eines Zusammenkommens, einer Vertrauensbildung oder gar einer Einigung zu unternehmen.

Die Frage der Verlässlichkeit einer „gelenkten Demokratie“ mit Scheinparlament ist überraschend schnell auf die Tagesordnung gekommen und in gewisser Weise auch beantwortet. Es weckt zu Recht anhaltende Besorgnis vor allem in Staaten der ehemaligen Sowjetunion, von denen einige ahnen, dass sie tief in das wohl noch gut erhaltene Gedächtnis der ehemaligen SU eingebrannt sind: Die Ukrainer stehen ebenso wie Georgien sogar jenseits aller strategischen Überlegungen oder Energiesicherungsfragen Russlands ohne Zweifel in vorderster Front. In anderen Staaten macht es zu Recht Sorge, wenn in Landesregionen mit Separierungstendenzen russische Pässe verteilt werden. Und immer wieder wird die Sorge formuliert, dass hier eine Spirale in Gang gesetzt sein könnte, deren Dynamik nicht absehbar sein mag. All diese Themen werden hier in Budapest in den Instituten und Gremien durchaus diskutiert, wenngleich hierzulande die „Besitznahme“ durch Russland auf anderer, nichtmilitärischer Ebene schon länger kritisch beobachtet wird. Die Übernahme der nationalen Fluggesellschaft Malev durch russische Eigner ist nur ein Beispiel. Die Pipeline-Frage und russische Energielieferungen spielen ebenso ihre entscheidende Rolle im Machtspiel.

Es sieht nicht so aus, als ob durch die ungarische Regierung ein nennenswerter Beitrag geliefert werden könnte, zur Lösung der im Georgienkonflikt zu Tage getretenen Probleme – und da geht es eben nicht „nur“ um den Konflikt im südlichen Kaukasus – beizutragen. Da gibt es vor allem für die gegenwärtige Regierung allzu offenkundige „Selbstbindungen“ und selbstverordnete Zwänge.

Die ungarische Regierung versucht dabei das Kunststück, einerseits der EU Anlehnung an deren Linie, was immer diese sei, zu signalisieren, zugleich aber auch dem Kreml Signal zu geben, dass die Gyurcsány-Regierung dessen hilfreiche Zuneigung nicht verscherzen möchte. Es entspricht dem, was der vor sich hin dümpelnden Minderheitsregierung von Gyurcsány nicht nur von der Opposition nachgesagt wird: Der Schlüssel für den Erhalt seiner Macht liege wohl nur in Moskau. Und notfalls stehe für ihn ein Aufsichtsratsvorsitz bereit.

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