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Reportajes internacionales

Mexiko 45 Tage vor den Wahlen: Der Wind hat sich gedreht – Gute Chancen für Felipe Calderón

de Frank Priess
45 Tage vor den mexikanischen Präsidentschaftswahlen am 2. Juli hat sich der Wind in den Meinungsfragen gedreht. War noch vor wenigen Wochen mit einem klaren Sieg des Kandidaten des linken “Partido de la Revolución Democrática” (PRD), Andrés Manuel López Obrador gerechnet worden, führt jetzt Felipe Calderón Hinojosa, der für die regierende “Partido Acción Nacional” (PAN) ins Rennen geht, die Umfragen an. Abgeschlagen erscheint hingegen Roberto Madrazo (“Partido Revolucionario Institucional” - PRI).

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Gleichlautend geben die unterschiedlichen Meinungsforschungsinstitute in der mexikanischen Hauptstadt dem PAN-Kandidaten momentan einen Vorsprung von drei bis vier Prozent, wobei bei den vorherrschenden Tausender-Befragungen immer mit einer Abweichung von 3,4 Prozent kalkuliert wird. Aktuell liegt Calderón bei der “Sonntagsfrage” bei 39 Prozent, López Obrador bei 36 und Madrazo bei 21 Prozent. Kein Wunder, dass es zu einer erbitterten Auseinandersetzung über die Glaubwürdigkeit der Meinungsforschung und die Unabhängigkeit der entsprechenden Institute in Mexiko gekommen ist.

Gleichwohl ist die Tendenz klar. Die zentrale Frage: Wie konnte es in relativ kurzer Zeit zu einem für Mexiko vergleichbar drastischen Stimmungsumschwung kommen? Die Begründungen dafür sind vielfältig und nachvollziehbar:

  • Zentral scheint, dass dem lange unangefochten führenden Ex-Bürgermeister des Haupstadtdistrikts, López Obrador oder AMLO, wie er abgekürzt genannt wird, die eigene Überheblichkeit zum Verhängnis werden könnte. Er konnte sich in der Gunst öffentlicher Zustimmung lange und zu einem Zeitpunkt sonnen, als die anderen Parteien noch nach ihren Kandidaten suchten und schon gar nicht daran dachten, den frontrunner frontal zu attackieren. Der Versuch, ihn im vergangenen Jahr aufgrund von Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung der Hauptstadt juristisch zu belasten und ihn damit für die Präsidentschaftskandidatur formal zu disqualifizieren, war zudem dramatisch fehlgeschlagen und hatte AMLO gewaltige öffentliche Zustimmung beschert. Zudem führte er in der Hauptstadt eine Grundrente von etwa 700 mexikanischen Pesos (ca. 70 US-Dollar) ein, erweiterte die Stadtautobahn um einen “zweiten Stock” und modernisierte das Bussystem. Dies alles trug ihn mindestens bis in den März 2006.
  • Dann allerdings beging er einige klare strategische Fehler. Der erste bestand darin, den populären Präsidenten Vicente Fox frontal zu attackieren. Der Grund: eine aktive Kampagne des Präsidenten zur Darstellung seiner eigenen Regierungsbilanz, die als klare Unterstützung für den PAN-Kandidaten Felipe Calderón verstanden wurde und wird. “Cállate chachalaca”, schleuderte AMLO dem Präsidenten entgegen, was frei mit “Halt den Mund, du vorlautes Huhn” noch höflich übersetzt ist. Quer durch alle Medien kam diese autoritäre Geste schlecht an. Parallel begann die PAN mit einer durchaus aggressiven TV-Spot-Kampagne, die AMLO angesichts populistischer Anflüge als “Gefahr für Mexiko” darstellte und in die Nähe des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez rückte. Auch wurde ihm eine gewaltige Verschuldung der Hauptstadt zum Vorwurf gemacht, was viele an den katastrophalen Wirtschaftseinbruch unter den PRI-Präsidenten Lopez Portillo und Miguel de la Madrid Anfang der achtziger Jahre erinnerte. Darauf hatte das AMLO-Team keine professionelle Antwort – die Botschaft begann zu wirken, das Klima drehte. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass seine PRD unter den großen Parteien über die schwächste Verankerung aufs ganze Land gesehen und die geringste Stammwählerschaft verfügt.
  • Unmittelbar danach stellten sich die Präsidentschaftskandidaten einem stark formalisierten TV-Duell: Ausnahme AMLO, der seine Teilnahme verweigert hatte. Neben der allgemein akzeptierten Wahrnehmung, dass Felipe Calderón bei dieser Gelegenheit eindeutig die beste Figur abgab, verpasste López Obrador die Chance, Angriffe auf seine Person wirkungsvoll zu kontern, auch wurde seine Abstention als Missachtung des wählenden Bürgers wahrgenommen. Dass sein Team auch in den Nach-Debatten durch Abwesenheit glänzte, verstärkte den negativen Effekt. Gerade bei Wechselwählern und Unentschiedenen – in diesem Lager sehen sich momentan noch rund 15 Prozent der Wähler – folgte ein Schwenk Richtung PAN.
  • Ein nicht zu unterschätzender Faktor liegt wohl auch in der Strategie der PAN, Fox-Wähler aus dem Jahr 2000 erneut an die Partei und ihren Kandidaten zu binden – eine Gruppe, die auch angesichts vieler Misserfolge im Verlauf der sechs Regierungsjahre auf Argumente wartete, erneut ihr Kreuz bei den weiß-blauen Farben der PAN zu machen. Hier half sicher die massive Bilanzkampagne des Präsidenten in allen Medien, dass dies zu gelingen scheint. Nicht zu übersehen ist zudem eine Grundsympathie der beiden großen Fernsehnetzwerke Televisa und TVAzteca für Felipe Calderón, Ausdruck eines politischen deals und einer gerade mit den Stimmen von PAN und PRI verabschiedeten, überaus “Duopol-freundlichen” TV-Gesetzgebung zu ihren Gunsten, wie Kritiker meinen.
Parallel scheint sich auszuwirken, dass nicht zuletzt prominente Persönlichkeiten der jahrzehntelang allein regierenden PRI beginnen, sich vom eigenen, umstrittenen und mittlerweile als chancenlos eingestuften Kandidaten zu distanzieren und nach einer neuen politischen Heimat zu suchen. Davon, so scheint es derzeit, profitiert PAN stärker als PRD. Gerade die “Technokraten” aus dem Umfeld des letzten PRI-Präsidenten, Ernesto Zedillo, tendieren mehr zu Felipe Calderón. Eine Verbündete ist augenscheinlich auch die mächtige Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Elba Esther Gordillo, die dem Präsidenten seine lehrerfreundliche Politik der vergangenen Jahre hoch anrechnet und als frühere Generalsekretärin des PRI mit deren Kandidaten offene Rechnungen zu begleichen hat. Zusätzlich hat die PAN frühere PRI-Politiker durchaus prominent auf ihren Listen abgesichert, was für zusätzlichen Stimmentransfer sorgen soll. Sollte die PRI tatsächlich so katastrophal abschneiden, wie es sich momentan abzeichnet, wird allgemein ein Scherbengericht gegen Roberto Madrazo erwartet, der als einer der so genannten “PRI-Dinosaurier” mit zweifelhaften Mitteln seine Partei in den vergangenen Jahren dominiert und im Umgang mit innerparteilichen Gegnern für schwerste Verwundungen gesorgt hat. Wie die Partei dies übersteht, bleibt abzuwarten.

Parallel zu den Präsidentschaftswahlen, die naturgemäß die größte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, finden in Mexiko auch Kongresswahlen statt, bei denen das 500köpfige Abgeordnetenhaus und der 128 Mitglieder umfassende Senat neu bestimmt werden. Dabei führt das mexikanische Verbot einer Wiederwahl dazu, dass sich beide Kammern vor einem kompletten Austausch ihrer Mitglieder sehen. Prognosen über den Ausgang sind noch schwieriger zu treffen als für die Präsidentschaftswahl – gleichwohl weichen die bisher sichtbaren Kräfteverhältnisse nur begrenzt von den Präsidentschaftsdaten ab: Für das Abgeordnetenhaus kann die PRI sicher eine höhere Prozentzahl erwarten, die PRD eine geringere. Die PAN ihrerseits hofft, bedingt durch starke Regionalpräsenz im Norden und im Zentrum des Landes sowie regionale Koalitionen, vor allem auf ein exzellentes Ergebnis bei der Senatswahl.

Bis zum Wahltag allerdings sind noch einige Steine aus dem Weg zu räumen: die Kampagne von López Obrador hat massiv damit begonnen, mittels Fernsehspots und einer intensiven Basiskampagne das Image ihres Kandidaten zu restaurieren. Auch steht für den 6. Juni das zweite Fernsehduell der Kandidaten bevor, diesmal mit allen Teilnehmern. Anschließend allerdings, wenn am 11. Juni die mexikanische Fußballnationalelf zum ersten Spiel bei der Weltmeisterschaft in Deutschland antritt, dürfte der lange Wahlkampf - seit Mitte Januar immerhin läuft schon die eigentliche Kampagne – zum Erliegen kommen. Bis dahin, so sind sich die Experten einig, dürfte mindestens eine Vorentscheidung gefallen sein.

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