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Reportajes internacionales

Livni vor großen Herausforderungen

Die neue Kadima-Vorsitzende muss die Partei einen und eine stabile Regierung bilden

Nachdem Ministerpräsident Ehud Olmert und sein Kabinett zurückgetreten war und Staatspräsident Schimon Peres mit allen 13 Fraktionen in der Knesset Gespräche geführt hatte, wurde die neue Kadima-Chefin Tzipi Livni von Peres mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Erhaltung der Einheit der Kadima-Partei sowie die Regierungsbildung stellen für Livni die größten Herausforderungen dar, bevor sie sich als Regierungschefin notwendigen und anstehenden politischen Entscheidungen widmen kann. Sollte sie Regierungschefin werden, geht es auch darum, ein Profil zu gewinnen, welches ihr bis zu den regulär anstehenden Wahlen im Frühjahr 2010 zum Erfolg verhelfen sollte.

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Tzipi Livni war aus den internen Kadima-Wahlen am 17. September 2008 als Siegerin hervorgegangen. Diese Wahlen waren zustande gekommen, weil Koalitionspartner Arbeitspartei unter Ehud Barak im Juni 2008 Olmert unter Druck gesetzt hatte, die Kadima-Führung neu zu wählen. Andernfalls würde Barak – so seine damalige Drohung - mit der Opposition für die Auflösung der Knesset und für Neuwahlen stimmen. Olmert hatte offenbar noch gehofft, die Korruptionsvorwürfe gegen ihn ausräumen oder soweit abschwächen zu können, dass er selbst bei den internen Wahlen antreten könnte. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen. Zur Wahl in der Kadima-Partei standen Sicherheitsminister Avi Dichter, Innenminister Meir Shitreet, - beide ohne realistische Chance, sowie Transportminister Shaul Mofaz, der eigentliche Herausforderer der Vize-Ministerpräsidentin und Außenministerin Tzipi Livni.

Krise der Kadima-Partei

Anders als bei Umfragen im Vorfeld der Wahl vorausgesehen, ging die Wahl sehr knapp aus. Dies zeigt auch die Stimmung und Zerissenheit in der Kadima-Partei: mit nur 431 Stimmen Vorsprung (etwa ein Prozent) bei einer Wahlbeteiligung von knapp 40.000 (von fast 70.000) Kadima-Mitgliedern gewann Tzipi Livni.

Mofaz hatte zunächst überlegt, ob er die Wahl anfechten solle, da es Unregelmäßigkeiten in verschiedenen Wahllokalen gab. So wurde z.B. eine Wahlurne während eines Tumults in einer Beduinenstadt im Süden vernichtet. Die Zahl der Stimmberechtigten in Rahat entsprach exakt dem Vorsprung, den Livni über Mofaz errang. Außerdem wurden am Wahltag im Fernsehen die Hochrechungen mit vermeintlich hohem Vorsprung für Livni präsentiert, als Wahllokale noch geöffnet hatten.

Überraschend zog sich Mofaz zurück und verkündete eine „Auszeit“ von der Politik. Dieses Ausscheiden ist ein Schlag für Livni und die Kadima-Partei. Mofaz steht für ein bestimmtes rechtes Wählerpotential der Kadima und als Ex-General für die Betonung der Sicherheit Israels. Als möglicher Außen- oder Verteidigungsminister könnte er bei Livni wahrgenommene Defizite in diesem Bereich ausgleichen. Außerdem repräsentiert Mofaz die „Mizrahi“, d.h. Juden, die aus orientalischen Ländern stammen. Livni, wie auch der Großteil der Kadima-Führungselite sind jedoch „Ashkenasim“, d.h. Juden mit europäischem Hintergrund. Livni braucht deshalb ihren bisherigen Rivalen, um die Partei zu einen.

Über die Motive von Mofaz’ Rückzug wird spekuliert: Kommentatoren meinen, er bereite seine Rückkehr in den Likud vor. Andererseits kursieren inzwischen Berichte darüber, dass er möglicherweise eine baldige Rückkehr in die Kadima-Partei plant.

Unabhängig davon, wie sich Mofaz in Zukunft verhält, ergibt sich für Livni die Herausforderung, die Partei neu unter ihrer Führung zu einen und damit eine Basis für ihre weitgehend unbekannten politischen Pläne zu schaffen. Zwar unterstützt die Mehrzahl der Kadima-Abgeordenten die neue Parteiführerin, unter einer großen Anzahl der Mitglieder ist sie dagegen umstritten. Es bleibt abzuwarten, ob sie es schafft, die Partei neu zu einen. Bisher war die Parteiarbeit sicher nicht ihre stärkste Seite.

Schwierige Regierungsbildung

Die andere Herausforderung, die Livni meistern muss, bevor sie als Regierungschefin handeln kann, ist der Aufbau einer Koalitionsregierung. Noch ist sie nicht Regierungschefin. Die Regierungsbildung dürfte die schwierigste Aufgabe sein, vor der sie nun steht. Sie hat deutlich gemacht, dass sie nicht auf Neuwahlen setzt.

Für die Regierungsbildung hat sie 28 Tage Zeit mit einer möglichen Verlängerung um zwei Wochen. Sollte sie bis dahin keine Regierungskoalition aufbauen können, kann Präsident Peres theoretisch einem anderen Knessetabgeordneten die Regierungsbildung übertragen. Wahrscheinlicher ist aber, dass dann Neuwahlen ausgerufen werden. Diese müssten nach 90 Tagen stattfinden.

Die bisherige Koalition mit Arbeitspartei und Shas ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Noch ist unklar, wie sich Ehud Barak verhalten wird. Derzeit hält er sich verschiedene Optionen offen. An Neuwahlen kann Barak nicht interessiert sein. Er hätte sie längst mit dem Rückzug der Arbeitspartei aus der Regierung erreichen können. Sowohl seine persönlichen Umfragewerte wie auch die der Partei sind sehr schlecht. Ein Verbleiben in der Koalition wäre also nicht völlig unwahrscheinlich.

Die Shas-Partei – bei der wahrscheinlich der Schlüssel für eine Fortsetzung der Koalitionsregierung liegt - legt Wert darauf, dass zusätzliche Sozialleistungen vor allem für Kinder bewilligt werden.

Wichtiger noch ist aber für Shas, dass in den Gesprächen mit den Palästinensern nicht über Jerusalem verhandelt wird. Livni will aber offenbar die Verhandlungen weiterführen, die allerdings – zumindest nach dem, was man angesichts der geheim geführten Verhandlungen sagen kann - bis jetzt keine Ergebnisse gebracht haben. Niemand geht hier davon aus, dass das ursprüngliche Ziel, bis Ende des Jahres eine Vereinbarung zu erzielen, auch nur annähernd erreicht werden kann. Livni könnte deshalb die Jerusalem-Frage zunächst zurückstellen – auch wenn klar ist, dass nur mit einer Lösung auch für Jerusalem Verhandlungsergebnisse zu erzielen sind.

Schließlich – auch das darf nicht unterschätz werden – spielen persönliche Erwägungen eine Rolle: Derzeitiger Parteiführer Eli Ishay fürchtet die Rückkehr seines Rivalen Arie Dery, welcher derzeit noch aufgrund einer Verurteilung wegen Korruption für politisches Engagement offiziell gesperrt ist. Er bemüht sich jedoch bei Präsident Peres um eine Abkürzung der Sperrfrist. Sollte diese schon bald ablaufen, könnte er für die Bürgermeisterwahlen in Jerusalem im November kandidieren und wäre für Ishay ungefährlich. Läuft die Sperrfirst jedoch erst regulär ab, d.h. im nächsten Sommer, könnte Ishay Interesse an vorgezogenen Neuwahlen noch vor Sommer 2009 haben, um die Parteiführung für sich zu sichern.

Bisher hat sich auch die linke Partei Meretz als Koalitionspartner angeboten. Eine Koalition mit dem Likud ist theoretisch möglich, allerdings eher unwahrscheinlich, da dies eine Neuorientierung in den Verhandlungen mit den Palästinensern bedeuten würde. Außerdem ist der Likud stark an vorgezogenen Neuwahlen interessiert. Nach den Umfragen der letzten Monate hätte der Likud unter dem populären Benjamin Netanjahu gute Chancen, die nächste Regierung zu stellen.

Zukünftige Herausforderungen

Insgesamt ist das Ergebnis der Wahl in Israel nicht übermäßig enthusiastisch begleitet worden. Unter Beobachtern herrscht eine abwartende Haltung vor: Livni muss für viele erst noch zeigen, ob sie in der Lage ist, das Land in schwierigen Zeiten zu führen.

Im rechten Lager in Israel befürchtet man, dass Livni mit ihrem fehlenden militärischen Hintergrund nicht genug Erfahrungen mitbringt, sich der iranischen Bedrohung – die allgemein als derzeit größtes Problem Israels gesehen wird - adäquat zu stellen.

Die Aufgaben, vor denen Livni steht, um überhaupt erst regieren zu können, sind groß und komplex. Erfolg ist keineswegs garantiert. Erst wenn sie diese Aufgaben meistert, kann sie sich den anstehenden politischen Entscheidungen widmen. Vorgezogene Neuwahlen sind keineswegs ausgeschlossen.

Wie sie politisch agieren würde als Regierungschefin ist noch weitgehend offen – auch wenn hohe Erwartungen von verschiedenen Seiten an sie herangetragen werden. Dazu gehört etwa die von Syrien geäußerte Erwartung, dass Livni zu einem Friedensschluss mit Syrien in der Lage wäre.

Auch in Bezug auf die Verhandlungen mit den Palästinensern gibt es hohe Erwartungen. Livni hat bisher das israelische Verhandlungsteam angeführt. Ergebnisse der geheim geführten Verhandlungen sind bisher nicht bekannt. Livni hat nicht immer den Kurs Olmerts unterstützt, manche Zugeständnisse gingen ihr zu weit. Dennoch wird sie sich bemühen, die Verhandlungen weiterzuführen.

Für den Erfolg ist sie jedoch an Realitäten gebunden, welche sie auch im besten Fall nicht wird ändern können. Dazu gehört die Spaltung der palästinensischen Gesellschaft. Keine leichten Aufgaben für Livni. Immerhin kennt sie die palästinensische Führung aus den bisherigen Verhandlungen gut. Die harten Realitäten kann allerdings auch sie nicht ändern. Der eigentliche „Realitäts-Check“ für die mit hohen Erwartungen konfrontierte Tzipi Livni steht also noch aus. Zu hoffen bleibt, dass sie nicht das Schicksal von Ehud Barak erleidet, der im Mai 1999 mit großen Hoffnungen auf eine endgültige Einigung mit den Palästinensern gewählt wurde, aber nur ein Jahr später daran scheiterte.

(Redaktion des Textes: Oliver Ernst, Länderreferent Israel)

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