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Reuters / Lisa Marie David

Reportajes internacionales

Die Philippinen haben gewählt

Ferdinand Marcos Jr. wird der nächste Präsident des südostasiatischen Inselstaates

Am 9. Mai waren rund 67 Millionen Philippinos aufgerufen ihre Stimmen in den Präsidentschafts- und Kongresswahlen abzugeben. Zwar wird das offizielle Ergebnis erst in einigen Wochen verkündet aber die Zahlen sind eindeutig: Ferdinand Marcos, Sohn des ehemaligen gleichnamigen Diktators wird nächster Präsident der Philippinen. Rund 36 Jahre nachdem der Marcos Clan durch einen Volksaufstand aus dem Land vertrieben wurde, wird nun wieder ein Familienmitglied in den Präsidentenpalast einziehen. An seiner Seite wird Sara Duterte-Carpio als Vizepräsidentin regieren, die Tochter des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte, der insbesondere für seinen blutigen Krieg gegen die Drogen bekannt ist. Was ist von dem neuen Präsidenten zu erwarten und wie geht es nun für die Philippinen nach der Wahl weiter?

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Eine Schicksalswahl

Zahlreiche Beobachter bezeichneten diese Wahl im Vorfeld als eine der folgenreichsten, die den Kurs des Landes für Jahrzehnte prägen könnte. Es gehe darum, ob der Nachfolger/die Nachfolgerin von Rodrigo Duterte, der laut Verfassung nach einer sechsjährigen Amtszeit als Präsident ausscheidet, den brutalen Kurs fortsetzt bzw. das Land vielleicht in eine noch autoritärere Richtung steuert. Durch außergerichtliche Tötungen sind im „Krieg gegen die Drogen“ in den vergangenen Jahren tausende Menschen ums Leben gekommen, die Presse- und Medienfreiheit wurde eingeschränkt und Kritiker und Oppositionelle bedroht und verfolgt. Dennoch konnte sich der scheidende Präsident hoher Zustimmungsraten von rund 75 Prozent erfreuen – die zuletzt zwar insbesondere aufgrund des schlechten Pandemiemanagements Dutertes einbrachen aber mit 61 Prozent (Stand Ende 2021) immer noch vergleichsweise hoch waren.

Nach Auszählung von rund 98 Prozent der Stimmen kam Ferdinand Marcos auf ca. 31 Millionen Stimmen und liegt dadurch uneinholbar vor der zweitplatzierten Kandidatin Maria Leonor „Leni“ Robredo mit ca. 14 Millionen Stimmen (Stand 11.05.2022).[i] Zwar wird das Endergebnis der Wahl vom Kongress erst in ein paar Wochen verkündet, aber am Erdrutschsieg von Ferdinand Marcos, der auch „Bongbong“ Marcos oder kurz „BBM“ genannt wird, dürfte das nicht mehr viel ändern. Als Vizepräsidentin wurde Sara Duterte gewählt und sie wird somit voraussichtlich eine mächtige Rolle in der neuen Regierung einnehmen und somit die beiden Dynastien vereinen.

Insgesamt traten bei der Wahl zehn Präsidentschaftskandidaten an, unter ihnen lediglich eine Frau. Nur zwei der Aspiranten – Ferdinand Marcos und Leni Robredo – hatten eine realistische Chance auf das höchste Amt. Mit über 56 Prozent sind es hauptsächlich junge Wähler zwischen 18 und 40 Jahre alt, die diese Wahl prägen - zum Vergleich in Deutschland lag der Anteil von jungen Wählern 2021 bei rund 28 Prozent (18 bis 39 Jahre).[ii] Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten, die in getrennten Wahlen bestimmt werden, wurden tausende von Ämtern auf unterschiedlichen Ebenen gewählt. Das präsidentielle Regierungssystem der Philippinen ist stark US-amerikanisch geprägt allerdings ohne vergleichbar funktionierende „checks and balances“.

 

Gewalt und Proteste

Am Wahltag kam es zu langen Warteschlangen vor den Wahllokalen teilweise aufgrund von fehlerhaften Stimmzählmaschinen und fehlenden Namen auf Stimmzetteln. Die Wahlkommission lehnte aber Forderungen nach einer Verlängerung der Abstimmung ab. Nach der Wahl protestierten zahlreiche Menschenrechtsgruppen und Studierende gegen die zukünftige Marcos-Duterte Regierung aber auch aufgrund der teilweise chaotisch abgelaufenen Wahl.

Der 9. Mai wurde außerdem von gewaltsamen Attacken auf der südlichen Insel Mindanao überschattet bei denen mindestens sechs Menschen ums Leben kamen. Mindanao gilt als Rückzugsgebiet für unterschiedliche aufständische und islamistische Gruppierungen. Bereits in der Vergangenheit war es bei Wahlen auf den Philippinen zu Gewalt und tödlichen Angriffen gekommen, so dass in diesem Jahr mehr als 60.000 Sicherheitskräfte zum Schutz der Wahl im Einsatz waren.

 

Der Sohn des Diktators

Ergebnis der Wahl ist, dass Marcos Jr. am 30. Juni in den Präsidentenpalast Malancaɦang einziehen und seine sechsjährige Amtszeit antreten wird. Für viele Beobachter kommt der Sieg des 64-jährigen Politikers nicht überraschend, hatte er doch in den Umfragen meist deutlich vor seiner schärfsten Kritikerin und Rivalin Leni Robredo gelegen.

Die Marcos Familie arbeitet bereits seit vielen Jahren an ihrem politischen Comeback. Ferdinand Marcos Sr. regierte das Land von 1965 bis 1986 und entwickelte sich in dieser Zeit zu einem brutalen Diktator, der zehntausend Menschen verhaften und tausende von ihnen foltern und töten ließ. Zudem haben er und seine Ehefrau Imelda – die für ihre enorme Sammlung von Luxusschuhen und Kunstwerken bekannt ist – das Land um schätzungsweise zehn Milliarden Dollar betrogen. Vom eigenen Volk vertrieben lebte die Familie im Exil auf Hawaii, wo der Vater 1989 verstarb. Imelda kam mit den Kindern Anfang der 90er Jahre auf die Philippinen zurück, wo die Familie Schritt für Schritt wieder den Weg in die aktive Politik fand.[iii] Zunächst war Ferdinand Marcos Gouverneur in Ilocos Norte (1997) – der Heimatprovinz der Dynastie – danach Abgeordneter im Kongress (2007) sowie Senator (2010). 2016 unterlag er nur knapp seiner Konkurrentin Leni Robredo in der Wahl um die Vizepräsidentschaft.

 

Der Wahlkampf

Die liberale Robredo, die als unabhängige Präsidentschaftskandidatin antrat, gilt als eine der schärfsten Kritikerinnen von Rodrigo Duterte und hatte angekündigt die brutale Politik des scheidenden Präsidenten zu beenden und aufzuarbeiten. Ihre Kampagne konnte in den Wochen vor der Wahl verstärkt an Momentum gewinnen, getragen von der großen Unterstützung junger Freiwilliger im ganzen Land und riesigen festivalartigen Wahlkampfveranstaltungen. Die erfahrene Politikerin hatte während des Wahlkampfes umfassende Regierungspläne präsentiert in deren Mittelpunkt gute Regierungsführung, die Überwindung der Pandemie, das Ende der Gewalt und die Förderung von Menschenrechten standen. Dennoch konnte sie am Ende die Wähler und Wählerinnen nicht überzeugen, was auch mit der schwachen Präsenz Robredos in den sozialen Medien zu tun hatte.

Weitere Präsidentschaftskandidaten wie der ehemalige Box-Superstar Manny Pacquiao und der Bürgermeister von Manila Isko Moreno landeten weit abgeschlagen auf Platz drei und vier. Die Tochter des scheidenden Präsidenten Sara Duterte-Carpio, die das Amt der Bürgermeisterin der Millionenstadt Davao innehat, trat als Vizepräsidentin gemeinsam mit Ferdinand Marcos in einem „Uniteam“ an. Als wichtigste Themen des Wahlkampfes galten die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie, Bekämpfung von Korruption und die zukünftigen Beziehungen zur Volksrepublik China.

 

Die Rolle von sozialen Medien

Wenn man nach Erklärungen sucht, warum nur 36 Jahre nachdem Ende der Marcos Diktatur der Sohn zum Präsidenten gewählt werden konnte, verweisen Experten unter anderem auf die Rolle von sozialen Medien auf den Philippinen. Bis zu zehn Stunden am Tag verbringen die Bewohner des Inselstaates im Internet – mehr als in jedem anderen Land.[iv] Youtube und Facebook sind wichtige Informationsquellen und Desinformation und Falschmeldungen verbreiten sich rasch. Marcos weiß das geschickt für sich zu nutzen und ist sehr präsent in den sozialen Medien, wie Facebook, Youtube und Tiktok auf deren Kanälen er Millionen Follower hat.

Zudem setzte er wie bereits Präsident Rodrigo Duterte auf den Einsatz von Troll-Armeen. Im Januar wurden mehr als 300 Twitter-Accounts mit Bezug zu Marcos Jr. gelöscht und auch Facebook gab an aufgrund von Verstößen gegen die Regeln der Plattform 400 Accounts im Umkreis der Kampagne gelöscht zu haben.[v] Besonders der hohe Anteil an jungen Wählern, die keine Erinnerung an die brutalen Jahre der Diktatur haben, ermöglichte es der Marcos Familie durch eine umfassende jahrelange Social Media Kampagne die Diktatur als „goldenes Zeitalter der Philippinen“ zu verklären und die Menschenrechtsverbrechen herunterzuspielen. Das Versprechen auf eine bessere, stabilere Zukunft fiel in den Philippinen, die durch Armut, große Ungleichheit, Korruption und die Folgen der Covid-Pandemie stark geprägt sind, auf fruchtbaren Boden. Während die Marcos Familie oft als Wohltäter in den sozialen Medien dargestellt wurde, sah sich Robredo zahlreichen Attacken im Internet ausgesetzt und wurde als faul und unfähig bezeichnet.

 

Was ist vom neuen Präsidenten zu erwarten?

Der designierte Präsident hat sich während des Wahlkampfes kaum dazu geäußert, welches Regierungsprogramm er nach der Wahl verfolgen will. In den zahlreichen inszenierten Youtube Videos ging es weniger um inhaltliches sondern um Phrasen und Slogans, wie die viel beschworene „Einheit“.[vi] Interviews und Debatten wich er konsequent aus.

Beobachter vermuten, dass unter der zukünftigen Marcos-Duterte Regierung vieles fortgesetzt wird, was Rodrigo Duterte begonnen hat. Der brutale Krieg gegen die Drogen und die damit einhergehenden schweren Menschenrechtsverletzungen werden voraussichtlich weder beendet noch strafrechtlich verfolgt und aufgearbeitet werden. Die Geschichtsverklärung der Marcos Diktatur 1965-1986 wird vermutlich weiter vorangetrieben werden mit der Rückkehr des Clans in den Präsidentenpalast.

Außenpolitisch stehen die Philippinen mitten im Ringen um Einflusssphären zwischen den USA und China im Indopazifik. Zwar pflegt das Land enge Beziehungen zu den USA als ehemalige Kolonie und traditioneller Verbündeter, aber Präsident Duterte hat insbesondere in den ersten Jahren seiner Regierung einen engeren Schulterschluss mit der Volksrepublik China gesucht und sich teilweise von den USA abgewendet. Das Schiedsurteil von 2016 indem die chinesischen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer zurückgewiesen worden – damals ein enormer außenpolitischer Erfolg der Philippinen - wurde unter Duterte kaum erwähnt, um chinesische Investitionen nicht zu verschrecken. Auch der Marcos-Clan pflegt sehr gute Beziehungen zur Volksrepublik, schließlich gehen die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder auf einen Besuch von Imelda Marcos bei Mao Tse-tung 1974 zurück. Bis heute halten diese guten Beziehungen an was zum Beispiel daran zu erkennen ist, dass China das einzige Konsulat in Laoag der Regionalhauptstadt Ilocos Norte, der Heimatprovinz des Clans, unterhält.[vii] Allerdings hat sich die stärkere Hinwendung zur Volksrepublik kaum bezahlt gemacht, wurden doch viele der versprochenen Gelder nicht gezahlt. Vor dem Hintergrund dieser Enttäuschung dürfte auch die neue Regierung vorsichtig agieren, wenn es um eine bessere Anbindung an Peking geht. Dagegen sprechen auch die traditionell engen Beziehungen des philippinischen Militärs und des Sicherheitsapparates zu den USA.

Wie genau es innen- und außenpolitisch auf den Philippinen nun nach der Wahl unter der Marcos-Duterte Regierung ab Ende Juni weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Klar dürfte aber sein, dass der starke Einfluss einiger weniger mächtiger Familien Dynastien und die große Ungleichheit im Land unter der zukünftigen Regierung weiter traurige Realität in dem Inselstaat bleiben werden.

 

 

[i]       CNN, 11.05.2022, Marcos Jr. asks world not to judge him by his family’s past as he claims victory in Philippines election, Philippines election results: Ferdinand Marcos J.r asks world not to judge him by his family's past - CNN (zuletzt abgerufen am 12.05.2022).

[ii]      Inquirer, 08.02.2022, Comelec: 56% of voting population are aged 18 to 41, Comelec: 56% of voting population are aged 18 to 41 | Inquirer News (zuletzt abgerufen am 11.05.2022).

[iii]     Erste Ambitionen auf politische Ämter der Marcos Familie nach ihrer Rückkehr auf die Philippinen scheiterten. Imelda Marcos verlor 1992 die Präsidentschaftswahlen und Ferdinand Marcos Jr. trat 1995 vergeblich als Senator an. 

[iv]     SZ, 14.3.2022, Ins Amt geklickt, Wie Social Media den Wahlkampf auf den Philippinen beeinflussen - Medien - SZ.de (sueddeutsche.de) (zuletzt abgerufen am 11.05.2022).

[v]      Spiegel online, 03.05.2022, Warum ausgerechnet der Sohn des Diktators Marcos vorne liegt, Wahlen auf den Philippinen: Häuserwahlkampf gegen den Diktatoren-Sohn - DER SPIEGEL (zuletzt abgerufen am 11.05.2022).

[vi]     „Unity“ war das Motte der Marcos-Duterte Kampagne.

[vii]    FAZ, 08.05.2022, China oder USA – wer profitiert von der Philippinen-Wahl?, Wird China zum Gewinner der Wahlen auf den Philippinen? (faz.net) (zuletzt abgerufen am 11.05.2022).

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Daniela Braun

Daniela Braun

Leiterin des Auslandsbüros Philippinen der Konrad-Adenauer-Stiftung

daniela.braun@kas.de +63 2 8539 3840

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