Grünes Licht für Prag und Kopenhagen
Riikide raportid
Auf beiden Feldern schafften die Staats- und Regierungschefs Grundlagen für Erfolg.
Zur Rettung des Lissabon-Vertrages traten die Staats- und Regierungschefs in Vorlage
und machten die Zugeständnisse, die der tschechische Präsident zur Vorbedingung für
seine Unterschrift unter das Ratifikationsgesetz gefordert hatte. Die
Fragen der Umsetzung des Lissabon-Vertrages, insbesondere die damit
verbundenen Personalentscheidungen, konnten angesichts der immer noch ausstehenden Ratifizierung durch die
Tschechische Republik nicht abschließend
behandelt werden. Damit verzögert sich
auch die Einsetzung der neuen Kommission,
die zum 1. November hätte erfolgen sollen.
Ein weiterer Sondergipfel wird nötig sein.
Der Europäische Rat billigte allerdings
Leitlinien für den geplanten Europäischen
Auswärtigen Dienst und nahm
Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung
zur Kenntnis.
Mit Blick auf den Kopenhagener Gipfel zum
Klimaschutz wollte die schwedische
Ratspräsidentschaft ein klares Mandat für
die Europäische Union, das nicht nur die
Verhandlungsziele, sondern auch konkrete
Verpflichtungen zur Finanzierung des
Klimawandels umfassen sollten. Im
letzteren Punkt verständigte man sich auf
Eckdaten der anfallenden Kosten und kam
zu einer Annährung bei den
Bemessungskriterien der Lastenverteilung.
Das weitere Vorgehen wurde in „Leitlinien“
zur internationalen Finanzierung des
Klimaschutzes detailliert festgeschrieben.
Langfristig bedeutsam sind die
Richtungsvorgaben für die von den
Außenministern kürzlich verabschiedete
Ostseestrategie. Sie bleibt zwar hinter den
ursprünglich gesetzten Zielen zurück, ist
aber als Einstieg in ein neues politisches
Konzept der „makro-regionalen
Kooperation“ innerhalb der EU zu sehen.
Weitere Themen waren Zwischenbilanzen
über erreichte und erforderliche Schritte zur
Bewältigung der Wirtschafts- und
Finanzkrise und zum weiteren Vorgehen
der EU gegen illegale Migration. Neue
Beschlüsse wurden hier nicht gefasst. In
einer separaten Erklärung bekräftigten die
Staats- und Regierungschefs noch einmal,
dass sie nach wie vor für eine diplomatische
Lösung in der Iranfrage eintreten.
1. Zukunft des Vertrages von Lissabon
a) Ratifizierungsprozess
Mit dem positiven Ausgang des irischen
Referendums ist das Inkrafttreten des
Vertrages von Lissabon in greifbare Nähe
gerückt. Entsprechend wurden die
Vorbereitungen auf die Umsetzung des
Vertrages in den letzten Wochen
intensiviert. Mit Blick auf die noch ausstehende Unterschrift des tschechischen
Präsidenten musste es allerdings bei diesem
Gipfel erst einmal darum gehen die
tschechischen Bedenken auszuräumen.
Einmal mehr akzeptierten die Staats- und
Regierungschefs Ausnahmeregelungen.
Neben Polen und Großbritannien findet nun
auch in der Tschechischen Republik die
Charta der Grundrechte der EU keine
Anwendung. Das entsprechenden Protokoll
Nr. 30 soll im Rahmen des nächsten
Beitrittsvertrages rechtsverbindlich dem
Lissabon-Vertrag beigefügt werden. Darüber
hinaus bestätigten die Staats- und
Regierungschef in den Schlussfolgerungen
noch einmal explizit die bekannten
Rechtspositionen, dass alle nicht in den
Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei
den Mitgliedstaaten verbleiben und die
Charta ausschließlich bei der Durchführung
des Rechts der Union gilt. Die Problematik
dieser Zusagen liegt weniger im
Inhaltlichen. Zum einen galt es zu
verhindern, dass andere Staaten nicht zu
Trittbrettfahrern der tschechischen
Forderung wurden; die Slowakei hatte dies
öffentlich erwogen; die ungarische
Regierung war versucht es zu tun. Zum
anderen musste diese Zusage bona fide, wie
der Kommissionspräsident es formulierte,
gegeben werden, ohne die Garantie zu
haben, dass der tschechische Präsident nun
auch unterzeichnet.
Einen präzisen Zeitplan wie es nun
weitergeht, kann es noch nicht geben. Das
Brünner Verfassungsgericht wird frühesten
am 3. November entscheiden. Sollte
Präsident Klaus dann zügig unterschrieben,
könnte der Vertrag am 1. Dezember in Kraft
treten. So die optimistische Variante.
Die Hängepartie des
Ratifizierungsverfahrens hat auch zur
Konsequenz, dass die scheidende
Kommission über den 31. Oktober, dem
vertraglich vorgesehen Ende ihre Amtszeit,
hinaus die Geschäfte führen muss. Zwar
haben die meisten Mitgliedsstaaten die
Namen ihrer Kandidaten für neue
Kommission dem Präsidenten übermittelt.
Doch wird das eigentliche Verfahren erst
beginnen, wenn Klarheit über die Größe der
künftigen Kommission – der Nizza-Vertrag
sieht nur 26 Mitglieder vor – und die
Besetzung der Spitzenämter besteht. Unter
Lissabon wird mit dem Hohen
Repräsentanten zugleich ein Vizepräsident
der Kommission besetzt, er wird also auf die
Verteilung nach Ländern angerechnet. Der
Parlamentspräsident hat zugesichert, dass
das Parlament ab dem 25. November mit
den Anhörungen der Kandidaten für die
neue Kommission beginnen könne.
Vor diesem Hintergrund konnten natürlich
die in der Öffentlichkeit am stärksten
diskutierten Personalfragen einer Klärung
nicht näher gebracht werden. Die Liste der
in den Gängen kolportierten Kandidaten für
das Amt des Präsidenten des Europäischen
Rates – sie reicht von Tony Blair und Jean-
Claude Juncker über Peter Balkenende,
Herman van Rompuy bis zu Mary Robinson
und Felipe Gonzales – ist nicht kürzer
geworden. Gleiches trifft auch zu für den
künftigen Hohen Repräsentanten und
Vizepräsidenten der Kommission; hier
werden Namen wie David Miliband, Bernard
Kouchner, Olli Rehn, Carl Bildt, Michel
Barnier u.a. gehandelt. Die Spekulationen
dürfen vorerst also weiter ins Kraut
schießen. Eindeutig sind nur die Kriterien,
die neben der fachlichen Eignung zählen:
Größe des Herkunftslands und regionale
Ausgewogenheit, politische Heimat und
Geschlecht.
b) Umsetzungsfragen
Im Vorgriff auf einen raschen Abschluss des
Ratifizierungsverfahren billigten die Staatsund
Regierungschefs einen Bericht der
Ratspräsidentschaft über die Grundzüge des
neu zu schaffenden Europäischen
Auswärtigen Dienstes und nahmen ein eher
technisch anmutendes aber doch mit
politischer Sprengkraft behaftetes Dossier
zum Stand der Vorbereitungen für einen
reibungslosen Übergang von Nizza nach
Lissabon zur Kenntnis.
Mit der Zustimmung zum Bericht über die
Leitlinien für den künftigen Auswärtigen
Dienstes werden die Konturen einer
Neuerung sichtbar, die das außenpolitische
Handeln der Europäischen Union merkbar
verändern wird. Die Leitlinien befassen sich nicht mit Inhalten sondern machen
Vorgaben über die Verortung des Dienstes
im Gefüge der EU-Institutionen, seine
Zuständigkeitsbereiche und Budgetfragen.
Laut Vertrag obliegt es dem neuen Hohen
Beauftragten die Entscheidungsvorlage für
den Rat zu erarbeiten.
Bemerkenswerterweise ist zuerst das
Europäische Parlament mit seinen
Vorschlägen in die Öffentlichkeit getreten
und hat damit deutlich gemacht, dass es bei
der Ausgestaltung wie bei der künftigen
Arbeit des Dienstes ein Mitspracherecht
haben wird.
Konsens besteht in der derzeitigen Debatte,
dass der Europäische Auswärtige Dienst
eine Einrichtung sui generis sein wird. Die
Präsidentschaft will, dass er getrennt von
Kommission und Ratssekretariat autonom
agieren kann, also weder eine Abteilung des
Generalsekretariates des Rates noch eine
Generaldirektion der Kommission ist. Das
Parlament hat in seiner Entschließung
dagegen verlangt, dass der EAD in
„organisatorischer und haushaltstechnischer
Hinsicht in die Verwaltungsstruktur der
Kommission eingegliedert werden muss“.
Der Auswärtige Dienst wird verantwortlich
sein für die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik bzw. die Europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik, aber
nicht für alle Bereiche des Außenhandelns
der EU. Handel, Entwicklung und
Erweiterung bleiben in Verantwortung der
derzeit zuständigen Generaldirektionen.
Über die Aufstellung und Verwendung der
Haushaltsmittel für die EU-Programme und
die strategische Planung soll er allerdings
auch in diesen Bereichen involviert sein. Die
genaue Arbeitsteilung zwischen Kommission
und EAD über die Zuständigkeiten für die
Vielzahl der bestehenden geographischen
und thematischen Programme muss noch
geklärt werden. Die Mittel für den
Auswärtigen Dienst – getrennt nach
operativen und administrativen Ausgaben –
werden in einem eigenen Haushaltstitel
veranschlagt, der aber Teil des
Kommissionshaushaltes ist, der vom
Kommissionskollegium vorgeschlagen wird.
Über die Höhe des Etats gibt es noch keine
Aussagen.
Unterstellt ist der Dienst dem Hohen
Beauftragten, der gleichzeitig Vizepräsident
der Kommission ist. Seine Beamten sollen
sowohl den künftigen Präsidenten des
Europäischen Rates wie den Präsident und
Mitglieder der Kommission unterstützen. Sie
kommen zu „mindestens einem Drittel“ –
so die Ratsvorlage - aus den Diensten der
Mitgliedsstaaten und zu gleichen Teilen aus
Ratssekretariat und Kommission. Alle sollen
gleichen beamtenrechtlichen Status haben
und prinzipiell zwischen den drei
Institutionen wechseln können. Ein großer
Aufwuchs des Personals soll vermieden und
die Zahl der neu zu schaffenden Stellen auf
einige für nationale Beamte begrenzt
werden. Das Direktorat für
Krisenmanagement und Planung (CMPD),
der zivile Planungs- und Durchführungsstab
(CPCC) und der Militärstab der EU (EUMS)
werden in den EAD integriert sein. Die
jetzigen Delegationen der Kommission
werden ebenfalls Teil des Dienstes sein und
dem Hohen Beauftragten unterstehen. Die
Vertretungen sollen nicht nur logistische
und administrative Unterstützung leisten,
sondern auch in Konsularfragen und bei
diplomatischem Schutz Hilfe leisten können.
Langfristig soll der Leiter der Delegation die
Rolle und Funktion übernehmen, die derzeit
noch von der rotierenden Präsidentschaft
ausgeübt wird. Auch die EU
Sonderbeauftragten, von denen es
mittlerweile elf gibt, werden in den Dienst
eingegliedert.
Sieht man ab von der überwindbaren
Differenz zwischen Rat und Parlament, das
mit seiner Haltung sicherstellen will, dass
der EAD sich im Geiste der
gemeinschaftlichen Methode entwickelt und
nicht die zwischenstaatliche
Zusammenarbeit stärkt, besteht wohl
Einvernehmen unter den verantwortlichen
Akteuren über die Grundzüge des Dienstes,
auch wenn im Detail noch viele Fragen zu
regeln sind. Wenn der Vertrag rechtzeitig in
Kraft tritt, kann der Dienst gleichwohl im
April seine Tätigkeit aufnehmen. 2012 soll
er dann voll arbeitsfähig sein. Noch ein Mal
zwei Jahre später ist eine erste Überprüfung
angesetzt. Um erfolgreich zu sein, wird es
viel Feingefühl der handelnden Personen
brauchen, damit die bürokratischen Rivalitäten innerhalb der EU-Institutionen
wie zwischen EU und den nationalen
Außenministerien nicht zu Sand im Getriebe
einer zukunftsweisenden Maschinerie
werden.
Außerdem nahm der Europäische Rat ein
Dokument zu den Vorbereitungsarbeiten für
die Umsetzung des Vertrages zur Kenntnis.
Es listet eher stichwortartig die Bereiche
auf, wo dringender Handlungsbedarf
besteht um die Arbeit der Union reibungslos
weiterführen können z.B.: Überleitung von
Mitentscheidungsverfahren auf neuen
Gebieten, Änderungen im
Haushaltsverfahren, Fragen der
Geschäftsordnung des Europäischen Rates.
2. Ein ambitioniertes und flexibles EU-Verhandlungsmandat für Kopenhagen
Die Staats- und Regierungschefs nutzten
den Europäischen Rat, um ein
ambitioniertes und flexibles EUVerhandlungsmandat
für die UNKlimakonferenz
in Kopenhagen vom 7. bis
18. Dezember 2009 festzulegen. Inhaltlich
konnte Einigung insbesondere über
konkrete Ziele zur Reduzierung von
Treibhausgasemissionen erreicht werden.
So bestätigte der Europäische Rat das EUZiel,
die eigenen Emissionen bis 2020 um
30% gegenüber dem Niveau von 1990 zu
senken, vorausgesetzt die anderen Parteien
zeigen sich ebenfalls zu angemessenen
Zugeständnissen bereit. Besondere
Aufmerksamkeit verdient die Unterstützung
der Staats- und Regierungschefs für die
Selbstverpflichtung der EU, ihre Emissionen
bis 2050 um 80 bis 95 % gegenüber dem
Niveau von 1990 zu reduzieren. Damit
macht die EU noch vor Beginn der
Verhandlungen in Kopenhagen signifikante
Zusagen bis 2050, während die anderen
Parteien noch nicht einmal verbindliche
Aussagen zu Klimaschutzzielen bis 2020
getroffen haben. An die Adresse ihrer
Verhandlungspartner richteten die
Mitgliedstaaten die Forderung, das 2°C-Ziel
zu übernehmen und die weltweiten
Emissionen sowie die Emissionen in
Industrieländern bis 2050 um 50% bzw. 80
bis 95% gegenüber dem Niveau von 1990
zu verringern.
Zudem vereinbarten die Staats- und
Regierungschefs in der strittigen Frage der
Finanzierung des Klimawandels ein flexibles
EU-Verhandlungsmandat. Bereits im
September 2009 hatte die Europäische
Kommission eine Mitteilung vorgelegt, in
der sie Vorschläge zur Finanzierung eines
Klimaschutzabkommens von Kopenhagen
unterbreitete. Auf ihrem Gipfeltreffen
schlossen sich die Staats- und
Regierungschefs dem Finanzierungsentwurf
der Kommission insofern an, als sie die
Netto-Zusatzkosten der Entwicklungsländer
für klimabezogene Minderungs- und
Anpassungsmaßnahmen bis 2020 auf 100
Mrd. Euro jährlich bezifferten. Ferner wurde
die Schätzung der Kommission
übernommen, der zufolge sich der Anteil
internationaler öffentlicher Mittel zur
Finanzierung dieser Maßnahmen bis 2020
auf eine Summe zwischen 22 und 50 Mrd.
Euro jährlich belaufen muss. Zudem
betonten die Mitgliedstaaten, während der
ersten drei Jahre nach Abschluss eines
Übereinkommens sei eine internationale
öffentliche Unterstützung in Höhe von 5 bis
7 Mrd. Euro jährlich geboten.
Umstritten war jedoch bis zuletzt wie sich
die Mitgliedstaaten zu diesem frühen
Zeitpunkt zur Frage eines EU-internen sowie
eines internationalen Verteilungsschlüssels
stellen sollten. Bereits das Treffen der EUFinanzminister
am 20. Oktober 2009 hatte
keine Einigung in dieser Frage gebracht. Die
schwedische Ratspräsidentschaft warb im
Vorfeld des Europäischen Rates intensiv für
detaillierte finanzielle Leistungen der EU.
Polen sowie weitere ost- und
mitteleuropäische Mitgliedstaaten
betrachteten in diesem Zusammenhang die
frühzeitige Festlegung auf einen EUinternen
Verteilungsschlüssel, welcher
insbesondere der Zahlungsfähigkeit der
Mitgliedstaaten Rechnung trägt, als zentral
für die Bestimmung des EU-Beitrags. Im
Gegensatz dazu fürchteten einige
Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, bei
frühzeitiger Festlegung auf einen EUinternen
Berechnungsmodus um die
Kohärenz zwischen internationalem und internem Verteilungsschlüssel. Die
Bundesregierung betrachtete es zudem als
strategischen Fehler, die Karten bereits zu
einem so frühen Zeitpunkt auf den Tisch zu
legen.
Im Rahmen des Europäischen Rates sahen
die Staats- und Regierungschefs schließlich
davon ab, sich auf einen EU-internen
Verteilungsschlüssel und damit auf konkrete
finanzielle Zusagen festzulegen. Es wurde
vereinbart, die EU und ihre Mitgliedstaaten
sollten auf freiwilliger Basis entsprechend
ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Lage
zur Anschubfinanzierung beitragen. Der
schwedische Premierminister Fredrik
Reinfeldt machte während der
abschließenden Pressekonferenz deutlich, es
lägen Signale aus einigen Mitgliedstaaten
vor, diese Beiträge zu übernehmen. Damit
trägt der Europäische Rat dem Interesse
einiger ost- und mitteleuropäischer
Mitgliedstaaten Rechnung, die aufgrund der
Wirtschafts- und Finanzkrise keine
Spielräume für zügige Transferleistungen in
Entwicklungsländer sehen. Ferner wurde
entschieden, den EU-Beitrag zur
Finanzierung des Klimawandels in den
Entwicklungsländern von der Definition
eines internationalen Verteilungsschlüssels
abhängig zu machen. Die Staats- und
Regierungschefs unterstrichen die
Notwendigkeit eines internationalen
Verteilungsschlüssels, der sowohl die
Zahlungsstärke als auch die Verantwortung
der einzelnen Mitgliedstaaten für
Emissionen berücksichtigt, wobei explizit die
über die Jahre zunehmende Bedeutung des
Emissionsniveaus für die
Beitragsberechnung unterstrichen wurde.
Nach Angaben des schwedischen
Ratsvorsitzenden in der abschließenden
Pressekonferenz soll zur Klärung des EUinternen
Verteilungsschlüssels eine
Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Weder die
Arbeitsgruppe selbst noch ihr Auftrag sind in
den vorliegenden Schlussfolgerungen
erwähnt. Auch findet sich kein Verweis auf
den Kompromissvorschlag vom Vorabend,
der einen Anpassungsmechanismus
vorsieht, welcher die Zahlungsfähigkeit
wirtschaftlich schwächerer Mitgliedstaaten
berücksichtigen soll. Insgesamt ist es den
Staats- und Regierungschefs gelungen,
Verhandlungsspielräume der EU zu wahren
und den Druck auf die anderen
Industriestaaten und die Schwellenländer
aufrechtzuerhalten, die bis dato weder ihre
Ziele zur Emissionsreduktion noch ihren
finanziellen Beitrag definiert haben. Mithin
hat der Europäische Rat die Voraussetzung
dafür geschaffen, dass die EU in
Kopenhagen eine Führungsrolle
übernehmen kann.
Den Staats- und Regierungschefs gelang es
ferner, einen Minimalkonsens über den
künftigen Umgang mit überschüssigen
nationalen Emissionsrechten in
Mittelosteuropa zu erzielen. Dies ist
bemerkenswert, da bis zuletzt fraglich war,
ob diese Streitfrage überhaupt auf die
Agenda des Europäischen Rates gesetzt
werden würde. Da die ost- und
mitteleuropäischen Mitgliedstaaten ihre
Kyoto-Ziele übererfüllt haben, drängen sie
darauf, ungenutzte Emissionsrechte auch
über 2012 hinaus an andere Staaten
verkaufen zu dürfen. Kommission,
Ratspräsidentschaft sowie einige weitere
Mitgliedstaaten, darunter Deutschland,
fürchten jedoch für diesen Fall um einen
Verfall des Preises per Tonne CO2 auf dem
internationalen CO2-Markt. Nachdem die
EU-Umweltminister auf ihrem Treffen vom
21. Oktober 2009 diesbezüglich keine
Einigung erzielen konnten, reifte im Rat die
Einsicht, die Streitfrage EU-intern anstatt
auf internationaler Ebene zu behandeln. Im
Rahmen des Europäischen Rates konnte
schließlich ein Minimalkonsens geschmiedet
werden. Die Staats- und Regierungschefs
betonten, der künftige Umgang mit
überschüssig zugeteilten Emissionsrechten
dürfe nicht-diskriminierend sein und die
Umweltwirksamkeit eines
Klimaschutzübereinkommens nicht
beeinträchtigen.
3. Annahme einer verschlankten Ostseestrategie
Wie im Juni angekündigt, wurde die
ursprünglich vom Europäischen Parlament
angeregte Ostseestrategie angenommen. Es
ist die erste EU-interne regionale Strategie.
Ziel ist es, die Effizienz nationaler Politiken
durch eine erhöhte Koordination und effektivere Nutzung vorhandener
Ressourcen und Initiativen zu stärken.
Im Vergleich zur ursprünglichen Resolution
des Parlaments von 2006 wurde die
Strategie allerdings spürbar verschlankt:
Aus einer Strategie mit einem starken
politischen Pfeiler, welche die
Zusammenarbeit mit Russland insbesondere
in Bezug auf die Königsberg-Enklave
stärken sollte, wurde nun eine rein EUinterne
Regionalstrategie. Auch von der
ursprünglich anvisierten
Institutionalisierung und Zuweisung eines
eigenen Haushaltstitels hat man sich in der
verabschiedeten Strategie getrennt.
Geblieben sind in erster Linie die Prioritäten
auf technischer Ebene, insbesondere der
Umweltschutz sowie Infrastrukturprojekte.
Daneben ist Energie ein Arbeitsschwerpunkt
und in geringerem Maße auch innere
Sicherheit.
Mit der Ostseestrategie sollen weder
zusätzliche finanzielle Belastungen
entstehen noch neue Institutionen
geschaffen werden. Gleichwohl soll durch
die Einsetzung von Koordinatoren innerhalb
der Kommission sowie die Veranstaltung
eines jährlichen Forums mehr Kohärenz
zwischen den rund 15 geplanten
Großprojekten gewährleistet werden. Der
Verzicht auf die Schaffung einer eigenen
Institution könnte angesichts des
„institutionellen Überangebots“ in der
Ostseeregion durchaus einen Vorteil
darstellen. Die Strategie könnte in Fragen
der Infrastruktur und bei der
Umweltzusammenarbeit gerade für die
kleineren Länder Chancen bieten. Die
Einbeziehung auch von regionalen Einheiten
(Bundesländern, Regionen, Provinzen) und
der Zivilgesellschaft eröffnet zudem
Chancen auf eine effizientere Bündelung
von Ressourcen. Der Verzicht auf eine
ausgestaltete externe Dimension und
daraus resultierende Entpolitisierung der
Strategie kann sich auch positiv auswirken.
Die Ostseestrategie wird aber ihren Platz
innerhalb des Dickichts bereits bestehender
Kooperationsplattformen im Ostseeraum
erst noch finden müssen. Zudem wäre
vielleicht eine Konzentration auf einige
wenige Schwerpunkte hilfreich. Abzuwarten
bleibt auch, inwieweit die Wirtschafts- und
Finanzkrise sich auf die ehrgeizigen
Kooperationsvorhaben gerade im Bereich
der Infrastruktur auswirkt.
Eine Überprüfung der Strategie ist bereits
2011, wohl im Rahmen der polnischen
Ratspräsidentschaft geplant. Die
Ostseestrategie ist dabei als Pilotprojekt für
zukünftige Formen makro-regionaler
Kooperation zu sehen, wie etwa die
Strategie für den Donauraum, die 2010 oder
während der ungarischen
Ratspräsidentschaft lanciert werden soll,
oder eine Alpenstrategie.
4. Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise
Die Vorbereitung auf die UN-Klimakonferenz
in Kopenhagen sowie die Verhandlungen
über die Zukunft des Lissabon-Vertrags
ließen das Kernthema der letzten Monate,
die Überwindung der Wirtschafts- und
Finanzkrise, in den Hintergrund rücken. Die
Staats- und Regierungschefs nutzten den
Europäischen Rat insbesondere, um mit
Nachdruck die zügige Umsetzung der
Reform des Aufsichtsrahmens zu fordern.
Im Anschluss an den Europäischen Rat vom
Juni 2009 hatte die Europäische
Kommission bereits im September 2009
Vorschläge für einen Europäischen Rat für
Systemrisiken auf Makroebene sowie für ein
Europäisches System der Finanzaufsicht auf
Mikroebene unterbreitet und damit wichtige
Schritte zur Vermeidung künftiger
Finanzkrisen eingeleitet. Nachdem die
Mitgliedstaaten bereits im Rahmen des
Treffens der EU-Finanzminister vom 20.
Oktober 2009 Einigkeit über
Rechtsetzungsvorschläge zur Einsetzung
des Europäischen Rates für Systemrisiken
erzielen konnten, drängten die Staats- und
Regierungschefs nunmehr auf die
Verabschiedung eines Gesamtpakets für die
Reform der europäischen Finanzaufsicht bis
Ende 2009.
Ferner akzentuierte der Europäische Rat die
andauernde Bedeutung von Unterstützungsmaßnahmen durch
Regierungen und Zentralbanken.
Gleichzeitig wurde jedoch die Notwendigkeit
hervorgehoben, im Rahmen des Stabilitätsund
Wachstumspakts koordinierte
Ausstiegsstrategien aus den
Konjunkturpaketen zu entwickeln. In
diesem Zusammenhang billigten die Staatsund
Regierungschefs die Schlussfolgerungen
des Rates vom 20. Oktober 2009, in denen
die EU-Finanzminister Prinzipien für
Ausstiegsstrategien aufstellen. Gefordert
wird, dass alle Mitgliedstaaten bis
spätestens 2011 mit der
Haushaltskonsolidierung beginnen, wobei
ein Referenzwert von 0,5 % des BIP jährlich
in den meisten Mitgliedstaaten überschritten
werden müsse. Strukturreformen –
insbesondere in Hinblick auf die anstehende
Überprüfung der Lissabon-Strategie - und
Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik
wurden zur Überwindung der Wirtschaftsund
Finanzkrise angemahnt. Aus
bundesdeutscher Perspektive ist ferner die
Unterstützung des Europäischen Rates für
die Arbeit an der Charta für nachhaltiges
Wirtschaften von Bedeutung. Ziel ist es, der
globalen Wirtschafts- und Finanzaktivität
einen neuen ordnungspolitischen Rahmen
zu verleihen.
5. Stärkung der Zusammenarbeit gegen
illegale Zuwanderung
Illegale Zuwanderung ist weiterhin ein
Dauerthema der Ratsgipfel. Hintergrund ist
die unverändert angespannte Situation an
den Grenzen der Mittelmeeranrainer sowie
das im Dezember anstehende Stockholmer
Programm zu Justiz, Sicherheit und Recht.
Nachdem beim Juni-Gipfel die Einrichtung
eines Europäischen Unterstützungsbüros für
Asylfragen (soll 2009 zum Abschluss
kommen) im Zentrum der Aufmerksamkeit
war, stand dieses Mal die Stärkung der
Behörde FRONTEX im Vordergrund. Dabei
kam der Rat einer Initiative Frankreichs und
Italiens nach: In einem Brief an die
schwedische Ratspräsidentschaft hatten
Sarkozy und Berlusconi eine Stärkung der
Institution, eine Festsetzung klarer Regeln
für Einsätze im Mittelmeerraum sowie
gemeinsame Charterflüge für die
Rückführung illegaler Einwanderer
gefordert. Der Europäische Rat ging dabei
auf die meisten dieser Forderungen ein und
beauftragte die Kommission, bis Anfang
2010 Vorschläge zur Stärkung und
Weiterentwicklung von FRONTEX
vorzulegen. Das Kommissionspapier soll
gemeinsame Verfahren für Operationen auf
See erarbeiten sowie die Grundlagen für
eine enge Zusammenarbeit mit Ursprungsund
Transitländern schaffen. Die Idee
regelmäßiger, von FRONTEX finanzierter
Charter-Rückflüge soll ebenfalls erörtert
werden.
Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit mit
der Türkei und Libyen in diesen Fragen
gestärkt werden. Die bisweilen holprige
Kooperation mit der Türkei hatte den
Migrationsdruck auf Griechenland und
Zypern spürbar gesteigert.
Die beim letzten Ratsgipfel eingeforderte
Solidarität der übrigen Mitgliedstaaten mit
den besonders von illegaler Migration
betroffenen Ländern ist bislang nur
eingeschränkt gezeigt worden;
entsprechend wird eine stärkere Beachtung
dieses Prinzips eingefordert. So beteiligte
sich an einem Pilotprojekt zur Unterstützung
Maltas nur eine geringe Zahl von
Mitgliedstaaten.
6. Außenbeziehungen
In einer eigenen Erklärung zum Iran setzten
sich die Staats- und Regierungschefs für
eine diplomatische Lösung der Probleme im
Zusammengang mit dem iranischen
Nuklearprogramms ein und forderten eine
uneingeschränkte Zusammenarbeit mit der
IAEO. Ferner bestätigten die Staats- und
Regierungschefs den von den
Außenministern vorgelegten Aktionsplan,
der eine neue Strategie der EU gegenüber
Afghanistan und Pakistan einläutet.
Schwerpunkte sind die Unterstützung
staatlicher Institutionen, eine personelle
Aufrüstung der bislang nach wie vor nicht
vollständig eingesetzten EUPOL-Mission
sowie eine umfassende Erhöhung der bisher
bereit gestellten Hilfsgelder für beide
Staaten ohne jedoch konkrete Zahlen zu
nennen.
poolt esitatud
Europabüro Brüssel
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