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Reportajes internacionales

Dreikampf mit Hindernissen

de Dra. Kristin Wesemann, Melda Akbas, Marten Neelsen

Wer beerbt die zweimalige Präsidentin Cristina Kirchner?

Es dürfte der teuerste Wahlkampf aller Zeiten in Argentinien werden. Fast 100 Millionen Dollar, so die Prognose, werde die monatelange Schlacht um die Casa Rosada, den rosafarbenen Präsidentenpalast, insgesamt kosten. Amtsinhaberin Cristina Kirchner darf nach acht Jahren nicht noch einmal antreten, und ihre Regierung zittert angesichts schlechter Umfragewerte und kaum besserer Wirtschaftsdaten um die Macht.

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Abgestimmt wird zwar erst am 25. Oktober, und die Stichwahl einen Monat später ist wahrscheinlich. Aber die Parteien und ihre möglichen Kandidaten haben bereits auf Wahlkampfmodus geschaltet. Drei Männer hätten im Augenblick die besten Chancen: der kirchnernahe Peronist Daniel Scioli, der kirchnerkritische Peronist Sergio Massa und der Nichtperonist Mauricio Macri, der allerdings auch peronistisches Personal angeworben hat.

Der 15. März 2015 könnte in die argentinische Geschichte eingehen. Nach stundenlangen Diskussionen und Aussprachen hatte die altehrwürdige Partei Unión Cívica Radical (UCR) in der Karnevalsstadt Gualeguaychú nahe der uruguayischen Grenze am frühen Morgen für eine politische Allianz mit der Mitte-Partei Propuesta Nacional (PRO) und ihrem Präsidentschaftskandidaten Mauricio Macri gestimmt. Die UCR hat Argentinien zwar immer wieder regiert, sogar zweimal seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1983. Allerdings steht sie im Ruf, ihre ehrenwerten politischen Ideen nicht umsetzen zu können. Zu zögerlich seien die Radikalen, wenn es drauf ankommt. Nicht abgebrüht genug, eine Ansammlung von Leuten mit Glaskinn, die in einer politischen Rauferei nichts einstecken können und lieber das Handtuch werfen. Vor allem Peronisten, die sich für den Gegenentwurf halten, lästern gern über die älteste Partei des Landes, an deren Gründung im Jahr 1892 noch der frühere Präsident Bartolomé Mitre beteiligt war. Doch seit der Jahrtausendwende schwächeln die Radikalen tatsächlich; die alte Dame der argentinischen Politik versuchte sich an immer neuen Allianzen und Wahlbündnissen mit kleinen und Kleinstparteien, weil die Kraft zum Alleinregieren nicht mehr ausreichte. Die eigentliche Opposition zum seit 2003 regierenden Kirchnerismus kam aus dem Peronismus oder der PRO.

Dabei zählt sich die regierende Frente para la Victoria (FpV) von Präsidentin Cristina Kirchner selbst zum Peronismus. Doch hatte sie unter Führung von Néstor und Cristina Kirchner alles daran gesetzt, sich den Peronismus einzuverleiben – jenes allumfassende politische Sammelbecken, das ihren Namensgeber Juan Domingo Perón zum kleinsten gemeinsamen Nenner hat. Normalerweise ist es aber der Peronismus, der seine Führer bestimmt. Will jemand mit dieser Regel brechen, dann spaltet sich die Bewegung und läuft Gefahr die Macht zu verlieren. Vor allem unter Präsidentin Cristina Kirchner, die 2007 die Nachfolge ihres Mann antrat und schärfer als dieser auf Konfrontation setzt, hat sich der Peronismus mehr und mehr gespalten: in Kirchneristen und Antikirchneristen. Dazwischen sammeln sich all jene, die je nach Vorteil immer mal wieder die Seiten wechseln.

Sogar der Fußball macht Pause

Das argentinische Superwahljahr beginnt am 12. April mit den Vorwahlen für das Gouverneursamt in der Provinz Salta. Acht Monate später, am 10. Dezember, endet es mit der Ernennung des neuen Präsidenten. Bis dahin gibt es viele Vorwahlen, Wahlen und Stichwahlen. Gesucht wird nicht nur ein Staatsoberhaupt. Auch im Nationalparlament werden viele Sitze neu vergeben – die Hälfte im Abgeordnetenhaus, ein Drittel im Senat; es endet die Legislaturperiode für die 2011 gewählten Politiker. In weiten Teilen des zweitgrößten Landes Lateinamerikas wird auch über neue Bürgermeister, Gouverneure sowie Regional- und Kommunalvertretungen abgestimmt. „Im Dezember wird die politische Landkarte eine ganz andere sein“, sagt Sergio Berensztein, einer der wichtigsten Meinungsforscher Argentiniens. Er rechnet mit einem Ende der nahezu allumfassenden kirchneristischen Machtkonzentration des Landes.

Andere Themen werden es in den kommenden Monaten schwer haben – vom Fußball abgesehen, versteht sich, für den in Argentinien ja immer Platz ist. Damit die größte Leidenschaft des Volkes der Politik tatsächlich auch nicht in die Quere kommt, endet die Meisterschaftssaison sicherheitshalber schon Anfang November. Die Stichwahl, von der man im Augenblick ausgehen kann, ist auf den 24. November terminiert.

Argentinien steckt derzeit in einer so tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise, dass keinesfalls sicher ist, dass auch diesmal ein Peronist – egal welcher Couleur – die Wahl gewinnt. Derzeit teilen sich drei politische Kräfte das Szenario: die linkspopulistische Siegesfront der Staatschefin, die Mitte-Partei Propuesta Nacional (PRO), die seit acht Jahren mit Mauricio Macri die Hauptstadt Buenos Aires regiert, und das Mitte-Links-Bündnis Frente Renovador (FR), das sich ebenfalls auf den Peronismus beruft und von Sergio Massa angeführt wird, einst Kabinettschef von Cristina Kirchner, dann Bürgermeister der Kleinstadt Tigre und jetzt oppositioneller Abgeordneter. Es ist schwer, den Umfragen Glauben zu schenken. Derzeit liegt meist Macri vorne, aber auch Massa oder Scioli führen mitunter das Feld an. Journalisten und Politikberater meinen zu wissen, welchem Kandidaten welches Institut gehört und wer welche Werte bezahlt. Längst ist die Rede von einem „Umfragekrieg“, doch um seine Reputation scheint momentan kaum jemand zu fürchten.

Noch vor einem Jahr erschien Macris Kandidatur aussichtslos. Die Begründung lieferten siegessichere Peronisten aus beiden Lagern: Dem einstigen Unternehmer und seiner jungen, erst 2005 gegründeten Partei fehlten das Territorium, die Masse von Anhängern, die Wurzeln in den Weiten des Landes, das fast achtmal so groß ist wie Deutschland – Wahlsieg ausgeschlossen. Dahinter steht das argentinische Muster der Stimmabgabe: Wer die meisten Wahlhelfer stellt, den Wahlbezirk politisch und die Urnen per Hand kontrolliert, gewinnt das Mandat. Die demokratische Willensbekundung ist – von einigen Ausnahmen abgesehen – so bunt, hektisch und undurchsichtig wie der Alltag am Río de la Plata. Der Wähler zeigt am Wahltisch seine Unterlagen vor und betritt dann allein einen Klassenraum. Dort liegen auf Tischen die Wahlzettel, die an Partyflyer und Werbezettel erinnern. Mitunter liegen die Zettel bestimmter Parteien und Kandidaten allerdings auch nicht aus – besser gesagt: nicht mehr, weil sie auf rätselhafte Weise verschwunden sind. Also schicken die Parteien immer wieder ihre Leute zur Kontrolle vorbei, um notfalls neue Zettel auslegen zu können. In den Städten ist das meist kein Problem, da finden sich genug Anhänger, um nach dem Rechten zu schauen. Aber hat die Partei auch noch jemanden in dem fernen Dorf, das 2000 Meter hoch liegt und nur über eine überschwemmte Schotterpiste zu erreichen ist? Der Peronismus – auch das macht seine Stärke aus – hat dort seine Leute. Nur Peronisten gibt es in Argentinien tatsächlich überall.

Ein einheitlicher Stimmzettel (boleta única) steht seit Jahren auf der Wunschliste vieler Bürger, Journalisten und Politologen. Doch durchsetzen konnte er sich bislang kaum. Dort, wo die Stimmabgabe elektronisch erfolgt, also einfach und transparent ist – in der Nordprovinz Salta etwa –, fürchten die Regierenden die Abwahl. Denn wer in Argentinien regiert, der verteilt auch soziale Wohltaten. Und die Ansprüche verteilen sich nicht ausschließlich nach Bedürftigkeit, sondern vor allem auch nach politischer Folgsamkeit. Wer also genau den Wahlzettel in die Urne wirft, den ihm ein Wahlhelfer des Bürgermeisters oder des Gouverneurs beim Mate im eigenen Wohnzimmer in die Hand gedrückt hat, kann sich bei genehmem Wahlergebnis über mancherlei Wohltat freuen: eine Stelle in der Verwaltung für den Neffen oder ein Fahrrad für die Enkelin. So hat Politik schon unter Juan Domingo Perón und seiner Frau Evita funktioniert.

Über Territorium verfügt der Peronismus, er bekämpft sich im Augenblick allerdings selbst, und dass sich die gespaltete Bewegung vor den Wahlen noch rechtzeitig wiedervereinigt, ist eher unwahrscheinlich. Die Peronisten haben sich auch nicht vorstellen können, dass der ewige Rivale – die angeblich so zögerliche UCR – seine Truppen und Gebiete per Parteitagsbeschluss Macri und PRO anbieten würde, um den Peronismus und vor allem den Kirchnerismus zu besiegen.

Soweit die äußere Logik des beginnenden Wahljahres.

Der logische Kandidat erhält keine Hilfe

Wäre es nach Cristina Kirchner gegangen, hätte sich Frage nach dem Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei gar nicht gestellt: Nach ihrer triumphalen Wiederwahl im Jahr 2011 mit fast 54 Prozent wollte sie die Verfassung ändern und die Begrenzung von zwei Amtszeiten für das Staatsoberhaupt abschaffen lassen, um 2015 abermals anzutreten. Doch bei den Kongresswahlen im Oktober 2013 stimmten zwei von drei Argentiniern für die Opposition – und die Regierung verfehlte die Zweidrittelmehrheit im Parlament, um die Verfassungsänderung beschließen zu können. Danach schien Daniel Scioli lange der logische Kandidat auf die Nachfolge Kirchners zu sein. Er regiert als Gouverneur die Provinz Buenos Aires, den wichtigsten und größten Distrikt des Landes, Heimat von fast 40 Prozent aller Wahlberechtigten. Wer hier gewinnt, kann im Rest des Landes kaum noch verlieren. Die Wahl in dieser Provinz gilt als Mutter aller Schlachten und wird deshalb besonders hart ausgefochten.

Der politische Lebenslauf des früheren Motorbootrennfahrers beginnt 1997 als peronistischer Abgeordneter im argentinischen Kongress. 2003 wird er unter Néstor Kirchner Vizepräsident und damit automatisch Chef des Senats – wo zu dieser Zeit Cristina Kirchner die Provinz Buenos Aires vertritt. Vier Jahre später, als Néstor Kirchner den Präsidentenstuhl räumt, auf eine zweite Kandidatur verzichtet und seine Gattin Cristina gewählt wird, siegt Scioli bei den Gouverneurswahlen in der Provinz Buenos Aires. Nach dem Tod Néstor Kirchners 2010 übernimmt er für ein paar Jahre kommissarisch den Vorsitz der peronistischen Gerechtigkeitspartei (PJ), jener mächtigen Bewegung von links bis rechts, die selbst dann Einfluss hat in Argentinien, wenn ausnahmsweise andere regieren.

(...)

Den kompletten Länderbericht finden Sie oben als PDF-Dokument zum Download.

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