Varade publitseerija

Riikide raportid

Grünes Licht für Prag und Kopenhagen

kohta Dr. Peter R. Weilemann †, Dr. Olaf Wientzek, Joscha Ritz

Der Europäische Rat vom 29. und 30. Oktober 2009

Auf der Agenda des Treffens derStaats- und Regierungschefs derEuropäischen Union vom 29./30.Oktober waren zwei Themen vonbesonderer Bedeutung. Zum einen galtes die letzten Hindernisse auf demWeg der Ratifizierung des Vertragesvon Lissabon aus dem Weg zu räumen.Zum anderen sollte die EU auf demKopenhagener Klimagipfel mit einemMandat auftreten, das ihrenFührungsanspruch in dieser Frageuntermauert.

Varade publitseerija

Auf beiden Feldern schafften die Staats- und Regierungschefs Grundlagen für Erfolg.

Zur Rettung des Lissabon-Vertrages traten die Staats- und Regierungschefs in Vorlage

und machten die Zugeständnisse, die der tschechische Präsident zur Vorbedingung für

seine Unterschrift unter das Ratifikationsgesetz gefordert hatte. Die

Fragen der Umsetzung des Lissabon-Vertrages, insbesondere die damit

verbundenen Personalentscheidungen, konnten angesichts der immer noch ausstehenden Ratifizierung durch die

Tschechische Republik nicht abschließend

behandelt werden. Damit verzögert sich

auch die Einsetzung der neuen Kommission,

die zum 1. November hätte erfolgen sollen.

Ein weiterer Sondergipfel wird nötig sein.

Der Europäische Rat billigte allerdings

Leitlinien für den geplanten Europäischen

Auswärtigen Dienst und nahm

Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung

zur Kenntnis.

Mit Blick auf den Kopenhagener Gipfel zum

Klimaschutz wollte die schwedische

Ratspräsidentschaft ein klares Mandat für

die Europäische Union, das nicht nur die

Verhandlungsziele, sondern auch konkrete

Verpflichtungen zur Finanzierung des

Klimawandels umfassen sollten. Im

letzteren Punkt verständigte man sich auf

Eckdaten der anfallenden Kosten und kam

zu einer Annährung bei den

Bemessungskriterien der Lastenverteilung.

Das weitere Vorgehen wurde in „Leitlinien“

zur internationalen Finanzierung des

Klimaschutzes detailliert festgeschrieben.

Langfristig bedeutsam sind die

Richtungsvorgaben für die von den

Außenministern kürzlich verabschiedete

Ostseestrategie. Sie bleibt zwar hinter den

ursprünglich gesetzten Zielen zurück, ist

aber als Einstieg in ein neues politisches

Konzept der „makro-regionalen

Kooperation“ innerhalb der EU zu sehen.

Weitere Themen waren Zwischenbilanzen

über erreichte und erforderliche Schritte zur

Bewältigung der Wirtschafts- und

Finanzkrise und zum weiteren Vorgehen

der EU gegen illegale Migration. Neue

Beschlüsse wurden hier nicht gefasst. In

einer separaten Erklärung bekräftigten die

Staats- und Regierungschefs noch einmal,

dass sie nach wie vor für eine diplomatische

Lösung in der Iranfrage eintreten.

1. Zukunft des Vertrages von Lissabon

a) Ratifizierungsprozess

Mit dem positiven Ausgang des irischen

Referendums ist das Inkrafttreten des

Vertrages von Lissabon in greifbare Nähe

gerückt. Entsprechend wurden die

Vorbereitungen auf die Umsetzung des

Vertrages in den letzten Wochen

intensiviert. Mit Blick auf die noch ausstehende Unterschrift des tschechischen

Präsidenten musste es allerdings bei diesem

Gipfel erst einmal darum gehen die

tschechischen Bedenken auszuräumen.

Einmal mehr akzeptierten die Staats- und

Regierungschefs Ausnahmeregelungen.

Neben Polen und Großbritannien findet nun

auch in der Tschechischen Republik die

Charta der Grundrechte der EU keine

Anwendung. Das entsprechenden Protokoll

Nr. 30 soll im Rahmen des nächsten

Beitrittsvertrages rechtsverbindlich dem

Lissabon-Vertrag beigefügt werden. Darüber

hinaus bestätigten die Staats- und

Regierungschef in den Schlussfolgerungen

noch einmal explizit die bekannten

Rechtspositionen, dass alle nicht in den

Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei

den Mitgliedstaaten verbleiben und die

Charta ausschließlich bei der Durchführung

des Rechts der Union gilt. Die Problematik

dieser Zusagen liegt weniger im

Inhaltlichen. Zum einen galt es zu

verhindern, dass andere Staaten nicht zu

Trittbrettfahrern der tschechischen

Forderung wurden; die Slowakei hatte dies

öffentlich erwogen; die ungarische

Regierung war versucht es zu tun. Zum

anderen musste diese Zusage bona fide, wie

der Kommissionspräsident es formulierte,

gegeben werden, ohne die Garantie zu

haben, dass der tschechische Präsident nun

auch unterzeichnet.

Einen präzisen Zeitplan wie es nun

weitergeht, kann es noch nicht geben. Das

Brünner Verfassungsgericht wird frühesten

am 3. November entscheiden. Sollte

Präsident Klaus dann zügig unterschrieben,

könnte der Vertrag am 1. Dezember in Kraft

treten. So die optimistische Variante.

Die Hängepartie des

Ratifizierungsverfahrens hat auch zur

Konsequenz, dass die scheidende

Kommission über den 31. Oktober, dem

vertraglich vorgesehen Ende ihre Amtszeit,

hinaus die Geschäfte führen muss. Zwar

haben die meisten Mitgliedsstaaten die

Namen ihrer Kandidaten für neue

Kommission dem Präsidenten übermittelt.

Doch wird das eigentliche Verfahren erst

beginnen, wenn Klarheit über die Größe der

künftigen Kommission – der Nizza-Vertrag

sieht nur 26 Mitglieder vor – und die

Besetzung der Spitzenämter besteht. Unter

Lissabon wird mit dem Hohen

Repräsentanten zugleich ein Vizepräsident

der Kommission besetzt, er wird also auf die

Verteilung nach Ländern angerechnet. Der

Parlamentspräsident hat zugesichert, dass

das Parlament ab dem 25. November mit

den Anhörungen der Kandidaten für die

neue Kommission beginnen könne.

Vor diesem Hintergrund konnten natürlich

die in der Öffentlichkeit am stärksten

diskutierten Personalfragen einer Klärung

nicht näher gebracht werden. Die Liste der

in den Gängen kolportierten Kandidaten für

das Amt des Präsidenten des Europäischen

Rates – sie reicht von Tony Blair und Jean-

Claude Juncker über Peter Balkenende,

Herman van Rompuy bis zu Mary Robinson

und Felipe Gonzales – ist nicht kürzer

geworden. Gleiches trifft auch zu für den

künftigen Hohen Repräsentanten und

Vizepräsidenten der Kommission; hier

werden Namen wie David Miliband, Bernard

Kouchner, Olli Rehn, Carl Bildt, Michel

Barnier u.a. gehandelt. Die Spekulationen

dürfen vorerst also weiter ins Kraut

schießen. Eindeutig sind nur die Kriterien,

die neben der fachlichen Eignung zählen:

Größe des Herkunftslands und regionale

Ausgewogenheit, politische Heimat und

Geschlecht.

b) Umsetzungsfragen

Im Vorgriff auf einen raschen Abschluss des

Ratifizierungsverfahren billigten die Staatsund

Regierungschefs einen Bericht der

Ratspräsidentschaft über die Grundzüge des

neu zu schaffenden Europäischen

Auswärtigen Dienstes und nahmen ein eher

technisch anmutendes aber doch mit

politischer Sprengkraft behaftetes Dossier

zum Stand der Vorbereitungen für einen

reibungslosen Übergang von Nizza nach

Lissabon zur Kenntnis.

Mit der Zustimmung zum Bericht über die

Leitlinien für den künftigen Auswärtigen

Dienstes werden die Konturen einer

Neuerung sichtbar, die das außenpolitische

Handeln der Europäischen Union merkbar

verändern wird. Die Leitlinien befassen sich nicht mit Inhalten sondern machen

Vorgaben über die Verortung des Dienstes

im Gefüge der EU-Institutionen, seine

Zuständigkeitsbereiche und Budgetfragen.

Laut Vertrag obliegt es dem neuen Hohen

Beauftragten die Entscheidungsvorlage für

den Rat zu erarbeiten.

Bemerkenswerterweise ist zuerst das

Europäische Parlament mit seinen

Vorschlägen in die Öffentlichkeit getreten

und hat damit deutlich gemacht, dass es bei

der Ausgestaltung wie bei der künftigen

Arbeit des Dienstes ein Mitspracherecht

haben wird.

Konsens besteht in der derzeitigen Debatte,

dass der Europäische Auswärtige Dienst

eine Einrichtung sui generis sein wird. Die

Präsidentschaft will, dass er getrennt von

Kommission und Ratssekretariat autonom

agieren kann, also weder eine Abteilung des

Generalsekretariates des Rates noch eine

Generaldirektion der Kommission ist. Das

Parlament hat in seiner Entschließung

dagegen verlangt, dass der EAD in

„organisatorischer und haushaltstechnischer

Hinsicht in die Verwaltungsstruktur der

Kommission eingegliedert werden muss“.

Der Auswärtige Dienst wird verantwortlich

sein für die Gemeinsame Außen- und

Sicherheitspolitik bzw. die Europäische

Sicherheits- und Verteidigungspolitik, aber

nicht für alle Bereiche des Außenhandelns

der EU. Handel, Entwicklung und

Erweiterung bleiben in Verantwortung der

derzeit zuständigen Generaldirektionen.

Über die Aufstellung und Verwendung der

Haushaltsmittel für die EU-Programme und

die strategische Planung soll er allerdings

auch in diesen Bereichen involviert sein. Die

genaue Arbeitsteilung zwischen Kommission

und EAD über die Zuständigkeiten für die

Vielzahl der bestehenden geographischen

und thematischen Programme muss noch

geklärt werden. Die Mittel für den

Auswärtigen Dienst – getrennt nach

operativen und administrativen Ausgaben –

werden in einem eigenen Haushaltstitel

veranschlagt, der aber Teil des

Kommissionshaushaltes ist, der vom

Kommissionskollegium vorgeschlagen wird.

Über die Höhe des Etats gibt es noch keine

Aussagen.

Unterstellt ist der Dienst dem Hohen

Beauftragten, der gleichzeitig Vizepräsident

der Kommission ist. Seine Beamten sollen

sowohl den künftigen Präsidenten des

Europäischen Rates wie den Präsident und

Mitglieder der Kommission unterstützen. Sie

kommen zu „mindestens einem Drittel“ –

so die Ratsvorlage - aus den Diensten der

Mitgliedsstaaten und zu gleichen Teilen aus

Ratssekretariat und Kommission. Alle sollen

gleichen beamtenrechtlichen Status haben

und prinzipiell zwischen den drei

Institutionen wechseln können. Ein großer

Aufwuchs des Personals soll vermieden und

die Zahl der neu zu schaffenden Stellen auf

einige für nationale Beamte begrenzt

werden. Das Direktorat für

Krisenmanagement und Planung (CMPD),

der zivile Planungs- und Durchführungsstab

(CPCC) und der Militärstab der EU (EUMS)

werden in den EAD integriert sein. Die

jetzigen Delegationen der Kommission

werden ebenfalls Teil des Dienstes sein und

dem Hohen Beauftragten unterstehen. Die

Vertretungen sollen nicht nur logistische

und administrative Unterstützung leisten,

sondern auch in Konsularfragen und bei

diplomatischem Schutz Hilfe leisten können.

Langfristig soll der Leiter der Delegation die

Rolle und Funktion übernehmen, die derzeit

noch von der rotierenden Präsidentschaft

ausgeübt wird. Auch die EU

Sonderbeauftragten, von denen es

mittlerweile elf gibt, werden in den Dienst

eingegliedert.

Sieht man ab von der überwindbaren

Differenz zwischen Rat und Parlament, das

mit seiner Haltung sicherstellen will, dass

der EAD sich im Geiste der

gemeinschaftlichen Methode entwickelt und

nicht die zwischenstaatliche

Zusammenarbeit stärkt, besteht wohl

Einvernehmen unter den verantwortlichen

Akteuren über die Grundzüge des Dienstes,

auch wenn im Detail noch viele Fragen zu

regeln sind. Wenn der Vertrag rechtzeitig in

Kraft tritt, kann der Dienst gleichwohl im

April seine Tätigkeit aufnehmen. 2012 soll

er dann voll arbeitsfähig sein. Noch ein Mal

zwei Jahre später ist eine erste Überprüfung

angesetzt. Um erfolgreich zu sein, wird es

viel Feingefühl der handelnden Personen

brauchen, damit die bürokratischen Rivalitäten innerhalb der EU-Institutionen

wie zwischen EU und den nationalen

Außenministerien nicht zu Sand im Getriebe

einer zukunftsweisenden Maschinerie

werden.

Außerdem nahm der Europäische Rat ein

Dokument zu den Vorbereitungsarbeiten für

die Umsetzung des Vertrages zur Kenntnis.

Es listet eher stichwortartig die Bereiche

auf, wo dringender Handlungsbedarf

besteht um die Arbeit der Union reibungslos

weiterführen können z.B.: Überleitung von

Mitentscheidungsverfahren auf neuen

Gebieten, Änderungen im

Haushaltsverfahren, Fragen der

Geschäftsordnung des Europäischen Rates.

2. Ein ambitioniertes und flexibles EU-Verhandlungsmandat für Kopenhagen

Die Staats- und Regierungschefs nutzten

den Europäischen Rat, um ein

ambitioniertes und flexibles EUVerhandlungsmandat

für die UNKlimakonferenz

in Kopenhagen vom 7. bis

18. Dezember 2009 festzulegen. Inhaltlich

konnte Einigung insbesondere über

konkrete Ziele zur Reduzierung von

Treibhausgasemissionen erreicht werden.

So bestätigte der Europäische Rat das EUZiel,

die eigenen Emissionen bis 2020 um

30% gegenüber dem Niveau von 1990 zu

senken, vorausgesetzt die anderen Parteien

zeigen sich ebenfalls zu angemessenen

Zugeständnissen bereit. Besondere

Aufmerksamkeit verdient die Unterstützung

der Staats- und Regierungschefs für die

Selbstverpflichtung der EU, ihre Emissionen

bis 2050 um 80 bis 95 % gegenüber dem

Niveau von 1990 zu reduzieren. Damit

macht die EU noch vor Beginn der

Verhandlungen in Kopenhagen signifikante

Zusagen bis 2050, während die anderen

Parteien noch nicht einmal verbindliche

Aussagen zu Klimaschutzzielen bis 2020

getroffen haben. An die Adresse ihrer

Verhandlungspartner richteten die

Mitgliedstaaten die Forderung, das 2°C-Ziel

zu übernehmen und die weltweiten

Emissionen sowie die Emissionen in

Industrieländern bis 2050 um 50% bzw. 80

bis 95% gegenüber dem Niveau von 1990

zu verringern.

Zudem vereinbarten die Staats- und

Regierungschefs in der strittigen Frage der

Finanzierung des Klimawandels ein flexibles

EU-Verhandlungsmandat. Bereits im

September 2009 hatte die Europäische

Kommission eine Mitteilung vorgelegt, in

der sie Vorschläge zur Finanzierung eines

Klimaschutzabkommens von Kopenhagen

unterbreitete. Auf ihrem Gipfeltreffen

schlossen sich die Staats- und

Regierungschefs dem Finanzierungsentwurf

der Kommission insofern an, als sie die

Netto-Zusatzkosten der Entwicklungsländer

für klimabezogene Minderungs- und

Anpassungsmaßnahmen bis 2020 auf 100

Mrd. Euro jährlich bezifferten. Ferner wurde

die Schätzung der Kommission

übernommen, der zufolge sich der Anteil

internationaler öffentlicher Mittel zur

Finanzierung dieser Maßnahmen bis 2020

auf eine Summe zwischen 22 und 50 Mrd.

Euro jährlich belaufen muss. Zudem

betonten die Mitgliedstaaten, während der

ersten drei Jahre nach Abschluss eines

Übereinkommens sei eine internationale

öffentliche Unterstützung in Höhe von 5 bis

7 Mrd. Euro jährlich geboten.

Umstritten war jedoch bis zuletzt wie sich

die Mitgliedstaaten zu diesem frühen

Zeitpunkt zur Frage eines EU-internen sowie

eines internationalen Verteilungsschlüssels

stellen sollten. Bereits das Treffen der EUFinanzminister

am 20. Oktober 2009 hatte

keine Einigung in dieser Frage gebracht. Die

schwedische Ratspräsidentschaft warb im

Vorfeld des Europäischen Rates intensiv für

detaillierte finanzielle Leistungen der EU.

Polen sowie weitere ost- und

mitteleuropäische Mitgliedstaaten

betrachteten in diesem Zusammenhang die

frühzeitige Festlegung auf einen EUinternen

Verteilungsschlüssel, welcher

insbesondere der Zahlungsfähigkeit der

Mitgliedstaaten Rechnung trägt, als zentral

für die Bestimmung des EU-Beitrags. Im

Gegensatz dazu fürchteten einige

Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, bei

frühzeitiger Festlegung auf einen EUinternen

Berechnungsmodus um die

Kohärenz zwischen internationalem und internem Verteilungsschlüssel. Die

Bundesregierung betrachtete es zudem als

strategischen Fehler, die Karten bereits zu

einem so frühen Zeitpunkt auf den Tisch zu

legen.

Im Rahmen des Europäischen Rates sahen

die Staats- und Regierungschefs schließlich

davon ab, sich auf einen EU-internen

Verteilungsschlüssel und damit auf konkrete

finanzielle Zusagen festzulegen. Es wurde

vereinbart, die EU und ihre Mitgliedstaaten

sollten auf freiwilliger Basis entsprechend

ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Lage

zur Anschubfinanzierung beitragen. Der

schwedische Premierminister Fredrik

Reinfeldt machte während der

abschließenden Pressekonferenz deutlich, es

lägen Signale aus einigen Mitgliedstaaten

vor, diese Beiträge zu übernehmen. Damit

trägt der Europäische Rat dem Interesse

einiger ost- und mitteleuropäischer

Mitgliedstaaten Rechnung, die aufgrund der

Wirtschafts- und Finanzkrise keine

Spielräume für zügige Transferleistungen in

Entwicklungsländer sehen. Ferner wurde

entschieden, den EU-Beitrag zur

Finanzierung des Klimawandels in den

Entwicklungsländern von der Definition

eines internationalen Verteilungsschlüssels

abhängig zu machen. Die Staats- und

Regierungschefs unterstrichen die

Notwendigkeit eines internationalen

Verteilungsschlüssels, der sowohl die

Zahlungsstärke als auch die Verantwortung

der einzelnen Mitgliedstaaten für

Emissionen berücksichtigt, wobei explizit die

über die Jahre zunehmende Bedeutung des

Emissionsniveaus für die

Beitragsberechnung unterstrichen wurde.

Nach Angaben des schwedischen

Ratsvorsitzenden in der abschließenden

Pressekonferenz soll zur Klärung des EUinternen

Verteilungsschlüssels eine

Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Weder die

Arbeitsgruppe selbst noch ihr Auftrag sind in

den vorliegenden Schlussfolgerungen

erwähnt. Auch findet sich kein Verweis auf

den Kompromissvorschlag vom Vorabend,

der einen Anpassungsmechanismus

vorsieht, welcher die Zahlungsfähigkeit

wirtschaftlich schwächerer Mitgliedstaaten

berücksichtigen soll. Insgesamt ist es den

Staats- und Regierungschefs gelungen,

Verhandlungsspielräume der EU zu wahren

und den Druck auf die anderen

Industriestaaten und die Schwellenländer

aufrechtzuerhalten, die bis dato weder ihre

Ziele zur Emissionsreduktion noch ihren

finanziellen Beitrag definiert haben. Mithin

hat der Europäische Rat die Voraussetzung

dafür geschaffen, dass die EU in

Kopenhagen eine Führungsrolle

übernehmen kann.

Den Staats- und Regierungschefs gelang es

ferner, einen Minimalkonsens über den

künftigen Umgang mit überschüssigen

nationalen Emissionsrechten in

Mittelosteuropa zu erzielen. Dies ist

bemerkenswert, da bis zuletzt fraglich war,

ob diese Streitfrage überhaupt auf die

Agenda des Europäischen Rates gesetzt

werden würde. Da die ost- und

mitteleuropäischen Mitgliedstaaten ihre

Kyoto-Ziele übererfüllt haben, drängen sie

darauf, ungenutzte Emissionsrechte auch

über 2012 hinaus an andere Staaten

verkaufen zu dürfen. Kommission,

Ratspräsidentschaft sowie einige weitere

Mitgliedstaaten, darunter Deutschland,

fürchten jedoch für diesen Fall um einen

Verfall des Preises per Tonne CO2 auf dem

internationalen CO2-Markt. Nachdem die

EU-Umweltminister auf ihrem Treffen vom

21. Oktober 2009 diesbezüglich keine

Einigung erzielen konnten, reifte im Rat die

Einsicht, die Streitfrage EU-intern anstatt

auf internationaler Ebene zu behandeln. Im

Rahmen des Europäischen Rates konnte

schließlich ein Minimalkonsens geschmiedet

werden. Die Staats- und Regierungschefs

betonten, der künftige Umgang mit

überschüssig zugeteilten Emissionsrechten

dürfe nicht-diskriminierend sein und die

Umweltwirksamkeit eines

Klimaschutzübereinkommens nicht

beeinträchtigen.

3. Annahme einer verschlankten Ostseestrategie

Wie im Juni angekündigt, wurde die

ursprünglich vom Europäischen Parlament

angeregte Ostseestrategie angenommen. Es

ist die erste EU-interne regionale Strategie.

Ziel ist es, die Effizienz nationaler Politiken

durch eine erhöhte Koordination und effektivere Nutzung vorhandener

Ressourcen und Initiativen zu stärken.

Im Vergleich zur ursprünglichen Resolution

des Parlaments von 2006 wurde die

Strategie allerdings spürbar verschlankt:

Aus einer Strategie mit einem starken

politischen Pfeiler, welche die

Zusammenarbeit mit Russland insbesondere

in Bezug auf die Königsberg-Enklave

stärken sollte, wurde nun eine rein EUinterne

Regionalstrategie. Auch von der

ursprünglich anvisierten

Institutionalisierung und Zuweisung eines

eigenen Haushaltstitels hat man sich in der

verabschiedeten Strategie getrennt.

Geblieben sind in erster Linie die Prioritäten

auf technischer Ebene, insbesondere der

Umweltschutz sowie Infrastrukturprojekte.

Daneben ist Energie ein Arbeitsschwerpunkt

und in geringerem Maße auch innere

Sicherheit.

Mit der Ostseestrategie sollen weder

zusätzliche finanzielle Belastungen

entstehen noch neue Institutionen

geschaffen werden. Gleichwohl soll durch

die Einsetzung von Koordinatoren innerhalb

der Kommission sowie die Veranstaltung

eines jährlichen Forums mehr Kohärenz

zwischen den rund 15 geplanten

Großprojekten gewährleistet werden. Der

Verzicht auf die Schaffung einer eigenen

Institution könnte angesichts des

„institutionellen Überangebots“ in der

Ostseeregion durchaus einen Vorteil

darstellen. Die Strategie könnte in Fragen

der Infrastruktur und bei der

Umweltzusammenarbeit gerade für die

kleineren Länder Chancen bieten. Die

Einbeziehung auch von regionalen Einheiten

(Bundesländern, Regionen, Provinzen) und

der Zivilgesellschaft eröffnet zudem

Chancen auf eine effizientere Bündelung

von Ressourcen. Der Verzicht auf eine

ausgestaltete externe Dimension und

daraus resultierende Entpolitisierung der

Strategie kann sich auch positiv auswirken.

Die Ostseestrategie wird aber ihren Platz

innerhalb des Dickichts bereits bestehender

Kooperationsplattformen im Ostseeraum

erst noch finden müssen. Zudem wäre

vielleicht eine Konzentration auf einige

wenige Schwerpunkte hilfreich. Abzuwarten

bleibt auch, inwieweit die Wirtschafts- und

Finanzkrise sich auf die ehrgeizigen

Kooperationsvorhaben gerade im Bereich

der Infrastruktur auswirkt.

Eine Überprüfung der Strategie ist bereits

2011, wohl im Rahmen der polnischen

Ratspräsidentschaft geplant. Die

Ostseestrategie ist dabei als Pilotprojekt für

zukünftige Formen makro-regionaler

Kooperation zu sehen, wie etwa die

Strategie für den Donauraum, die 2010 oder

während der ungarischen

Ratspräsidentschaft lanciert werden soll,

oder eine Alpenstrategie.

4. Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise

Die Vorbereitung auf die UN-Klimakonferenz

in Kopenhagen sowie die Verhandlungen

über die Zukunft des Lissabon-Vertrags

ließen das Kernthema der letzten Monate,

die Überwindung der Wirtschafts- und

Finanzkrise, in den Hintergrund rücken. Die

Staats- und Regierungschefs nutzten den

Europäischen Rat insbesondere, um mit

Nachdruck die zügige Umsetzung der

Reform des Aufsichtsrahmens zu fordern.

Im Anschluss an den Europäischen Rat vom

Juni 2009 hatte die Europäische

Kommission bereits im September 2009

Vorschläge für einen Europäischen Rat für

Systemrisiken auf Makroebene sowie für ein

Europäisches System der Finanzaufsicht auf

Mikroebene unterbreitet und damit wichtige

Schritte zur Vermeidung künftiger

Finanzkrisen eingeleitet. Nachdem die

Mitgliedstaaten bereits im Rahmen des

Treffens der EU-Finanzminister vom 20.

Oktober 2009 Einigkeit über

Rechtsetzungsvorschläge zur Einsetzung

des Europäischen Rates für Systemrisiken

erzielen konnten, drängten die Staats- und

Regierungschefs nunmehr auf die

Verabschiedung eines Gesamtpakets für die

Reform der europäischen Finanzaufsicht bis

Ende 2009.

Ferner akzentuierte der Europäische Rat die

andauernde Bedeutung von Unterstützungsmaßnahmen durch

Regierungen und Zentralbanken.

Gleichzeitig wurde jedoch die Notwendigkeit

hervorgehoben, im Rahmen des Stabilitätsund

Wachstumspakts koordinierte

Ausstiegsstrategien aus den

Konjunkturpaketen zu entwickeln. In

diesem Zusammenhang billigten die Staatsund

Regierungschefs die Schlussfolgerungen

des Rates vom 20. Oktober 2009, in denen

die EU-Finanzminister Prinzipien für

Ausstiegsstrategien aufstellen. Gefordert

wird, dass alle Mitgliedstaaten bis

spätestens 2011 mit der

Haushaltskonsolidierung beginnen, wobei

ein Referenzwert von 0,5 % des BIP jährlich

in den meisten Mitgliedstaaten überschritten

werden müsse. Strukturreformen –

insbesondere in Hinblick auf die anstehende

Überprüfung der Lissabon-Strategie - und

Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik

wurden zur Überwindung der Wirtschaftsund

Finanzkrise angemahnt. Aus

bundesdeutscher Perspektive ist ferner die

Unterstützung des Europäischen Rates für

die Arbeit an der Charta für nachhaltiges

Wirtschaften von Bedeutung. Ziel ist es, der

globalen Wirtschafts- und Finanzaktivität

einen neuen ordnungspolitischen Rahmen

zu verleihen.

5. Stärkung der Zusammenarbeit gegen

illegale Zuwanderung

Illegale Zuwanderung ist weiterhin ein

Dauerthema der Ratsgipfel. Hintergrund ist

die unverändert angespannte Situation an

den Grenzen der Mittelmeeranrainer sowie

das im Dezember anstehende Stockholmer

Programm zu Justiz, Sicherheit und Recht.

Nachdem beim Juni-Gipfel die Einrichtung

eines Europäischen Unterstützungsbüros für

Asylfragen (soll 2009 zum Abschluss

kommen) im Zentrum der Aufmerksamkeit

war, stand dieses Mal die Stärkung der

Behörde FRONTEX im Vordergrund. Dabei

kam der Rat einer Initiative Frankreichs und

Italiens nach: In einem Brief an die

schwedische Ratspräsidentschaft hatten

Sarkozy und Berlusconi eine Stärkung der

Institution, eine Festsetzung klarer Regeln

für Einsätze im Mittelmeerraum sowie

gemeinsame Charterflüge für die

Rückführung illegaler Einwanderer

gefordert. Der Europäische Rat ging dabei

auf die meisten dieser Forderungen ein und

beauftragte die Kommission, bis Anfang

2010 Vorschläge zur Stärkung und

Weiterentwicklung von FRONTEX

vorzulegen. Das Kommissionspapier soll

gemeinsame Verfahren für Operationen auf

See erarbeiten sowie die Grundlagen für

eine enge Zusammenarbeit mit Ursprungsund

Transitländern schaffen. Die Idee

regelmäßiger, von FRONTEX finanzierter

Charter-Rückflüge soll ebenfalls erörtert

werden.

Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit mit

der Türkei und Libyen in diesen Fragen

gestärkt werden. Die bisweilen holprige

Kooperation mit der Türkei hatte den

Migrationsdruck auf Griechenland und

Zypern spürbar gesteigert.

Die beim letzten Ratsgipfel eingeforderte

Solidarität der übrigen Mitgliedstaaten mit

den besonders von illegaler Migration

betroffenen Ländern ist bislang nur

eingeschränkt gezeigt worden;

entsprechend wird eine stärkere Beachtung

dieses Prinzips eingefordert. So beteiligte

sich an einem Pilotprojekt zur Unterstützung

Maltas nur eine geringe Zahl von

Mitgliedstaaten.

6. Außenbeziehungen

In einer eigenen Erklärung zum Iran setzten

sich die Staats- und Regierungschefs für

eine diplomatische Lösung der Probleme im

Zusammengang mit dem iranischen

Nuklearprogramms ein und forderten eine

uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der

IAEO. Ferner bestätigten die Staats- und

Regierungschefs den von den

Außenministern vorgelegten Aktionsplan,

der eine neue Strategie der EU gegenüber

Afghanistan und Pakistan einläutet.

Schwerpunkte sind die Unterstützung

staatlicher Institutionen, eine personelle

Aufrüstung der bislang nach wie vor nicht

vollständig eingesetzten EUPOL-Mission

sowie eine umfassende Erhöhung der bisher

bereit gestellten Hilfsgelder für beide

Staaten ohne jedoch konkrete Zahlen zu

nennen.

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