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Reportajes internacionales

Weichenstellung für die Zukunft Guatemalas

de Hans-Jürgen Weiss
Der Aufruf zu allgemeinen Wahlen, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Zentralamerika sowie das Treffen der Konsultivgruppe Guatemala in der Woche vom 12.-16. Mai 2003 in Guatemala-Stadt waren für das Land wegen ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von entscheidender Bedeutung

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Das Oberste Wahlgericht - Tribunal Supremo Electoral - TSE - hat am 15. Mai 2003 die Entscheidung getroffen, am 9. November 2003 den ersten Wahlgang und, falls notwendig, wenn keiner der Kandidaten 50 % plus 1 der abgegebenen Stimmen erreicht, am 28.12.2003 den zweiten durchführen zu lassen. Zur Wahl stehen der Präsident und Vize-Präsident der Republik, 158 Kongressabgeordnete, davon 127 über Wahlkreise und 31 über eine nationale Liste, und 331 kommunale Körperschaften. Der Präsident und Vize-Präsident werden für 4 Jahre gewählt, der Amtsantritt erfolgt am 14. 01.2004.

Damit kann nun offiziell der Wahlkampf mit der Kandidateneinschreibung auf allen Ebenen und der Einsatz von Wahlwerbemitteln und –instrumentarien beginnen. Es ist den Staatsbediensteten nunmehr ab 16. Mai 2003 untersagt, Werbung mit Erfolgen und Aktivitäten des Präsidenten, von Bürgermeistern und anderen Amtsträgern zu machen. Es ist auch verboten, an Denkmälern, Wänden, Verkehrsschildern, Brücken usw. Wahlwerbung anzubringen, es sei denn, es handelt sich um Privateigentum und es liegt die Zustimmung des Eigentümers vor. Gleichermaßen ist der Einsatz staatlicher Gelder zur Wahlwerbung nicht gestattet.

Inzwischen sind 18 Parteien eingeschrieben und eine Reihe von politischen Gruppierungen sind im Einschreibungsprozess begriffen. Die Comités Cívicos, Bürgerinitiativen vergleichbar, können nun mit ihrem Einschreibungsverfahren beginnen, ihre Aktivitäten und Wahlmöglichkeiten bleiben allerdings auf die kommunale Ebene beschränkt.

Ursprünglich war vorgesehen, auch die Abgeordneten Guatemalas zum Zentralamerikanischen Parlament - PARLACEN - wählen zu lassen. Aufgrund der Tatsache, dass diese erst 2006 ihr Amt antreten könnten, hat man davon abgesehen, ausgehend davon, dass die Wahlperiode des PARLACEN nicht mit der Guatemalas übereinstimmt und das für das PARLACEN gültige Wahlstatut anders strukturiert ist. Dies hat zur Folge, dass der Wahlaufruf in Guatemala dann 6 Monate vor dem Wahltag zum PARLACEN stattfinden wird.

Im Vorfeld hatte das Oberste Wahlgericht einige Schwierigkeiten zu überwinden. Im März des vergangenen Jahres wurden aus einer Liste von 30 Kandidaten seine 5 ordentlichen und die 5 Ersatzmitglieder vom Kongress bestellt. Eines der ordentlichen Mitglieder akzeptierte seine Wahl nicht und wurde somit auch nicht vereidigt. Seit mehr als einem Jahr war dieses Amt unbesetzt, das Ersatzmitglied nahm es allerdings zeitweise wahr. Der Kongress war in dieser Zeit nicht um die Wahl des 5. ordentlichen Mitglieds bemüht. Der Artikel 196 des Wahl- und Parteiengesetzes sieht vor, dass das Wahlgericht den Aufruf zu allgemeinen Wahlen mindestens 120 Tage vor dem Wahltag vornehmen muss. Da der Kongress nicht entschied, stellte sich die Frage, ob das Ersatzmitglied automatisch ordentliches Mitglied sei und dann das Ersatzmitglied nachbestellt werden müsse. Die Entscheidung, ob das Wahlgericht aufrufen darf, wurde vom Verfassungsgericht positiv entschieden. Hier ist anzumerken, dass rechtlich gesehen das neue ordentliche Mitglied vom Kongress aus der Liste der 30 vom vergangenen Jahr mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden muss, was für den Amtsträger wichtig ist, da dadurch die unterschiedlichen Fraktionen sich auf eine Person einigen müssen. Für die Glaubwürdigkeit des Wahlgerichts wäre es wichtig, so bald als möglich, selbst noch in der verbleibenden Zeit des jetzigen Kongresses, die Nachwahl vorzunehmen.

In der Zeit vom 13. und 14. Mai 2003 fanden die Verhandlungen im Rahmen der Konsultativgruppe Guatemala in der Banco de Guatemala statt. Die Konsultativgruppe setzt sich aus Vertretern der Bundesrepublik Deutschland, Japans, Kanadas, der Niederlande, Norwegens, Schwedens, Spaniens und der Vereinigten Staaten zusammen, die alle bei der Umsetzung der Friedensvereinbarungen von 1996 zusammenarbeiten. Die Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank, zusammen mit der Regierung Guatemalas, sowie die politischen Parteien und die Institutionen der Zivilgesellschaft sind weitere Mitglieder. Die erste Sitzung der Konsultativgruppe Guatemala fand im September 1997, neun Monate nach der Unterzeichnung der Friedensvereinbarungen statt.

Dem aktuellen Sitzungstermin war am 12. Mai 2003 ein einleitendes Treffen der Institutionen der Zivilgesellschaft vorgeschaltet, mit der Ausarbeitung von 30 Empfehlungen zur Umsetzung der Friedensvereinbarungen, die von der internationalen Gebergemeinschaft schon im Vorfeld als unzufriedenstellend beurteilt worden war:

  • Durchführung einer Agrarreform und Entwicklungspolitik zum Abbau der Armut
  • Lösungen für die Probleme Hunger und Konflikte im Agrar- und Arbeitssektor
  • Überprüfung der aus den Friedensvereinbarungen hervorgegangenen Gesetze, um den ländlichen und indigenen Körperschaften sowie den Frauen grössere Mitwirkungsmöglichkeiten zu eröffnen
  • Vorrangigkeit der Wiederansiedlung von Entwurzelten und Vertriebenen des bewaffneten Konflikts
  • Garantie für die Entschädigung der Opfer des Konflikts
  • Verstärkte politische, gesetzliche und finanzielle Rückendeckung für die Kommission zur Erforschung illegaler Gruppen
  • Auflösung des Generalstabs des Präsidenten
  • Transparenz und Reduzierung der Ausgaben für die Streitkräfte
  • Erlass von Gesetzen zur Reform der öffentlichen Sicherheit
  • Verpflichtung für das Oberste Ordentliche Gericht (Corte Suprema de Justicia), den Fall Myrna Mack ( politischer Mord vor 13 Jahren) aufzuklären
  • Umfassende Beachtung der gewerkschaftlichen Freiheit
  • Aussetzung der Regierungsdekrete, durch die die Privatisierung des Gesundheits- und staatlichen Erziehungswesens beschlossen worden war
  • Verstärkte Beachtung der Arbeitsgesetzgebung
  • Einleitung einer Politik der beruflichen Ausbildung
  • Gesetzliche Anerkennung des Maya-Rechtes
  • Einberufung einer Konferenz zum Thema Maya-Völker
  • Einrichtung einer Beratungsstelle für Mayas
  • Rechtliche und wirtschaftliche Anerkennung der heiligen Stätten der Mayas
  • Aufforderung an die Regierung, sich um gesetzliche Reformen im Zusammenhang mit den Maya-Völkern zu bemühen
  • Ausweitung der Haushalte für Gesundheit, Erziehung und Entwicklung, vor allem in Bezug auf die indigene Bevölkerung, Frauen und verarmte Bevölkerungsgruppen
  • Neudefinition der Prioritäten zur Erreichung der Ziele der Friedensvereinbarungen
  • Verstärkung der Frauenpolitik
  • Erstellung von Berichten zu erreichten Fortschritten in der Partizipation von Frauen
  • Verstärkte Beachtung von Gesetzesinitiativen, die von Frauen eingebracht werden, wie z. B. im Fall sexueller Nötigung
  • Abstandnahme von der Forderung des Erlasses zu den Entwicklungsräten, dass mitwirkende Frauenvereinigungen eine Rechtspersönlichkeit vorweisen müssen
  • Entpolitisierung der Gesetze
  • Ausarbeitung von Empfehlungen zur Arbeit der Entwicklungsräte
  • Nachhaltigkeit in der Überwachung der Durchführung getroffener Vereinbarungen
Der 13. und 14. Mai 2003 waren begleitet von heftigen Demonstrationen seitens der Gewerkschaften, der indigenen Bevölkerung, von Landarbeitern/Bauern und Opfern des bewaffneten Konflikts vor dem Tagungsgebäude der Konsultativgruppe, mit dem Argument, die Regierung würde der Konsultivgruppe eine Show liefern. Die Weigerung der Konsultivgruppe, Journalisten zu den Verhandlungen zuzulassen, verstärkte die Proteste noch mehr.

Miguel Martínez, der Delegationsleiter der Interamerikanischen Entwicklungsbank, vertrat repräsentativ für die Mitglieder der internationalen Gebergemeinschaft und der Institutionen der Zivilgesellschaft die Meinung, dass die Abbremsung des Friedensprozesses, der Abbau der Achtung der Menschenrechte und der Mangel an öffentlicher Sicherheit, wie auch die geringen Fortschritte im Bereich der Gesetzgebung, erhebliche Defizite in der staatlichen Politik Guatemalas darstellen. Er kritisierte als Verteter der Interamerikanischen Entwicklungsbank die zu geringen Anstrengungen beim Abbau der Armut und forderte eine höhere Steuerquote, mit der Maßgabe, die nationale Einheit und die Mitarbeit aller gesellschaftlichen Sektoren zu suchen, um den Wandlungsprozess zu beschleunigen.

Die Dialoggruppe (Grupo de Diálogo), die sich aus den Botschaftern der Bundesrepublik Deutschland, Japans, Kanadas, der Niederlande, Norwegens, Schwedens, Spaniens und der Vereinigten Staaten, der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank sowie von MINUGUA (Mission der Vereinten Nationen zur Verifizierung der Einhaltung der Menschenrechte) zusammensetzt, hob hervor, dass die Haushalte einiger Schlüsselministerien unzureichend sind, das Rechtssystem nicht funktional ist, der private Sektor Widerstand übt gegen jede Steueranhebung, die der Staat benötigt, um mehr leisten zu können, und weiterhin zu wenig gegen die Korruption unternommen wird.

Es wurden aber auch Fortschritte anerkannt, wie z. B. die Verabschiedung der Dezentralisierungsgesetze und die teilweise erfolgte Auflösung des Generalstabs des Präsidenten. Der deutsche Botschafter hob insbesondere hervor, dass die im Friedensabkommen niedergelegte Vereinbarung über die Identität und Rechte der indigenen Bevölkerung in die Praxis umgesetzt werden muss und sein niederländischer Kollege äusserte sich besorgt über die Zunahme der Menschenrechtsverletzungen. Der Leiter der MINUGUA, Tom Königs, führte aus, dass in den vergangenen 15 Monaten seit Washington die allgemeine Situation des Landes kritischer geworden ist.

Staatspräsident Portillo stellte seinerseits vor allem die Erfolge seiner Regierung vor und warb darum, dass man die fruchtbare Entwicklung seit Februar 2002 Washington doch anerkennen möge. Er forderte die Konsultativgruppe zu einer freien, objektiven und konstruktiven Beurteilung des im Friedensprozess Erreichten auf, nämlich die erfolgten Strukturveränderungen, Steuerdisziplin, Abwesenheit politisch motivierter Straftaten, Pressefreiheit, Reform der Steuer- und Arbeitsgesetzgebung, makroökonomische Stabilität und moderne Finanzgesetzgebung, sowie die Verabschiedung revolutionärer Gesetze in den Bereichen Dezentralisierung, Entwicklungsräte und Kommunalverwaltung.

Er verwies darauf, dass noch viel zu tun bleibe, z. B. im Agrarsektor, in Teilen der Steuer-, Finanz-, Arbeits- und Erziehungsgesetzgebung, insbesondere auch in den Sektoren Verteidigung, Entwicklung des ländlichen Raumes, im Kampf gegen die Armut und auf anderen Feldern. Dazu sei es nach seiner Meinung wichtig, die Verfassung zu ändern, die derzeit in vielen Bestimmungen wie eine Zwangsjacke wirke. Trotz allem sei der Frieden immer noch eine Utopie, die uns, so Portillo, in unserem Bestreben, Lösungen zu finden, fortschreiten lasse. Zwei Tage nach Beendigung der Verhandlungen trat Portillo an die Öffentlichkeit mit der Ankündigung, noch in seiner verbleibenden Amtszeit eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Die Opposition im Kongress sieht dies als eine Zerstreuungstaktik, die Regierungsfraktion als eine gute Idee an.

Was steht nun am Ende der Verhandlungen? Die internationale Gemeinschaft fordert:

  • dass alle gesellschaftlichen Sektoren, einschließlich der politischen Parteien, in einen Nationalen Dialog mit dem Ziel der Konsensfindung eintreten
  • dass die Situation der Menschenrechte verbessert, öffentliche Sicherheit gewährleistet, der Kampf gegen die Straflosigkeit und die Anwendung des Rechts auf Rechtsvergehen in der Vergangenheit stattfinden muss
  • dass eine adäquatere Steuerpolitik begonnen, die Ausgabenpolitik des Staates verbessert und in den Kampf gegen die Korruption verstärkt eingetreten werden muss
  • dass die Einrichtung einer Antikorruptionskommission, in der die Repräsentanten der Gesellschaft mitvertreten sind und eine weitere zur Feststellung von im Untergrund tätigen Apparaten und Strukturen vorgenommen wird
  • dass seitens der Legislative, Exekutive und Judikative die Anwendung der Gesetze in transparenter Weise stattfinden soll
  • dass eine Eindämmung der Ausgaben für die Streitkräfte erfolgen muss
  • dass die Anhebung der Steuerquote von derzeit 10,7 % auf 12 % vorzusehen ist
  • dass baldmöglich die beabsichtigten Gesetze des Zugangs zu Informationen, zum Kataster, zur Reform des Strafvollzugs und zur endgültigen Auflösung des Generalstabs des Präsidenten verabschiedet werden sollen
  • dass bei der Ausarbeitung des Staatshaushaltes 2004 Mehrausgaben für Erziehung und Bildung, Gesundheit, Landvergabe und ländliche Entwicklung eingestellt werden
und

  • dass eine weitere Sitzung der Konsultativgruppe im ersten Halbjahr 2004 mit weitgehender Beteiligung der Zivilgesellschaft und der indigenen Bevölkerung einzuberufen ist.
Ist nun der Nationale Dialog überhaupt möglich?

Derzeit gibt es in Guatemala weder das Projekt noch die Vision einer Nation. Anders gesagt, man weiss nicht, wohin der Zug gehen soll. Die internationale Gebergemeinschaft fordert, dass die Guatemalteken sich an einen Tisch setzen, um über ihre Zukunft zu sprechen, denn davon macht sie ihre weitere Finanzhilfe abhängig. Es ist verständlich, dass die Geberländer für die Umsetzung der Friedensvereinbarungen müde geworden sind, zuzusehen, dass nur begrenzte Schritte im Land unternommen werden im Sinne der Erreichung der Ziele der nationalen Aufgabe: Friedenschaffung und Friedenerhaltung. Die Konsultativgruppe verlangt den Nationalen Dialog, möglichst noch vor den Novemberwahlen, vor allem unter Teilnahme auch der politischen Parteien und deren Kandidaten.

Doch der PAN -Partido de Avanzada Nacional- und die Gran Alianza Nacional - GANA (bestehend aus Movimiento Renovador, Partido Patriota und Partido Solidardad Nacional), beide eher unternehmerorientiert, weisen jede Art von Nationalem Dialog vor den Wahlen zurück, da dieser, ihrer Auffassung nach, nur der Regierungspartei FRG nützlich wäre. Diese Position der Intoleranz und Kurzsichtigkeit zeigt die Tragödie des Landes auf, wo Gruppen ihre Eigeninteressen vor die Gesamtinteressen des Landes stellen. Die Konsultativgruppe verwies auf die teilweise Schuldhaftigkeit der Regierung Portillo bei der Umsetzung der Friedensvereinbarungen, stellte aber auch klar, dass die im Kongress vertretenen Parteien wiederholt die Verabschiedung von Gesetzen zur Verstärkung der Friedensbemühungen verhindert hätten. Auch der organisierte Unternehmenssektor sei verantwortlich, lehnte er doch bisher jede Steuererhöhung ab. Mit einem Steueraufkommen von 10,7 % im Verhältnis zum BIP liege Guatemala in Lateinamerika gerade noch vor Haiti an zweitletzter Stelle. Sieben Jahre nach dem Abschluss der Friedensvereinbarungen sei Guatemala nicht in der Lage, auf 12 % zu erhöhen, so dass der Mangel an sozialer Solidarität der herrschenden Schicht nicht erlaube, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Wird man nun angesichts der Forderungen der Konsultativgruppe eine andere Haltung einnehmen? Ein Blick in die Geschichte gibt die Antwort: Nein. Die in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit unternommenen Versuche wurden zerrieben zwischen der laschen Vorgehensweise der jeweiligen Regierungen und dem Boykott der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen. Es ist nur zu hoffen, dass es bei dem Druck der internationalen Gebergemeinschaft und ihrer Zusage, der Garant für den Dialog sein zu wollen, bestehen bleibt.

Die 4. Verhandlungsrunde (von 9 insgesamt geplanten) über das Freihandelsabkommen führte in der Woche vom 12.-16. Mai 2003 die Repräsentanten der Regierungen Zentralamerikas und der Vereinigten Staaten zusammen. Die Unternehmer nahmen nicht daran teil, sie wurden aber über deren Ergebnisse informiert und konsultiert. Die Texte zu den Ergebnissen wurden allerdings streng vertraulich behandelt. Inmitten einer Athmosphäre des möglichen Ausscheidens Guatemalas aus dem Freihandelsabkommen aufgrund der seitens der USA verfügten Aufnahme des Landes in die schwarze Liste der nicht kooperationswilligen Länder im Bereich des Drogenhandels und der Korruption, begann diese Verhandlungsrunde. Das Freihandelsabkommen ist von entscheidender Bedeutung: nach seiner Unterzeichnung und Ratifizierung wird es die Wirtschaftsstrukturen der zentralamerikanischen Länder verändern, da dadurch der Zugang zum grössten Markt der Welt ausgeweitet werden wird.

Es war vor allem das Thema der Agrar- und Textilprodukte, das auf dem Verhandlungstisch lag, in der Erwartung von Zugeständnissen seitens der USA für deren Zugang auf den nordamerikanischen Markt. Salomon Cohen, Leiter der guatemaltekischen Verhandlungsdelegation kündigte an, agressive Vorschläge einbringen zu wollen und bestätigte, dass eine hohe Zahl an Produkten von den zentralamerikanischen Lädern den USA zur Zollentlastung und gänzlichen Zollbefreiung vorgeschlagen würden. Dafür sollte über die Zollbefreiung für Dutzende nordamerikanischer Produkte auf dem zentralamerikanischen Markt verhandelt werden. Guatemala strebt dabei einen vollen Marktzugang im Bereich der Textilprodukte an. Neben den Agrar- und Textilerzeugnissen waren Themen wie Investition und Dienstleistungen, Patentnutzung, Angelegenheiten des Arbeits- und Umweltbereichs, staatliche Ausschreibungen sowie bilaterale und multilaterale Verhandlungen zentrale Gegenstände der Gespräche.

Die Frage des Zugangs zum nordamerikanischen Markt sprengte die Geschlossenheit der zentralamerikanischen Länder und führte zu dem Schluss, dass bilaterale Verhandlungen, je nach Fall, bessere Ergebnisse mit sich bringen könnten. Es scheint, als ob man sich in Guatemala von den erreichten Ergebnissen in der Vorbereitungsrunde in Tegucigalpa/Honduras entfernt hätte, nachdem man dort 50 % der zu regelnden Verhandlungsgegenstände, was den Marktzugang anbetrifft, anpackte und jetzt in Guatemala die Verhandlungen eher einen bilateralen Charakter annahmen, weil jedes Land seine Prioritäten und seine spezifische Situation in den Vordergrund stellte.

Die Verhandlungen gingen zu Ende, mit gebremstem Optimismus seitens der Verhandelnden und mit eingeschränkter Zustimmung seitens der Unternehmer der Region. Wie gesagt, das Thema der Agrar- und Textilgüter wurde von allen Seiten mit Spannung verfolgt und man erwartete angeregt die Vorschläge der USA. Nachdem man erfahren musste, dass in beiden Sektoren ein hoher Prozentsatz der in Zentralamerika produzierten Güter keinen präferenziellen Zugang zum US-Markt finden würde, begannen die unterschiedlichen Kammern sowie Industrie- und Agrarvereinigungen Guatemalas die Nützlichkeit der agressiven Vorschläge in Frage zu stellen, die seitens Guatemalas darin bestanden hatten, ca. 93 % der US-Produkte frei zu stellen, was enormes Aufsehen erregte. Deshalb vor allem, weil man in Tegucigalpa noch von 50 % sprach und mit dem Vorpreschen Guatemalas die einheitliche Verhandlungstaktik der Zentralamerikaner durchbrochen wurde. Am 21. Mai 2003 ist in der Zeitung El Nuevo Diario Nikaraguas zu lesen, dass man dort unter Umständen erwägt, aus dem Freihandelsabkommen auszuscheiden, weil die USA sich als zu inflexibel erweisen und einige Länder der Region sich als zu USA-hörig gezeigt hätten.

Dies führte auch dazu, dass die nordamerikanische Delegationsleiterin Regina Vargo zum Abschluss der Runde die Meinung vertrat, dass man erst am Anfang stehe und sich noch vieles verändern werde, die Einigkeit Zentralamerikas aber für die Zukunft eine Voraussetzung sei.

Was die innenpolitische Situation Guatemalas angeht, so haben die politischen Parteien im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen und im Rahmen der Konsultativgruppe durch Abwesenheit geglänzt. In einem Wahljahr hätte man erwarten können, dass sie sich engagiert bei den Foren beider Verhandlungen zeigten. Der Grund für diese Absenz der Parteien ist wohl darin zu suchen, dass sie und ihre Kandidaten, soweit bereits bestimmt, nicht ihr Gesicht zeigen und ohne Not sich nicht verpflichten lassen wollten. Sie hätten aber wissen müssen, dass etwa die Hälfte der Bürger mit Stimmrecht, vor allem in der Hauptstadt und in den grösseren Städten des Landes wissen will, wie sie zu den bedeutsamen behandelten Themen stehen und was sie im Falle einer Regierungsübernahme dafür tun wollen. Oder war man der Meinung, dass die andere Hälfte, im ländlichen Raum lebend, kaum Zugang zur Presse hat, nicht weil die Presse nicht zu ihnen in die Dörfer und Ansiedlungen käme, sondern weil sie entweder kein Geld zum Kauf von Zeitungen haben noch in der Lage sind, sie zu lesen. Warum also, so stellt sich die Frage, diese Verweigerung?

Schon lange vor dem Wahlaufruf am 15. Mai 2003 haben die politischen Parteien in unterschiedlicher Form und unerlaubter Weise mit der Wahlwerbung begonnen. Einige zu früh, da sich inzwischen die wahlstrategisch üblichen Kandidatentandems - Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidat - in einigen Fällen wieder verändert haben. Folglich müssen landauf landab die aufgestellten Großplakate wieder abgebaut und durch neue ersetzt werden.

Die PAN ist in ihrer Führung und wohl auch Basis auseinandergebrochen und auf der Suche nach einem neuen Präsidentenkandidaten. Somit hat das allgemein sehr begrüsste Verfahren der parteiinternen Primärwahlen, wie PAN und Unión Democrática -UD- dies praktiziert haben und aus denen Oscar Berger und Rodolfo Paiz als Kandidaten der PAN bzw. der UD hervorgegangen waren, einen schweren Dämpfer erfahren. Berger ist in das Lager einer Großen Nationalen Allianz -GANA-, aus drei Parteien bestehend, übergewechselt und damit die 3 Kandidaten dieser Parteien verdrängt. Alvaro Colom von der Unidad de la Esperanza -UNE-, hat seinen Vizepräsidentschaftskandidaten verloren und sucht einen neuen.

Neben der GANA gibt es zwei weitere Parteienbündnisse. Einmal das Bündnis aus Unión Democrática -UD- und Movimiento Principios y Valores -MPV- (noch nicht als Partei eingetragen). Rodolfo Paiz als Präsidentschaftskandidat, Francisco Bianchi als sein Stellvertreter. Zum anderen die Partei Desarrollo Integral Auténtico -DIA- und die Partido Libertador Progresista -PLP- mit Eduardo Suger/DIA als Kandidat. Eine Annäherung ergibt sich auch in den Reihen der Partido Democracia Cristiana Guatemalteca -PDCG- und der Unión Nacional -UN. Entschieden ist bisher allerdings nichts und Generalsekretär Vinicio Cerezo der PDCG hat erklärt, dass auch noch mit anderen Gruppen gesprochen werde. Die PDCG hält ihren Wahlparteitag am 25. Mai 2003 ab, bei dem der schon im Wahlkampf sich befindende Ricardo Bueso als Präsidentschaftskandidat bestätigt werden wird, sein Vize-Präsidentschaftskandidat wird Estuardo Cuestas sein.

Die Regierungspartei FRG hat mit all dem nichts zu tun. Sie geht allein in die Wahlauseinandersetzung und wird als Partei des Slogans: Ich stehle nicht, ich lüge nicht und ich missbrauche nicht! am 24. Mai 2003 ihren “geborenen“ Kandidaten Efraín Ríos Montt ins Feld führen. Stellvertreter soll der ehemalige Landwirtschaftsminister Edín Barrientos sein. Vorher ist aber noch die Frage der Verfassungsmäßigkeit seiner Einschreibung als Präsidentschaftskandidat zu klären.

Auch die Partido Unionista mit dem Hauptstadtbürgermeister Fritz García-Gallont an der Spitze, will kein Wahlbündnis eingehen. García-Gallont erscheint auf Plakaten und in Veranstaltungen oft gemeinsam mit dem ehemaligen Staatspräsidenten und immer noch politischem Zugpferd Alvaro Arzú, was beider Ziele entspricht. Der derzeitige Hauptstadtbürgermeister will Präsident werden und der ehemalige Präsident will Hauptstadtbürgermeister werden. So nützt einer dem anderen.

Die Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca -URNG-, aus der Guerrilla hervorgegangen, präsentiert nach Abwanderung einiger Führungskader, aufgrund innerparteilicher Meinungsverschiedenheiten, ihre traditionelle Führungspersönlichkeit Rodrigo Asturias im Gespann mit Pablo Ceto. Die Alianza Nueva Nación - ANN - gleichermaßen linksorientiert und vor einigen Tagen Partei geworden weiss nicht recht, ob sie allein gehen oder in ein Bündnis mit der UNE oder mit einer anderen politischen Gruppe eintreten soll. Die Gruppe Transparencia hat sich seit kurzem mit dem Comité Centro de Acción Social y Xeljú - CASA - zusammengetan und am 16. Mai 2003 ihren Wahlkampf eröffnet. CASA steht unter der Führung des Bürgermeisters der zweitgrössten Stadt Guatemalas, Quetzaltenango, Rigoberto Quemé Chay, der sich als Repräsentant der indigenen Bevölkerung darstellt und selbst Maya ist. Die Grünen, Democracia Social Participativa und die Unidad Nacional Auténtica sind, was ihren Weg angeht, drei unschlüssige politische Gruppierungen.

Die Volkszählung von 2001/2002 hat ein für manche Parteien und sich im Einschreibungsprozess befindliche Gruppierungen ein einschneidendes Ergebnis mit sich gebracht insofern, als nunmehr, wegen der festgestellten Zunahme der Gesamtbevölkerung, die benötigte Mindestzahl an Unterschriften für die Einschreibung als Partei ( bisher 4 162 ) seit dem Stichtag 27.02.2003 auf 5 619 angehoben wurde, was bei einzelnen zu Schwierigkeiten führen dürfte. Im Kongress hat dies ebenfalls Auswirkungen, da anstatt 113 nun 158 Abgeordnete gewählt werden müssen.

Etwa ein Dutzend Vorkandidaten für die beiden Staatsämter und unterschiedliche Parteienbündnisse haben ihre Wahlkanonen durchgeladen, mit dem Ziel, die Guatemalteken darauf hinzuweisen, wo sie am 9. November 2003 ihr Kreuz auf dem Wahlzettel vermerken sollen. Das politische Schachspiel hat begonnen und viele Figuren werden sich bis zum Wahltag noch in die eine oder andere Richtung bewegen.

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Prof. Dr. Stefan Jost

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